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200 Jahre Karl Marx

Sein Weg an die Humboldt-Universität zu Berlin
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Immatrikulationsbuch          Abbildung: Universitätsarchiv

Als Student in Bonn lässt Karl Marx es gerne richtig krachen. Er zieht mit anderen Trierern durch die Wirtshäuser und duelliert sich. Wegen „nächtlichen Lärmens und Trunkenheit“ und des „Tragens eines Säbels“ sitzt er eine Nacht im Karzer ab. Sein Vater Heinrich ist entsetzt und schnell entschlossen, den Trinkgelagen seines Sohnes ein Ende zu bereiten. Er schreibt an die Bonner Universität: „Ich ertheile meinem Sohn Carl Marx nicht allein die Erlaubniß, sondern es ist mein Wille, daß er das nächste Semester die Universität zu Berlin beziehe.“ Berlin, das ist damals das Gegenteil einer Party-Metropole. Es ist die restaurative Hauptstadt Preußens, regiert vom absoluten Monarchen Friedrich Wilhelm III. Und Berlin liegt noch viel weiter weg von seiner Familie, seinen Freunden und von Jenny von Westphalen, mit der sich Karl Marx im Sommer verlobt hat. Aber er ist vom Vater finanziell abhänging. Er steigt in die Postkutsche, fünf Tage bis Berlin.

Die HU als zensurfreier Raum

Immerhin: Die Universität ist ein Lichtblick. „Die Hochschule Unter den Linden gilt als der einzige mehr oder weniger zensurfreie Raum in Preußen und die Atmospähre in Berlin zeichnete sich durch eine fast fieberhafte intellektuelle Neugier aus“, schreibt der Kulturhistoriker Rolf Hosfeld. „Hier würde Marx in den nächsten Jahren die entscheidenden Impulse seines Lebens erhalten.“ Von 1836 bis 1841 studiert er an der Friedrich-Wilhelms-Universität, wie die HU damals hieß. Er wohnt in Mitte, in der Mohrenstraße etwa, der Luisenstraße und der Schützenstraße und besucht juristische Vorlesungen bei Friedrich Carl von Savigny und dem Hegel-Schüler Eduard Gans, der sein einflussreichster juristischer und philosophischer Lehrer wird.

Ohne Philosophie geht es nicht

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Matrikeleintrag von Marx unter der Matr.-Nr. 973
Abbildung: Universitätsarchiv

Dem rheinischen Frohsinn hat sein Vater ihm zwar entrissen, Eduard Gans gibt Marx im Abgangszeugnis das Prädikat „ausgezeichnet fleißig“. Aber seine Berliner Universitätszeit lässt Karl Marx eine Richtung einschlagen, die dem Vater genauso wenig gefallen wird. Hegel, der fünf Jahre vor seiner Ankunft gestorben war, beherrscht das Denken an der Universität. Marx hat sich vorgenommen, sich von der Hegelschen Philosophie fernzuhalten, dieser „grotesken Felsenmelodie“, und sich dem Wunsch des Vaters zu beugen, sich auf sein Jura-Studium zu konzentrieren. Aber „immer fester kettete ich mich selbst an die jetzige Weltphilosophie, der ich zu entrinnen gedacht“, schreibt er. In einem Brief an den Vater vom 10. November 1837 muss er feststellen: „Ohne Philosophie sei nicht durchzudringen“. Sein Widerstand bröckelt, er belegt Geschichte und Philosophie. Marx studiert intensiv den Idealismus Hegels und lernt Feuerbachs Religionskritk und Materialismus kennen. In Auseinandersetzung mit ihren Schriften wird er später seine eigene Theorie des dialektischen Materialismus entwickeln. Im zweiten Jahr in Berlin schreibt Heinrich Marx einen wütenden Brief an seinen Sohn. Er verprasse in einem Jahr 700 Taler, „während die Reichsten keine 500 ausgeben“.

Bourgeoisie und Proletariat

Später wird Karl Marx dagegen oft Armut erleiden, sich und seine Familie „von Brot und Kartoffeln“ ernähren. „Die Existenz des Marx besteht in Pendelschwingungen zwischen Champagner und Pfandhaus“, schreibt ein Konfident der dänischen Regierung noch 1859. Den unversöhnlichen Gegensatz zwischen Bourgeoisie und Proletariat, eine seiner Thesen zum Kapitalismus, scheint Marx in seinem Privatleben selbst nachzuvollziehen. Bei einer Kur auf Stralau lernt er die oppositionellen Linkshegelianer kennen, die kritisch über Religion und den preußischen Staat diskutieren. Marx schließt sich ihrem „Doktorklub“ an. In ihrem Umkreis trifft er auch die sozialkritische Bettina von Arnim, besucht ihren Salon in ihrer Wohnung Unter den Linden 21. Mit ihr streift Marx durch das Vogtland vor den Toren der Stadt, wo sie das Leben in den Elendsvierteln kennenlernen. Sorgenvoll beobachtet er mit ihr die ersten Anzeichen des aufkommenden Pauperismus. Ein Jahr später verlässt er Berlin und die Universität. Es waren Karl Marx' prägende Jahre.

Autorin: Vera Görgen