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Geschlecht und Recht

Eine Ausstellung im Foyer der HU wird die Rechtsentwicklung aus der Genderperspektive beleuchten. Einige Gesetze haben eine lange Kontinuität

Ein Plakat ruft zur Wahl auf.
Ein Plakat ruft zur Wahl auf.
Foto: Das Illustrierte Blatt, Januar 2019

Am 19. Januar 1919 schritten Frauen in Deutschland erstmals zu den Wahlurnen, nachdem sie sich im November 1918 das aktive und passive Wahlrecht erkämpft hatten. Dem Aufruf zur Wahl folgten viele, die Wahlbeteiligung betrug bei Frauen fast 90 Prozent. Frauen stellten aber nur etwa neun Prozent der gewählten Parlamentarierinnen – bis 1983 sollten im deutschen Bundestag sogar noch weniger Frauen sitzen. Am 19. Februar 1919 sprach die Sozialreformerin und Frauenrechtlerin Marie Juchacz als erste Abgeordnete in der Nationalversammlung der Weimarer Republik. 

Eine Ausstellung mit dem Titel „Geschlecht und Recht“ nimmt das Jubiläum zum Anlass, um die Rechtsentwicklung vom späten 19. Jahrhundert bis heute aus Genderperspektive genauer zu beleuchten. Es wird dabei um neun Facetten des Themas gehen: Politik, Sexualität, Personenstand, Bildung, Ehe und Familie, Prostitution, sexualisierte Gewalt, Abtreibung sowie Arbeit. „Wir haben bewusst einige Schwerpunkte herausgegriffen, die den Zusammenhang von Geschlecht und Recht besonders gut aufzeigen“, berichten Sarah K. Becker und Andreas Spreier, die im Auftrag der zentralen Frauenbeauftragten die Ausstellung gestalten.

Recht und Gesellschaft bewegen sich oft nicht im gleichen Takt

In den Ausstellungsmodulen werden die wichtigsten Gesetzesänderungen dargestellt und mit zeitgenössischen Abbildungen angereichert. Zudem wird es zu jedem Schwerpunkt zwei Audio-Essays geben, die Geschichten „hinter dem Gesetz“ erzählen – mit vielen Hintergrundinformationen und historischen Originaltönen. „Unser Augenmerk liegt auf der Entwicklung von Gesetzen“, sagt Historiker Spreier. „Wir wollen zeigen, dass die Entwicklung des Rechts nicht nur von Fortschritten, sondern auch von Rückschritten geprägt war und ist.“ Recht und Gesellschaft bewegen sich oft nicht im gleichen Takt, einmal hinkt die Gesetzgebung hinter den gesellschaftlichen Entwicklungen hinterher, einmal ist sie ihnen voraus. Auch nachdem der Gesetzgeber Frauen die Türen zum Parlament geöffnet hatte, mussten sie sich ihren Platz und die Akzeptanz in der Politik erst noch erkämpfen.

Einige Gesetze haben eine lange Kontinuität, wie beispielsweise der frühere Paragraf 175 des Strafgesetzbuchs, der Homosexualität bei Männern unter Strafe stellte. „Diesen Paragrafen gab es seit 1871, er wurde durch die Nationalsozialisten verschärft und nach dem Zweiten Weltkrieg einfach ins Strafgesetzbuch der Bundesrepublik übernommen. Abgeschafft wurde er erst 1994, in der DDR hingegen bereits 1968“, verdeutlicht Spreier. Ähnlich verhält es sich mit dem Paragrafen 218 des Strafgesetzbuchs, der den Schwangerschaftsabbruch verbietet. Auch dieser hat seine Wurzeln im Deutschen Kaiserreich. „Wir stellen in der Ausstellung Fotografien von Demonstrationen gegen den Paragrafen 218 nebeneinander“, sagt Kulturwissenschaftlerin Sarah Becker. „Die Bilder zeigen, dass die Forderung von der Weimarer Republik, über die BRD der 1970er bis heute im Kern die gleiche blieb: Die vollständige Legalisierung der Abtreibung.“

Die Ausstellung zeigt also auch, dass die Gleichberechtigung von Frauen noch längst nicht erreicht ist. Um dies zu unterstreichen wurde die Ausstellung am 11. März 2019 eröffnet. Vom Foyer des Hauptgebäudes der HU aus wird sie dann im Verlauf der Jahre 2019/20 an weitere Orte in Deutschland – beispielsweise Hochschulen – wandern.

Autorin: Ljiljana Nikolic

Weitere Informationen

Zentrale Frauenbeauftragte an der HU