Berliner Chancengleichheitsprogramm

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Rede der Staatssekretärin für Integration und Frauen, Barbara Loth, anlässlich der Auftaktveranstaltung für das Alumnae-Netzwerk des Berliner Chancengleichheitsprogramms am 15. April 2016 an der Humboldt-Universität zu Berlin

(Es gilt das gesprochene Wort.)

 

Begrüßung

 

Sehr geehrter Herr Prof. Olbertz, sehr geehrte Frau Schillhaneck, liebe Kollegin Scheeres, meine sehr geehrten Damen und Herren,

 

1. Begrüßung

ich freue mich, dass Sie unserer Einladung so zahlreich gefolgt sind und mit uns gemeinsam dieses Jubiläum begehen: 15 Jahre „Berliner Programm zur Förderung der Chancengleichheit für Frauen in Forschung und Lehre“.

Im Jahr 2001 wurde das Programm aus der Taufe gehoben. Heute, wollen wir nicht nur seinen anhaltenden Erfolg feiern, sondern vor allen Dingen diejenigen Wissenschaftlerinnen und Künstlerinnen, für deren spannende und vielfältige Berufswege das Berliner Chancengleichheitsprogramm ein Karriereimpuls sein durfte. Wären all die Frauen - es waren etwa 1250, die in den vergangenen Jahren durch das BCP auf unterschiedlichste Weise begleitet wurden – wären alle dies Frauen miteinander verbunden, würde sich nicht nur über die Berliner Wissenschaftslandschaft, sondern auch weit darüber hinaus ein engmaschiges Netz legen. Die Potentiale dieses Netzwerks wollen wir mit der heutigen Auftaktveranstaltung erstmals erschließen.

 

Jubiläen sind aber auch willkommener Anlass, um auf das Erreichte zurückzublicken und gleichzeitig die Zukunft ins Auge zu fassen.

 

2. Entwicklungsgeschichte / Erfolgsgeschichte

Chancen für Frauen schaffen – das war und ist das große Ziel des BCP. Zur Erinnerung: 2001 lag der Frauenanteil an Promotionen bei 39% und an Habilitation bei 17%. Noch geringer war der Frauenanteil auf Professuren mit nur 14%! Seitdem konnten die Berliner Hochschulen bedeutende Fortschritte verzeichnen – die Unterschiede zwischen den Fachkulturen einmal ausgeklammert. So ist der Anteil der promovierten Frauen seit 2008 nicht mehr unter 45% gesunken und rund 31% der Professuren im Land Berlin sind heute mit Frauen besetzt.

 

Politik und Verwaltung haben die Berliner Hochschulen auf diesem Weg kontinuierlich und konsequent mit Instrumenten wie dem Berliner Chancengleichheitsprogramm unterstützt. Damit dieses Programm über einen so langen Zeitraum erfolgreich wirken konnte, wurde es dynamisch an neue Herausforderungen angepasst. Wichtigster Begleiter dieser konzeptionellen Anpassungen war von Beginn an der sogenannte „Berliner Dialog“.

 

In der Arbeitsgruppe „Gleichstellungspolitik in der Wissenschaft“, die 1995 auf Initiative der Senatsverwaltung für Arbeit und Frauen die „Berliner Perspektiven für die Gleichstellung von Frauen in der Wissenschaft“ erstellt hatte, fand diese Dialogstrategie erstmals einen sichtbaren Ausdruck. Gemeinsam mit den für Frauen und für Wissenschaft zuständigen Senatsverwaltungen diskutierten Expertinnen außeruniversitärer Forschungseinrichtungen, Wissenschaftlerinnen der Berliner Hochschulen, Frauenbeauftragte auf Landes- und Bundesebene und Geschlechterforscherinnen.

Im Dialog wurden seitdem relevante Impulse für die Hochschulgleichstellungspolitik im Land gesetzt, ob es um die Implementierung des Gender Mainstreaming-Prinzips in die Hochschulsteuerung ging, die Entwicklung entsprechender Steuerungs- und Förderinstrumente im Rahmen der Hochschulverträge oder wie jüngst um die Entwicklung von Allgemeinen Gleichstellungsstandards.

 

Berlin funktioniert aber nicht als Insel, die Programmentwicklung war immer auch in die wissenschaftspolitischen Entscheidungen auf Bund-Länder-Ebene eingebettet: Der Berliner Senat hatte im Jahr 2000 beschlossen, die in Berlin auf die Förderung von Frauen in der Wissenschaft gerichteten Programme, das Förderprogramm Frauenforschung auf Landesebene und das Bund-Länder-Programm HWP 1[1], zu einem gemeinsamen „Berliner Programm zur Förderung der Chancengleichheit für Frauen in Forschung und Lehre“ zu vereinen. Das war die Geburtsstunde des BCP. Und es ist einer der Gründe, warum beides, die Implementierung der Geschlechterforschung und die Frauenförderung, bis heute selbstverständliche Bestandteile des Programms sind. Mit dieser Zusammenlegung war von 2001 bis 2006 zum einen die anteilige Finanzierung des Programmetats aus Bundesmitteln gesichert, zum anderen beeinflussten die Vergaberichtlinien des Bund-Länder-Programms die Ausgestaltung der Förderlinien im BCP.

 

Mit dem Auslaufen des Bund-Länder-Programms 2006 halbierte sich das Finanzvolumen. Es blieb nur der Länderanteil, der seit 2001 gemeinsam von der für Frauen zuständigen Senatsverwaltung (1.022 Mio. €) und den Hochschulen (0,511 Mio. €) getragen wurde.

Was sich damals als Krise darstellte, kann in der Retrospektive als ein Meilenstein in der Entwicklung des BCP interpretiert werden. Es gab Raum für Neues. Das Problem der Unterrepräsentanz von Frauen sollte nun stärker als strategische Aufgabe von den Hochschulleitungen angenommen werden. Zu diesem Zweck wurde die bis dato bestehende Möglichkeit individueller Förderanträge zugunsten rein hochschulischer Anträge aufgehoben. Diese Entscheidung war damals heftig umstritten, aus heutiger Sicht aber die richtige Weichenstellung.

 

Mit dem Masterplan Ausbildungsoffensive 2008 bis 2011 wurde dann die fehlende Bundesfinanzierung von der für Wissenschaft zuständigen Senatsverwaltung ausgeglichen und die Gegenfinanzierung für das Professorinnenprogramm von Bund und Ländern abgesichert. Der Masterplan sah vor, dass 50 % der Mittel zweckgebunden für vorgezogene Nachfolgeberufungen eingesetzt werden. Daraus ergab sich eine wesentliche Schwerpunktverschiebung bei den Maßnahmen: Waren von 2001 bis 2006 die Stipendien bestimmend, so wurden zwischen 2008 und 2015 die vorgezogenen Nachfolgeberufungen als nachhaltig wirkendes Instrument besonders gefördert.

 

Die finanzielle Ausstattung war immer Thema. Aber: Gleichstellung gibt es nicht umsonst, es sind immer auch die finanziellen Spielräume, die über Entwicklungsfortschritte entscheiden:

2001 war für das BCP rund 1 Mio. € im Landeshaushalt eingestellt, 2008 schon 2,5 Mio. € und 2012 bewilligte das Abgeordnetenhaus einen weiteren Aufwuchs der Programmpauschale um 400.000 € im Jahr. Insbesondere vor dem Hintergrund der Haushaltskonsolidierung im Land Berlin ist dies ein deutlicher Beleg dafür, welcher Stellenwert dem BCP von der Politik beigemessen wird.

 

Aber auch die Berliner Hochschulen haben das Programm stets finanziell mitgetragen. Der quotierte Bereich, der den Hochschulen die Möglichkeit der spezifischen Ausgestaltung von Förderkonzepten erlaubt, ist nicht nur ein Spiegel hochschulischer Autonomie und Eigenverantwortung. Er zeigt auch ihr zunehmendes finanzielles Engagement. So stieg der Hochschulanteil der Gegenfinanzierung von ursprünglich 25% ab 2008 auf 33% und in der aktuellen Laufzeit schließlich sogar auf 40%. Darüber hinaus, und das bleibt meist unsichtbar, flankieren die Hochschulen seit Jahren BCP-geförderte Maßnahmen mit zusätzlichen Ressourcen, sei es zur Aufstockung von Stellen oder zur Ausfinanzierung von Laufzeiten. Dafür meinen ganz herzlichen Dank!

 

Was können wir aus dieser wechselvollen Geschichte des Programms also für seine Zukunft mitnehmen?

 

3. Zukunftsvisionen

Ich wünsche mir, dass sich die Karrierechancen von Frauen an Hochschulen grundsätzlich verbessern. Aber der Weg zu einer geschlechtergerechten Wissenschaft ist ein mühsames Geschäft und eines der schwierigsten politischen Handlungsfelder, denn es greift in tief verwurzelte gesellschaftliche Vorannahmen, in hierarchische Ordnungen und Machtstrukturen ein. Trotzdem müssen wir uns Nahziele setzen. Ich bin mir sicher, dass die Berliner Hochschulen die in sie gesetzten Erwartungen nicht enttäuschen und 2020 die 35%-Marke für Professorinnen geknackt ist. Der Berliner Senat unterstützt die Erhöhung des Frauenanteils mit finanziellen Anreizen und Förderprogrammen, an diesem Ziel müssen sich die Hochschulen in Berlin also messen lassen.

 

Ich wünsche mir, dass die Geschlechterforschung als integraler Bestandteil der Forschung und Forschungsförderung) nicht mehr in Frage gestellt wird. Darum müssen wir die unsachlichen und populistischen Angriffe auf diese Forschung zurückweisen, denn „die Geschlechterforschung gehört“, so die LKRP[2] in ihrer Stellungnahme 2015, „zum wissenschaftlichen Profil der Berliner Hochschulen und trägt wesentlich zu ihrem internationalen Ansehen bei.“ Die Geschlechterforschung bereichert die Wissenschaft durch ihre kritisch-forschende Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen von Wissensproduktion. Mit ihrem hohen Anspruch an eine Lehre, die den Blick schult gegen Praxen der Exklusion, gibt sie den Studierenden das Handwerkszeug mit, um subtil wirkende Machtstrukturen zu erkennen und zukünftig ihren Beitrag für eine gerechtere Gesellschaft zu leisten.

 

Und ich wünsche mir ein stärkeres Engagement für eine geschlechtergerechte Veränderung von Wissenschaftskultur. Über das Berliner Chancengleichheitsprogramm können wir dazu nur einen punktuellen Beitrag leisten. Die Politik muss dafür Sorge tragen, dass die angestoßenen Prozesse verstetigt werden. Aber auch die Hochschulleitungen sind in der Pflicht, wenn es darum geht, nachhaltige Effekte zu sichern. Wir brauchen eine Wissenschaftskultur, die für alle Geschlechter attraktiv ist, denn wir können nicht auf die Begabung der Frauen, ihre Genialität, ihren Beitrag zur Zukunft unserer Gesellschaft verzichten! Wir wollen nicht die Frauen verändern, damit sie in das deutsche Wissenschaftssystem passen. Unser Ziel muss es sein, institutionelle Veränderungen voranzubringen. Das wird uns aber nur gelingen, wenn wir gemeinsam unsere Verbindungen und Netzwerke einsetzen.

 

4. Starke Netzwerke

Und darum freue ich mich, dass wir heute ein neues Netzwerk aus der Taufe heben – ein Alumnae-Netzwerk oder besser gesagt ein BCP-Netzwerk, denn es sind viele der ehemals im BCP aktiven Frauen heute zu unserem Festakt gekommen. Es sind Frauen, die in ihrer künstlerischen oder wissenschaftlichen Karriere über das BCP gefördert wurden, aber auch viele Akteurinnen und Akteure, die mit ihrem Engagement maßgeblich zur Akzeptanz und zum Erfolg des Berliner Chancengleichheitsprogramms beigetragen haben: Mitglieder von Hochschulen, von Hochschulleitungen, von Auswahlkommissionen, Frauenbeauftragte und Geschlechterforscherinnen.

An dieser Stelle möchte ich die Arbeit der BCP-Auswahlkommission würdigen, ohne sie wäre das Programm nicht das, was es heute ist. Ich freue mich, dass heute nicht nur Frau Prof. Hark, sondern auch ihre Vorgängerin, die langjährige Vorsitzende der Kommission, Frau Prof. Leutner, mit uns feiern. Besonderer Dank gebührt auch der BCP-Geschäftsstelle. Sie ist das Herz dieses komplexen Programms und trägt mit ihrem Wirken nicht nur zur Umsetzung, sondern auch zur Integration der Hochschulen maßgeblich bei.

Die Geschäftsstelle war es auch, die den Aufbau der umfangreichen Alumnae-Datenbank übernommen hat. Bisher haben wir – und das ist ein sehr schöner Erfolg - 196 Wissenschaftlerinnen und Künstlerinnen, darunter 74 Professorinnen, die dem BCP-Netzwerk beigetreten sind.

 

Ich kann mir gut vorstellen, dass dieses neue Netzwerk, in dem sich politische, wissenschaftliche und künstlerische Sphären kreuzen, in dem umfängliches Karrierewissen versammelt ist, kraftvoll wirken kann: zum einen für Wissenschaftlerinnen, die am Anfang ihrer Karriere stehen, zum anderen aber auch für die Zukunft des Berliner Chancengleichheitsprogramms und darüber hinaus ganz allgemein für die Gleichstellungspolitik an Hochschulen.

 

Helfen Sie uns, dieses Potential zu heben – denn wir haben noch einiges vor und wir werden nur gemeinsam erfolgreich sein.



[1]  HWP    = HochschulWissenschaftsProgramm von Bund und Ländern,

   HWP 1 = Bund-Länder-Programm zur Förderung der Chancengleichheit für Frauen in Forschung

      und Lehre

[2] LKRP = Landeskonferenz der Rektoren und Präsidenten an Berliner Hochschulen