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„Es wird keinen radikalen Politikwechsel geben“

Prof. Dr. phil. Martin Klepper, Professor für amerikanische Literatur und Kultur an der Humboldt-Universität zu Berlin, spricht mit uns über die Midterm-Wahlen in den USA

Das Capitol in den USA

Das Kapitol in Washington, D.C. Foto: Martin Falbisoner [CC BY-SA 3.0 
(https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)], from Wikimedia Commons

Ganz einfach gefragt: Was sind Midterm-Elections? Und welche Bedeutung haben sie für die amerikanische Politik? 

Die Midterm-Elections sind Kongresswahlen, die zwei Jahre nach den Präsidentschaftswahlen stattfinden. Der Kongress wird zwar mit dem Präsidenten gewählt, aber im Gegensatz zu Deutschland wird das Abgeordnetenhaus des Kongresses bereits alle zwei Jahre neu gewählt. Das heißt, schon zwei Jahre nach der Präsidentschaftswahl finden wieder Wahlen zu einem neuen Abgeordnetenhaus statt. Außerdem wird ein Drittel des Senats neu gewählt. Die Senatorinnen und Senatoren amtieren sechs Jahre lang und in den Midterm-Elections wird nicht nur das Abgeordnetenhaus neu gewählt, sondern auch ein Drittel der Senatssitze.

Midterm heißen die Wahlen, weil sie in der Mitte der Amtszeit des Präsidenten stattfinden. Bedeutend sind diese Wahlen, weil sie als Stimmungsbarometer gelten. Also sicherlich auch eine Aussage über Erfolg oder Misserfolg des Präsidenten sind. In Deutschland erfüllen oft die Landtagswahlen eine ähnliche Funktion, obwohl sie natürlich ganz anders gelagert sind. In den USA gibt es auch noch die Gouverneurswahlen und Wahlen auf der Staatsebene. Aber dass eben das Parlament des ganzen Landes in der Mitte der Amtszeit nochmal neu gewählt wird, das ist schon spezifisch amerikanisch. Auf eine ganz andere Art und Weise gibt es das auch in Frankeich, wo es auf einmal passieren kann, dass der Präsident durch seine lange Amtszeit mit einem völlig anderen Parlament konfrontiert ist. Und das kann in Amerika auch passieren. Die Republikaner haben die Mehrheit im Abgeordnetenhaus und das könnte sich in den Midterm- Wahlen ändern. Das ist bei Obama passiert, das ist bei Clinton passiert und das hat eben etwas spezifisch amerikanisches.

Gibt es auch einen Wahlkampf und wie sieht dieser aus? Was sind die Themen, die umkämpft werden?

Es gibt natürlich viele einzelne Wahlkämpfe. Ein Drittel der Leute, die im Senat sitzen, wird neu gewählt. Der Wahlkampf hat nicht die, sagen wir mal, sensationelle Aufmachung wie bei den Präsidentschaftswahlen. Es gibt nicht die großen Fernsehduelle zwischen zwei Kandidaten. Aber innerhalb der Staaten, in denen Senatoren und in den Bezirken, in den einzelnen Kongressabgeordnete gewählt werden, gibt es solche Duelle und richtig ernstzunehmende Wahlkämpfe natürlich auch.

Trump hat sich ebenfalls in diesen Wahlkampf eingemischt und zwar mit Themen, die eine große Rolle spielen. Beispielsweise Gesundheitsversicherung und Außenpolitik. Aber auch die anderen Themen, die bereits im Wahlkampf von Trump verhandelt worden sind. Es ist auch eine Neuauflage des Lagerwahlkampfs zwischen den fast schon verbissenen Konservativen in den USA, die keine Veränderungen wollen oder die ihren Reichtum verteidigen und den einigermaßen liberalen aufgeschlossenen Amerikanern, die sehen, dass sich sozial und kulturell etwas tun muss und dann natürlich eher den Demokraten zuneigen.

Genießt Trump immer noch den Rückhalt wie zu Beginn seiner Amtszeit?

Man muss sogar sagen, dass der Rückhalt eher gewachsen ist bei Trump. Zunächst muss man einmal feststellen, dass sich nichts daran geändert hat, dass es eine ganz starke Polarisierung in den USA gibt. Ein rotes Republikanerlager und ein blaues Demokratenlager, Amerika ist zutiefst gespalten und diese Spaltung liegt irgendwo zwischen 40 Prozent auf der einen und 40 Prozent auf der anderen Seite.

Bei den Republikanern gab es anfangs Widerstand gegen Trump. Es gab Abgeordnete und Funktionäre innerhalb der republikanischen Partei, die versucht haben Trump etwas entgegenzustellen und dieser Versuch ist vollständig verschwunden. Inzwischen ist es so, dass Trump die Republikaner zu seiner Partei gemacht hat. Innerhalb des Lagers genießt Trump viel Zustimmung. Auch unter denen, die bisher vor allem unter Trumps Maßnahmen gelitten haben gibt es momentan noch keine nennenswerten Abwanderungen.

Und wie sieht es bei den Demokraten aus?

Bei den Demokraten ist es so, dass sie ihre Anhängerinnen und Anhänger dieses Mal sicherlich besser mobilisieren können. Denn bei den Demokraten gab es bei den letzten Wahlen eine Spaltung zwischen Hillary Clinton und Bernie Sanders. Der Umstand, dass viele Anhänger von Sanders nicht zu Wahl gegangen sind oder Jill Stein, die Kandidatin der Green Party, gewählt haben, hat Clinton hat viele Stimmen gekostet. Dieses Jahr ist es für die Demokraten sicherlich etwas einfacher zu mobilisieren, sie sind etwas geschlossener. Auch weil damals ja niemand wirklich geglaubt hat, dass Trump Präsident wird.

Die Midterms sind vor allem für die Demokraten wichtig. Für die Demokraten ist es wichtig, sich neu aufzustellen und ihre Kandidatinnen und Kandidaten bekannt zu machen, damit diese in zwei Jahren bei den nächsten Präsidentschaftswahlen eine Chance haben. Denn Trump wird für die Republikaner sicherlich wieder antreten. Da gibt es keine ernsthaften Gegenkandidaten. Aber im demokratischen Lager gibt es natürlich die Frage, wer dann kandidiert und die Midterm-Wahlen sind eine Chance, dazu Stellung zu nehmen.

Warum sind die Demokraten stärker geworden?

Erklärungen gibt es viele. Spekulativ ist noch, ob sie wirklich so viel stärker werden. Momentan schwankt es sehr stark. Ironischerweise hat jetzt vor allem die Bestimmung von Brett Kavanaugh zum Richter im Supreme Court durch den Senat, den Republikanern Aufschwung gegeben.

Aber grundsätzlich ist es so, dass in den Midterm-Wahlen die Oppositionspartei dazugewinnt. Das ist ein genereller Trend. Und in diesem Fall sind das natürlich die Demokraten, da sie bei den letzten Wahlen schmerzhaft verloren haben. Die Tatsache, dass Trump jetzt Präsident ist, hat viele dazu bewegt, sich politisch zu engagieren. Und zwar vor allem auch Frauen. Bei diesem Wahlkampf fällt auf, dass sich ungewöhnlich viele Frauen zur Wahl stellen. Man möchte gegen diesen frauenfeindlichen Präsidenten aktiv werden. Die Me-Too-Kampagne und die entsprechende Mobilisierung von Frauen, etwas gegen Diskriminierung und gegen sexuelle Übergriffe zu tun, ist eine Entwicklung, die natürlich auch die Demokraten unterstützt.

Wofür steht Trump bei seinen Wählern? Hat er die Erwartungen seiner Wähler erfüllt?

Es ist gar nicht so einfach zu erklären, wer eigentlich die Trump-Wähler sind, weil es ganz unterschiedliche Gruppen sind. Das ist einerseits ein kleiner Prozentsatz von Superreichen, und die sind vollständig von ihm bedient worden. Er hat einerseits Steuererleichterungen in Milliardenhöhe durchgesetzt, andererseits möchte man die Gesundheitssysteme für die schlechter Verdienenden einschränken und die Renten kürzen, damit die Steuersenkungen für die Reichen finanziert werden. Dieses Klientel hat Trump gewählt und daraus hat er auch eigentlich nie ein Geheimnis gemacht.

Die Gruppe, die am stärksten Trump gewählt hat, sind vor allem weiße Männer und zu einem etwas kleineren Anteil weiße Frauen. Man spricht von den „angry white men“, denn es gibt eine Furcht davor, dass die Weißen als bisher sehr stark privilegierte Bevölkerungsgruppe dieses Privileg zunehmend verlieren, was schlicht und ergreifend in der Demografie liegt. Aber auch in der Anstrengung anderer Gruppen mehr Rechte zu bekommen. Das hat dazu geführt, dass sie Trump gewählt haben und in diesem Ärger und dieser Frustration sind sie sicher in dieser ganzen Zeit von Trump bestärkt worden. Materiell haben die ärmeren Schichten sicherlich nicht von dem Präsidenten profitiert. Er hat diesen Wählern, auch vor allem den weißen Männern in ländlichen Bezirken und im Süden, keine materiellen Vorteile gebracht, aber ideologisch hat er sie bedient und das scheint ihm diese Wähler auch weiterhin zuzuführen. Wobei Trump ja nicht zur Wahl steht. Es ist zwar ein Stimmungsbarometer, aber er steht nicht zur Wahl und vor diesem Hintergrund muss man auch die Ergebnisse interpretieren.

Wenn die Demokraten eine Mehrheit im Abgeordnetenhaus stellen, wie wird sich das auf die Politik von Trump auswirken?

Man muss erstmal fragen, ob die Demokraten in der Lage sein könnten beide Häuser des Parlaments zu übernehmen und das ist sehr unwahrscheinlich. Das heißt, es ist sehr unwahrscheinlich, dass die Demokraten den Senat zurückgewinnen. Das liegt ganz einfach daran, dass immer nur ein Drittel des Senats neu gewählt wird und dieses Mal wird ausgerechnet vor allem in Wahlbezirken abgestimmt, bei denen bisher schon Demokratinnen und Demokraten im Amt sind. Deswegen sind die Chancen ganz gering, dass der Senat tatsächlich in die Hände der Demokraten fällt. Es ist davon auszugehen, dass es keinen radikalen Politikwechsel geben wird. Selbst wenn die Demokraten das Abgeordnetenhaus zurückgewinnen, kann Trump voraussichtlich weiterhin auf einen republikanisch dominierten Senat zählen.

Wie würden sie die derzeitigen deutsch-amerikanischen Beziehungen beschreiben? Ist die Wahl eine Chance für Verbesserungen?

Die deutsch-amerikanischen Beziehungen sind auf einem Tiefpunkt. Das muss man ganz klar sagen. Und man weiß ja auch nicht, was man von Trump noch zu erwarten hat. Zumal er Handelspolitik relativ allein machen kann. Dafür braucht er dann noch nicht mal das Abgeordnetenhaus oder den Senat. Bei Zöllen kann er allein sehr viel bewirken. Von daher stehen die Zeiten eher weiterhin auf Sturm. Sicherlich ist es aber ein Hoffnungszeichen für viele Europäer und auch Deutsche, wenn die Demokraten wieder etwas mehr Gewicht bekommen und man die Aussicht hat, dass sich irgendetwas ändert.

Gibt es einen deutschen Blick auf Trump und die Politik in den USA und wie unterscheidet sich dieser von aktuellen Debatten in den USA?

Das ist gar nicht so leicht zu beantworten. Es gibt natürlich immer einen deutschen Blick auf die USA. Weil Deutschland seit dem zweiten Weltkrieg einfach eine sehr intensive transatlantische Geschichte hat und diese Geschichte hat immer Höhen und Jubelstürme erlebt. Man projiziert viele Hoffnungen auf die USA. Wenn zum Beispiel Umweltschutz in den USA eine größere Rolle spielen würde, dann bestünde auch wieder Hoffnung, dass man zusammen mit den USA viel ausrichten kann. Wenn in den USA Minderheiten eine größere Chance haben, dann besteht die Möglichkeit, dass auch hier Migrantinnen und Migranten eine größere Chance in der Gesellschaft haben nach vorn zu kommen. Es wird unglaublich viel an Hoffnungen auf die USA projiziert, die eigentlich von hier kommen.

Aber im Moment denke ich, sind viele Amerikanerinnen und Amerikaner, vor allem im bildungsnahen Bereich, schon sehr schockiert von dem was Trump macht. Von dem, was er politisch unternimmt, wie er es unternimmt, mit welcher Rhetorik, mit welcher Rücksichtslosigkeit und auch mit welcher Unaufrichtigkeit. Mit ständigen Falschheiten zu operieren und zu behaupten das sei richtig, löst das schon sehr viele Ängste in der Bevölkerung aus. Das ist dann auch nicht mehr so viel anders, als es hier in der Berichterstattung erscheint. Ich glaube, was tatsächlich anders ist und was viele Deutsche nicht in dem Maße wahrnehmen: In den USA spielt die Politik eine sehr große Rolle. Es spielt eine große Rolle, ob sich ein Staat wie Kalifornien gegen Trump stellt und eine Politik macht, die ganz anders ist als seine. Auch lokale Gegebenheiten, also die Bezirke innerhalb der Staaten, haben mehr Gewicht als es in Deutschland der Fall ist. Deshalb sind die Stimmungen sehr verschieden. Die Auswirkungen von Trumps Politik sind sehr unterschiedlich. Das wird hier in den Medien nicht so stark wahrgenommen.

Interview: Stefanie Langner

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