Humboldt-Universität zu Berlin

Humboldt-Spektrum 1/2003

Editorial

Nachwuchsgruppen -
Gewinn und Herausforderung

Mit der vorliegenden Ausgabe von Humboldt-Spektrum beginnt eine Reihe von Beiträgen über die Forschungsarbeiten der inzwischen 18 unabhängigen Nachwuchsgruppen an der Humboldt-Universität zu Berlin. Zwei dieser Gruppen sind im Rahmen des DFG-Forschungszentrums »Mathematik für Schlüsseltechnologien« eingerichtet worden, neun Gruppen werden über das Emmy-Noether Programm der DFG gefördert, sieben über die VolkswagenStiftung. Die untersuchten Themen reichen von der Mathematik, Informatik und Theoretischen Physik bis zu den Sozialwissenschaften; neun Gruppen arbeiten im Bereich der Lebenswissenschaften.

Ein besonderes Merkmal der Nachwuchsgruppen besteht darin, dass fast alle Gruppenleiter in eigener Initiative die entsprechenden Förderanträge gestellt haben, wobei sie in der Wahl der aufnehmenden Hochschule vollkommen frei waren. Die hohe Attraktivität der Humboldt-Universität wird deutlich, wenn man bedenkt, dass es beispielsweise in ganz Deutschland nur 58 Nachwuchsgruppen der VolkswagenStiftung gibt; die Humboldt-Universität nimmt hier vor Tübingen (6) und der LMU München (5) den ersten Platz ein. Umgekehrt können wir zu Recht stolz auf unsere Nachwuchsgruppenleiter sein, die sich harten Auswahlverfahren gestellt haben, bei denen nur einige wenige Prozent aller Antragsteller erfolgreich die verschiedenen Begutachtungshürden gemeistert haben.

Die meisten der 14 Gruppenleiter und 4 Gruppenleiterinnen bringen Erfahrungen von längeren Auslandsaufenthalten in ihre neue Tätigkeit ein, manche sind trotz verlockender US-amerikanischer Alternativen an die Humboldt-Universität gekommen. Allen ist gemein, dass sie sich mit hohem persönlichen Einsatz und Mut für ein noch junges Modell entschieden haben, das es ihnen nun jedoch erlaubt, in größtmöglicher Freiheit ihre wissenschaftlichen Interessen zu verfolgen und eigenständige Arbeitsgruppen aufzubauen. Dazu haben sie exzellente Doktoranden und Postdocs an die Humboldt-Universität geholt und leisten zudem einen wichtigen Beitrag zur studentischen Ausbildung. Gegenseitige Besuche von Lehrveranstaltungen erlauben es ihnen, über traditionelle Fachgrenzen hinweg von modernen Lehrmethoden anderer Disziplinen zu profitieren.

Viele Gruppenleiter beteiligen sich darüber hinaus mit großem Engagement an Sonderforschungsbereichen und anderen Verbundprojekten und werben dabei weitere Drittmittel ein. Aus all diesen Gründen kann ihr Wert für die Universität nicht hoch genug eingeschätzt werden. Man sollte allerdings nicht vergessen, dass selbst die erfolgreichsten Nachwuchswissenschaftler wegen eines immer noch fehlenden »tenure track«-Systems gezwungen sind, schon lange vor Ablauf der maximal sechsjährigen Laufzeit ihrer Gruppe eine Stelle außerhalb der Humboldt-Universität zu suchen. Dies kann nicht in unserem Sinne sein.

Es ist deshalb zu hoffen, dass bald Wege gefunden werden, um ihnen eine langfristige Perspektive innerhalb der Humboldt-Universität zu eröffnen; in gleicher Weise sollte dies für Juniorprofessoren gelten. Damit wäre nicht zuletzt auch für Studierende ein klares Signal gesetzt, dass sich individuelle Leistung und frühzeitige Verantwortungsübernahme lohnen. Insgesamt könnte so eine lebendige Universitätsstruktur mit neuen und attraktiven Karriereoptionen entstehen, in der erfolgreiche wissenschaftliche Schwerpunkte »von oben wie unten« gestärkt werden - wichtige Aspekte, um im zunehmenden Wettbewerb der nächsten Jahre auf allen Ebenen die besten Köpfe für die Humboldt-Universität zu gewinnen.

Prof. Dr. Andreas V. M. Herz
Professor für Theorie neuronaler Systeme
am Institut für Biologie
der Humboldt-Universität zu Berlin
(siehe auch Humboldt-Spektrum 4/98)


Im Herbst 2002 hat die Universitätsleitung Herrn Herz als Mentor der Nachwuchsgruppenleiter eingesetzt. Informationen zu den einzelnen Nachwuchsgruppen finden Sie unter:
https://www.hu-berlin.de/de/postdoktoranden/postdok_hu/wn_welchenwg_html

 TITELBILD: 2/2002