Presseportal

Themen

Sitzmöbel.png

zuletzt geändert 13.08.2025
Sitzmöbel.png
Herunterladen Bild in voller Größe anzeigen…
Humboldt-Universität zu Berlin | Presseportal | Themen | Gruppenfoto_Regenmoebel.png

Gruppenfoto_Regenmoebel.png

zuletzt geändert 14.08.2025
Gruppenfoto_Regenmoebel.png
Herunterladen Bild in voller Größe anzeigen…
Humboldt-Universität zu Berlin | Presseportal | Themen | ueiya – Wasserverbrauch smarter überwachen

ueiya – Wasserverbrauch smarter überwachen

veröffentlicht 19.08.2025

Jeder Tropfen zählt: ueiya macht den Wasserverbrauch sichtbar und hilft, Ressourcen effizient zu nutzen. Mit smarter Technologie werden Lecks erkannt, Einsparpotenziale aufgezeigt und Wasserkosten optimiert – für Haushalte und Unternehmen.

Was ist ueiya?

ueiya ist ein Berliner Start-up, das smarte Lösungen für einen effizienteren Wasserverbrauch bietet. Mit einer Kombination aus Software und IoT-Technologie - vernetzten Geräten, die in Echtzeit Daten erfassen und austauschen - hilft ueiya dabei, den Wasserverbrauch zu überwachen und zu regulieren.

Wie funktioniert es?

Das ueiya-System besteht aus einem IoT-Sensor, der an den Wasserzähler angeschlossen wird. Dieser Sensor überträgt die Verbrauchsdaten in Echtzeit an eine App, zum Beispiel direkt aufs Handy. Die Menschen können so ihre Wassernutzung jederzeit überwachen, Muster erkennen und frühzeitig auf Lecks oder unnötigen Verbrauch reagieren und sparsamer mit Wasser umzugehen.

Was bringt's?

ueiya hilft dabei, den Wasserverbrauch zu optimieren, unnötige Kosten zu vermeiden und wertvolle Ressourcen zu schonen. Durch die Echtzeit-Überwachung können Nutzer ihren Verbrauch jederzeit im Blick behalten und sofort auf Unregelmäßigkeiten reagieren. Das fördert nicht nur mehr Bewusstsein über und eine bewusstere Nutzung von Wasser, sondern leistet auch einen aktiven Beitrag zur Lösung der globalen Wasserkrise.

Was wurde bis jetzt erreicht?

Das Start-up hat eine erste Testphase erfolgreich abgeschlossen und bietet die Möglichkeit, an der weiteren Entwicklung des Produkts als Tester teilzunehmen. Darüber hinaus wird die App kontinuierlich weiterentwickelt und in verschiedenen Szenarien getestet, um Funktionalität und Benutzerfreundlichkeit zu optimieren.

Wie soll’s weiter gehen?

ueiya plant, seine Technologie weiter auszubauen und für eine breitere Zielgruppe zugänglich zu machen. In der nächsten Phase wird die Produktentwicklung weiter vorangetrieben, insbesondere im Bereich der Leckerkennung und Kostenverfolgung. Langfristig strebt das Unternehmen eine breitere Einführung in Städten und Unternehmen an.

Wer steckt hinter der Idee?

Das Wasser-Startup ueiya wurde im Jahr 2020 gegründet und hat seinen Sitz in Berlin. Die Gründer sind David E. Rubio, der als CEO über mehr als zehn Jahre Erfahrung im Aufbau von Technologie-Startups in Berlin, Barcelona und Mexiko-Stadt verfügt, sowie Bernardita (Berni) Hayden, die als COO einen Masterabschluss in Entrepreneurship und Innovation besitzt.

Womit hat die Humboldt Innovation unterstützt?

Die Humboldt-Innovation unterstützte ueiya mit Business Development, Zugang zu Netzwerken und Beratung in Geschäftsentwicklung und Forschung. Sie half bei Förderanträgen und Zuschüssen sowie beim Markteintritt und der Skalierung des Geschäftsmodells.

Gibt es die Möglichkeit mitzumachen, zu unterstützen?

Interessierte können sich als Tester für die Produktentwicklung anmelden und somit direkt zur Verbesserung der Technologie beitragen. Zudem bietet ueiya auch Kooperationsmöglichkeiten für Unternehmen, die ihre Wasserverbräuche effizienter überwachen wollen. Wer das Projekt unterstützen möchte, kann sich auch über Spenden oder durch die Weiterverbreitung der Idee engagieren.

Aufgezeichnet von Ulrike Schuster

Weitere Informationen

Zum Startup ueiya

Humboldt-Universität zu Berlin | Presseportal | Themen | 0FB49765-2A87-41F7-BD8C-1283112D06F0.png

0FB49765-2A87-41F7-BD8C-1283112D06F0.png

zuletzt geändert 25.08.2025
0FB49765-2A87-41F7-BD8C-1283112D06F0.png
Herunterladen Bild in voller Größe anzeigen…
Humboldt-Universität zu Berlin | Presseportal | Themen | Wasserqualität in Echtzeit überwachen – innovative Lösungen für die Industrie

Wasserqualität in Echtzeit überwachen – innovative Lösungen für die Industrie

veröffentlicht 03.09.2025

Watergenics bietet Echtzeit-Einblicke in die Wasserqualität und ermöglicht so eine proaktive Optimierung von Produktionsprozessen. Mit ihrer Technologie können Unternehmen bis zu 40 % der Wasserkosten einsparen und gleichzeitig die Effizienz steigern



Was ist Watergenics?

Watergenics ist ein Berliner Unternehmen, das sich auf die Echtzeitüberwachung der Wasserqualität spezialisiert hat. Durch die Kombination von Optik, Photonik und künstlicher Intelligenz entwickelt Watergenics Technologien, die industrielle Wasserherausforderungen proaktiv lösen und so die Effizienz in Produktion und Behandlung steigern.

Wie funktioniert’s?

Watergenics entwickelt eine Technologie, die die Wasserqualität in Echtzeit überwacht. Sie kombinieren ein Sensor-Modul (Abaia) zur Datensammlung und eine Plattform (Reflekt), die diese Daten analysiert. Das Sensor-Modul misst verschiedene Parameter wie Temperatur, pH-Wert und chemische Zusammensetzung. Die gesammelten Daten werden an die Plattform übermittelt, die sie auswertet und visuell darstellt, um Handlungsempfehlungen und Verbraucher und Unternehmen zu geben.

Was bringt's?

Die Technologie ermöglicht die Echtzeitüberwachung der Wasserqualität, was zu schnellerer Fehlererkennung und optimierter Ressourcennutzung führt. Durch die Datenanalyse können Unternehmen ihre Wasseraufbereitung effizienter gestalten, den Energieverbrauch senken und Kosten sparen. Zudem trägt sie zur Verbesserung der Umweltbilanz bei, da sie einen nachhaltigen Umgang mit Wasser fördert.

Was wurde bis jetzt erreicht?

​Watergenics wurde 2019 in Berlin gegründet. Im November 2024 erhielt das Unternehmen eine Förderung von 2 Millionen US-Dollar, um die Wasserqualität weltweit zu überwachen und den Übergang zu erneuerbaren Energien zu unterstützen. Im März 2025 nahm Watergenics an der UN-Wasserkonferenz teil und stellte Enrico Vito Romano als neuen Entrepreneur in Residence Fellow vor.

Wie soll‘s weitergehen?

Watergenics plant, seine Technologie weiter zu skalieren und die Echtzeit-Wasserqualitätsüberwachung zu verbessern. Das Unternehmen möchte neue Sensoren und Analysetools integrieren, um präzisere und nachhaltigere Lösungen anzubieten. Zudem soll die Marktpräsenz ausgebaut und neue Partnerschaften sollen aufgebaut werden, um  Wasserressourcen effizienter zu managen und Umweltbelastungen zu reduzieren.

Wer steckt hinter der Idee?

Watergenics wurde von Dr. Liviu Mantescu gegründet. Das Team besteht aus Experten in den Bereichen Wasserqualität, Photonik, Maschinelles Lernen und Chemie, darunter auch Dr. Heather Tugaoen, die 2025 CEO wurde. Das Team entwickelt Technologien zur Echtzeitüberwachung der Wasserqualität.

Weitere Informationen

Zum Startup watergenetics

Picture.png

zuletzt geändert 03.09.2025
Picture.png
Herunterladen Bild in voller Größe anzeigen…

Picture Kopie.png

zuletzt geändert 03.09.2025
Picture Kopie.png
Herunterladen Bild in voller Größe anzeigen…
Humboldt-Universität zu Berlin | Presseportal | Themen | Bildschirmfoto 2025-09-03 um 13.15.37.png

Bildschirmfoto 2025-09-03 um 13.15.37.png

zuletzt geändert 03.09.2025
Bildschirmfoto 2025-09-03 um 13.15.37.png
Herunterladen Bild in voller Größe anzeigen…
Humboldt-Universität zu Berlin | Presseportal | Themen | Bildschirmfoto 2025-09-03 um 13.18.16.png

Bildschirmfoto 2025-09-03 um 13.18.16.png

zuletzt geändert 03.09.2025
Bildschirmfoto 2025-09-03 um 13.18.16.png
Herunterladen Bild in voller Größe anzeigen…
Humboldt-Universität zu Berlin | Presseportal | Themen | „Die kritischen Fragen, die die Welt beschäftigen, geschehen nun vor unserer Haustür“

„Die kritischen Fragen, die die Welt beschäftigen, geschehen nun vor unserer Haustür“

veröffentlicht 23.09.2025

Prof. Dr. Tobias Krüger ist Professor für Hydrologie und Gesellschaft am Geographischen Institut der Humboldt-Universität zu Berlin. Dort leitet er das Integrative Forschungsinstitut zu Mensch-Umwelt-Systemen (IRI THESys). In der Einstein Research Unit „Climate and Water under Chance“ (CliWaC) untersucht sein Team die Auswirkungen des Klimawandels auf Wasserressourcen in der Region Berlin-Brandenburg. Darüber berichtet er im Interview.

Herr Krüger, Berlin ist eine der wasserreichsten Städte Deutschlands, rund sieben Prozent seiner Fläche besteht aus Wasser. Brandenburg hat mehr als 3000 Seen und ist das Bundesland mit der größten Wasserfläche. Andererseits ist die Region besonders niederschlagsarm. Macht das Berlin zum idealen Standort für Ihre Forschung zu Hydrologie und Gesellschaft?

Prof. Dr. Tobias Krüger: Ja, die Region ist für Fragen zum aktuellen Thema zunehmender Trockenheit prädestiniert! Sie ist vom Klimawandel stark betroffen. Die Spree etwa trägt im Sommer wenig Wasser, an manchen Stellen fließt sie sogar rückwärts. Dieser scheinbare Widerspruch, dass es unheimlich viele Seen und Wasser gibt, aber trotzdem wenig Niederschlag, macht sie aus wissenschaftlicher Sicht interessant. Die Frage ist: Wie sieht es mit der Wasserverfügbarkeit in Zukunft aus? Da ergeben sich auch aus politischer und wasserwirtschaftlicher Sicht wichtige Fragen, über die man sich Gedanken machen muss. Es ist wissenschaftlich spannend, diese scheinbaren Widersprüche zu vermitteln und sich mit anderen Akteur*innen auszutauschen.

Welche Akteur*innen sind das?

Krüger: Durch die wachsende Trockenheit können wir vor Ort Dinge erforschen, für die wir noch vor Jahren in andere Weltregionen reisen mussten. Die kritischen Fragen, die die Welt beschäftigen, geschehen nun vor unserer Haustür. Es ist nun einfach, partizipative Forschung mit anderen Stakeholdern vor Ort zu betreiben. Unsere Abteilung Hydrologie und Gesellschaft bezieht Akteur*innen mit ein, die mit Wasser zu tun haben, Bürger*innen, die solche Fragen umtreiben oder Entscheidungsträger*innen auf städtischer und Landesebene. Wir wollen unsere Forschung gemeinsam mit ihnen machen. Das ist in anderen Weltregionen schwieriger, weil man sich erst in die dortigen Kontexte eindenken und lange vor Ort sein muss. Diese Art der Helikopterwissenschaft ist kritisch zu sehen, man fliegt aus einem westlichen Land ein und betreibt dort Forschung. Hier vor Ort haben wir als Universität eine Präsenz in der Region und spielen eine Rolle bei Entscheidungen.

Wie wirkt sich denn der Klimawandel auf die Wasserressourcen in der Region Berlin-Brandenburg aus? Welche Erkenntnisse haben Sie gewonnen?

Krüger: Wir konnten zeigen, dass Verdunstung von offenen Flächen und vor allem Transpiration von Pflanzen, also deren Abgabe von Wasser in die Atmosphäre, in unserer Region eine tragende Rolle spielen. Wir werden auch in Zukunft immer wärmere Temperaturen erleben. Das wird die Verdunstung und Transpiration weiter antreiben. Wir konnten deutlich machen, dass das ein wichtigerer Faktor ist als sinkende Niederschläge. Dass es also vorrangig Austrocknungsphänomene sind, die diese Dürren verursachen, verbunden mit einer unzureichenden Speicherung von Niederschlägen.

Welche Forschungsfragen ergeben sich aus diesem Befund?

Krüger: Verdunstung und Transpiration gehen nicht unendlich weiter: Es gibt Grenzen, wenn wegen fehlender Niederschläge kein Wasser aus dem Boden nachkommt. Es ist tatsächlich noch nicht verstanden, wie in unseren Breiten bei den extremen Temperaturen, die jetzt auf uns zukommen, Wasser aus tieferen Bodenschichten nachgeführt wird. Es könnte dann bei höheren Temperaturen zu einem Abflachen des aktuellen Verdunstungstrends kommen.

Eine neue Frage ist auch: Was passiert denn mit dem Wasser in der Atmosphäre? Wieviel transportieren Winde nach Osten, wieviel also geht der Region verloren? Wieviel fällt wieder in der Region als Niederschlag?

Wie kann Ihre Forschung helfen, Trockenheit und Starkregen, der ebenfalls in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat, zu managen?

Krüger: Wir schauen uns Maßnahmen an, die Wasser in der Landschaft oder in der Stadt speichern. Starkregen darf nicht zu schnell abfließen. Er muss aufgenommen und irgendwo gespeichert werden, um dann in Trockenzeiten wieder zur Verfügung zu stehen. Das können künstliche Bassins sein oder Renaturierungsmaßnahmen, die kleinen Flüssen wie der Panke mehr Raum geben. Wir können beurteilen, welche Maßnahmen zu welchem Teil der Stadt oder Region passen, damit man nicht andere Probleme kreiert wie Überflutungsflächen. Unsere Ergebnisse bestätigen somit den Wert der Idee einer Schwammstadt. Damit liefern wir naturwissenschaftliche Grundlagen für die Politik.

Weil sie mit Ihren Ergebnissen informiert auf klimatische Extreme reagieren kann, wie Blitzdürren, Überschwemmungen und Starkregen?

Krüger: Einerseits das, andererseits als Korrektiv. In der aktuellen Forschung begegnet mir, dass das Thema Wasserknappheit von politischen Akteuren immer mehr mobilisiert wird. Die schauen teilweise schon sehr territorial auf Wasserressourcen. Das kommt auf uns zu, dass wir als Wissenschaftler auch ein bisschen Fakten-Check betreiben müssen, damit das Thema Wasser nicht politisch willkürlich instrumentalisiert wird. Denn ich glaube nicht, dass wir Probleme haben, die wir nicht lösen können, wenn wir nur alle Akteure an einen Tisch bekommen.

Interview: Vera Görgen

Humboldt-Universität zu Berlin | Presseportal | Themen | abschnitt_1-titel-und-teaser-foto.jpg

abschnitt_1-titel-und-teaser-foto.jpg

zuletzt geändert 23.09.2025
abschnitt_1-titel-und-teaser-foto.jpg
Herunterladen Bild in voller Größe anzeigen…
Humboldt-Universität zu Berlin | Presseportal | Themen | abschnitt_2-foto-krueger-2.jpg

abschnitt_2-foto-krueger-2.jpg

zuletzt geändert 23.09.2025
abschnitt_2-foto-krueger-2.jpg
Herunterladen Bild in voller Größe anzeigen…
Humboldt-Universität zu Berlin | Presseportal | Themen | Wie steht es um die Wissenschaftsfreiheit an deutschen Hochschulen? Einblicke aus einer repräsentativen Umfrage

Wie steht es um die Wissenschaftsfreiheit an deutschen Hochschulen? Einblicke aus einer repräsentativen Umfrage

veröffentlicht 15.10.2025 , zuletzt geändert 05.11.2025

Die erste repräsentative Befragung zur Wissenschaftsfreiheit an deutschen Hochschulen zeigt ein insgesamt positives Bild. Gleichzeitig nehmen Wissenschaftler*innen Einschränkungen wahr, deren Ausmaß aber durch die aufgeladene Debatte zu Wissenschaftsfreiheit verzerrt wird. Eine Versachlichung der Debatte ist nötig.



Alternativtext

Prof. Dr. Julian Hamann,
Foto: Privat

Ist die Freiheit von Forschung und Lehre in Deutschland eingeschränkt? Was sind überhaupt Einschränkungen, sind sie systematisch und wodurch sind sie motiviert? Die Debatte über diese Fragen ist polarisiert und wird oft hitzig geführt. Die Leidenschaft ist nachvollziehbar, weil Wissenschaftsfreiheit ein hohes Gut ist. Gerade deshalb profitiert der öffentliche Diskurs, der in der Vergangenheit stark von Einzelfällen und Diskussionen im US-Kontext geprägt war, von einer Versachlichung.

Um die Debatte empirisch zu fundieren, haben Gregor Fabian (DZHW, Berlin), Mirjam Fischer (Humboldt-Universität zu Berlin und Goethe-Universität Frankfurt/Main), Uwe Schimank (Universität Bremen), Christiane Thompson (Goethe-Universität Frankfurt/Main), Richard Traunmüller (Universität Mannheim), Paula-Irene Villa (Ludwig-Maximilians-Universität München) und ich 2024 eine Studie durchgeführt, die von der ZEIT STIFTUNG BUCERIUS ermöglicht wurde.

Befragte urteilen mehrheitlich positiv

Es handelt sich um die erste repräsentative Befragung zur Wissenschaftsfreiheit an deutschen Hochschulen. Befragt wurden rund 9.000 Wissenschaftler*innen über alle Statusgruppen hinweg. Die Befragung ermöglicht nuancierte Einblicke: Insgesamt beurteilen etwa vier von fünf Befragten (79%) die Autonomie und Forschungsfreiheit des deutschen Wissenschaftssystems als eher gut oder sehr gut. 80% der Befragten fühlen sich (eher) frei bei der Veröffentlichung ihrer Forschungsergebnisse, 92% bei der Auswahl ihrer Lehrmaterialien. Das Bild einer flächendeckenden „Cancel Culture“ bestätigen die Daten damit nicht unbedingt.

Gleichzeitig zeigt unsere Studie: Wissenschaftler*innen spüren durchaus auch Einschränkungen. 14% der Befragten geben an, aus Angst vor negativen Folgen ein Forschungsthema vermieden zu haben. Rund 5% berichten von Erfahrungen mit moralischer Abwertung und beruflichen Problemen in Forschung und Lehre. Auch wenn der prozentuale Anteil klein wirkt, bezogen auf die Grundgesamtheit würde dies bedeuten, dass mehrere Tausend Wissenschaftler*innen betroffen sind. Die Antwort auf die Frage, wie es um die Wissenschaftsfreiheit steht, muss also differenziert ausfallen – und sie muss klären, wo scharfe, aber legitime Kritik endet und illegitime Einschränkung beginnt und wo der Übergang von Einzelfällen zu einem strukturellen Phänomen liegt.

Unterschiede bei Themen und Beschäftigungsgruppen

Die Komplexität steigt weiter, wenn man bei der Frage nach der Wissenschaftsfreiheit nach Statusgruppen und Fächern differenziert. Unsere Studie zeigt, dass Professor*innen die Lage tendenziell positiver sehen als befristet beschäftigte wissenschaftlicher Mitarbeiter*innen. Dieser Befund verweist auf einen Zusammenhang zwischen Wissenschaftsfreiheit und unsicheren Beschäftigungsbedingungen. Einschränkungen der Wissenschaftsfreiheit werden außerdem häufiger in den Geistes- und Sozialwissenschaften berichtet, treten aber insgesamt fachübergreifend auf. Das liegt daran, dass zu den umstrittenen Themen keineswegs nur geschlechtergerechte Sprache gehört, auch wenn der öffentliche Diskurs dies nahelegt. Auf die Frage hin, welche Themen an der Hochschule erlaubt sein sollten, provozieren in unserer Befragung auch die Rüstungsforschung, Tierversuche oder das Klonen menschlicher Embryonen starke Meinungsunterschiede. Das zeigt: Forschung ist nicht nur in den Sozial- und Geisteswissenschaften, sondern auch in den Lebens- und Ingenieurwissenschaften politisiert.

Um abschließend zur Eingangsbeobachtung zurückzukehren: Neben differenzierteren Einblicken zum Stand der Wissenschaftsfreiheit selbst, ermöglicht unsere Studie auch eine Einschätzung zu den Folgen der Diskussionskultur über sie. Die Daten zeigen eine Diskrepanz zwischen der Zahl gemachter Erfahrungen und dem deutlich größeren Ausmaß erwarteter Einschränkungen. Die emotional aufgeladene und polemische Rhetorik in der Debatte über Wissenschaftsfreiheit und „Cancel Culture“ kann selbst Erwartungen von Einschränkungen verstärken und Verhaltensanpassungen auslösen. Eine empirisch fundierte Versachlichung der Debatte ist allein deshalb notwendig, um dieser diskursiven Dynamik entgegenzuwirken.

Julian Hamann ist Professor für Hochschulforschung an der Humboldt-Universität zu Berlin

 

Weitere Informationen

Website Prof. Dr. Julian Hamann

Kurzreport zur Studie

Julian Hamann

veröffentlicht 15.10.2025 , zuletzt geändert 05.11.2025
Julian Hamann
Herunterladen Bild in voller Größe anzeigen…
Humboldt-Universität zu Berlin | Presseportal | Themen | Julian Hamann copyright privat 2

Julian Hamann copyright privat 2

veröffentlicht 15.10.2025 , zuletzt geändert 23.10.2025
Julian Hamann copyright privat 2
Herunterladen Bild in voller Größe anzeigen…
Humboldt-Universität zu Berlin | Presseportal | Themen | Yoan-2-Ausschnitt-Fotografin-Janina-Kusterka.jpg

Yoan-2-Ausschnitt-Fotografin-Janina-Kusterka.jpg

zuletzt geändert 29.10.2025
Yoan-2-Ausschnitt-Fotografin-Janina-Kusterka.jpg
Herunterladen Bild in voller Größe anzeigen…
Humboldt-Universität zu Berlin | Presseportal | Themen | Grenzenlos forschen: Wie Internationalisierung die Wissenschaft stärkt

Grenzenlos forschen: Wie Internationalisierung die Wissenschaft stärkt

veröffentlicht 29.10.2025 , zuletzt geändert 30.10.2025

Yoan Vilain erklärt im Interview, warum Internationalisierung für die HU Berlin so wichtig ist.



Ein Mann lächelt in Richtung des Betrachters.

Foto: Stefan Klenke

Yoan Vilain, Präsidiumsbeauftragter für Internationales und Europa an der Humboldt-Universität zu Berlin, berichtet im Interview, welchen Mehrwert die Internationalisierung für die Humboldt-Universität bietet, welche Chancen sich durch die Vernetzung in Europa auftun und wie die europäischen Hochschulallianzen für einen Innovationsschub an unseren Hochschulen sorgen.

Herr Vilain, welche Bedeutung hat der Bereich Internationales für Hochschulen und insbesondere für die Humboldt-Universität?

Der Bereich ist sehr zentral und fast schon eine Selbstverständlichkeit, denn Forschung ist per se international: Wir befassen uns mit globalen Herausforderungen, pflegen einen internationalen Wissensaustausch und haben eine hohe, teilweise überdurchschnittliche Anzahl an internationalen Studierenden und Forschenden. Fast 20 Prozent unseres wissenschaftlichen Personals hat einen internationalen Background und viele unserer Studierenden kommen mithilfe von Austauschprogrammen aus dem Ausland nach Berlin. Die Humboldt-Universität empfängt deutschlandweit mit die höchste Zahl an Alexander-Von-Humboldt-Fellows und gehört mit der FU und TU zu den Topempfängern von DAAD-Geldern. Der Bereich Internationales steht also wirklich im Kern von Lehre und Studium.

Gleichzeitig gibt es aufgrund der föderalen Struktur in Deutschland das Paradox, dass Internationales eher vom Bund gefördert wird und nicht zwingend auch vom Bundesland. Wir sind also ein globaler Akteur in einer regionalen Struktur, was mitunter die Schwierigkeit mit sich bringt, den Mehrwert der Internationalität gegenüber den regionalen Stakeholdern klarmachen zu müssen. Aber auch hier gibt es nicht zuletzt wegen der Berlin University Alliance eine neue Qualität in der Zusammenarbeit mit der Senatsverwaltung.

Sie verantworten nicht nur den Bereich Internationales an der Humboldt-Universität, sondern sind eben auch Mitglied im Steering Committee Internationalization an der Berlin University Alliance. Welche Chancen und Herausforderungen sehen Sie für die internationale Vernetzung des Berliner Forschungsraums in der nahen Zukunft?

Es ist wichtig, dass die internationale Vernetzung weiter vorangetrieben wird, und zwar mit einer Diversität an Formaten und Angeboten. Das stärkt die Profilierung von Berlin als integriertem Forschungsraum. Dabei sollte sowohl die gesellschaftliche Relevanz der Forschung als auch Innovation und technologische Souveränität stärker mitgedacht werden sowie die Zusammenarbeit mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen optimiert werden. Durch die Internationalisierung tragen wir auch dazu bei, die akademische Freiheit zu verteidigen, und schaffen damit eine bessere Grundlage für demokratische Resilienz.

Wir sind uns dabei bewusst, dass wir eine verantwortungsvolle Internationalisierung entwickeln wollen, mit neuen Partnerschaftsstrukturen und neuen Förderformaten.  Denn für Kooperationen mit ökonomisch benachteiligten Regionen braucht es unterschiedliche Ansätze als für eine Partnerschaft wie beispielsweise mit Oxford, damit beide Seiten etwas davon lernen können. Nehmen wir als Beispiel eine afrikanische Forschungsinstitution: Dort sollte nicht nur empirische Arbeit durchgeführt werden, sondern wir sollten die Forschungsansätze gemeinsam mit den Partnern vor Ort definieren.

Wir beobachten gerade weltweit Nationalisierungsbestreben. Spüren Sie das auch im Wissenschaftsbereich?

Das ist stark zu spüren. Wir werden damit zu kämpfen haben, den Mehrwert der Internationalisierung immer wieder zu betonen und sichtbar zu machen – obwohl es so selbstverständlich erscheint.

Auch in einem Papier wie der DAAD-Strategie 2030, an dem ich als Vorstandsmitglied mitgewirkt habe, sieht man eine Betonung der Verteidigung der deutschen Interessen − was natürlich nicht zwingend zu einer nationalistischen Betrachtung führen soll, denn das ist per se nicht verwerflich.

Ich glaube, dass Europa uns vor einem Rückzug auf das Nationale schützt. Die aktuelle politische Situation macht uns immer wieder klar: Der Rahmen, in dem wir wirklich souverän sein können, ist der europäische Rahmen. Deswegen sollten wir verstärkt die grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit unseren europäischen Nachbarn suchen.

Die Humboldt-Universität ist ja auch Mitglied der European University Alliance „Circle U“.

Genau, und das hat viele Vorteile: Dadurch haben wir einen Innovationsschub im Bereich der Lehrformate entwickelt und machen Fortschritte darin, die regulatorischen Hürden zu reduzieren. Diese Transformation der Grundstruktur der Universität, auch im Land Berlin bei der Novellierung des Berliner Hochschulgesetzes, erfolgt tatsächlich dadurch, dass alle Berliner Universitäten Mitglieder von EU-Allianzen sind. Dadurch gibt es eine neue Qualität im Diskurs über die Internationalisierung in Lehre und Studium und eine höhere Aufmerksamkeit und Sensibilität für das Thema bei den Universitätsleitungen und der Landesverwaltung. Das hat Erasmus in dieser Qualität nie erreicht.

Sie wurden vor kurzem mit dem „Ordre des Palmes Académiques“ ausgezeichnet, eine der höchsten Auszeichnungen in Frankreich für Verdienste rund um das Bildungswesen. Was bedeutet diese Auszeichnung für Sie?

Das kam sehr unerwartet für mich, da man sich nicht um diese Auszeichnung bewirbt, sondern dafür vorgeschlagen wird. Das hat mich sehr berührt, weil ich aus nicht-akademischen Verhältnissen komme. Meinen ersten richtigen Roman habe ich mit 17 gelesen. Ich bin der Einzige in meiner Familie, der studiert hat und einen Werdegang im akademischen Kontext hat. Die Auszeichnung würdigt meine Bestrebungen, nachhaltige Programme und Strukturen im deutsch-französischen Kontext und darüber hinaus zu konzipieren. Die Humboldt-Universität hat mir etwas ermöglicht, was ich ihr gerne in meiner heutigen Funktion wiedergeben möchte.

Glauben Sie, dass das auch eine Motivation sein könnte für Studierende aus Nicht-Akademiker-Haushalten?

Das ist ein Schwerpunkt, den ich in den nächsten drei Jahren meiner Amtszeit als Präsidiumsbeauftragter setzen möchte. Mit meinem Werdegang möchte ich ein Vorbild sein für diejenigen, die glauben, dass sie sich eine Auslandsmobilität nicht erlauben können. Ich glaube, diesen Gedanken haben viele, auch in nicht bildungsfernen Schichten. Ihnen möchte ich zeigen, dass sie genauso wie andere auch die Möglichkeiten haben, finanziell gefördert zu werden und dass wir an der Humboldt-Universität dafür innovative Förderungsformate entwickeln wollen.

Das Interview führte Tabea Kirchner

 

Humboldt-Universität zu Berlin | Presseportal | Themen | Georg Essen Foto: Matthias Heyde

Georg Essen Foto: Matthias Heyde

zuletzt geändert 05.11.2025
Georg Essen Foto: Matthias Heyde
Herunterladen Bild in voller Größe anzeigen…
Humboldt-Universität zu Berlin | Presseportal | Themen | Was ist Wahrheit? Die Freiheit der Wissenschaft in einer liberalen Demokratie

Was ist Wahrheit? Die Freiheit der Wissenschaft in einer liberalen Demokratie

veröffentlicht 05.11.2025

In der Demokratie braucht es einen gemeinsamen Realitätsbezug – aber der Staat steht als Instanz für den Wahrheitsbesitz nicht zur Verfügung. Es braucht Grundrechte, insbesondere die Wissenschaftsfreiheit, um die Suche nach Wahrheit und ihren Schutz zu gewährleisten.



Alternativtext

Prof. Dr. Georg Essen

I. Was ist Wahrheit?

Die Szene, die im 18. Kapitel des Johannes-Evangeliums geschildert wird, gehört, folgen wir dem Staatsrechtler Hans Kelsen, zu dem Großartigsten, was die Weltliteratur hervorgebracht hat. Jesus steht, weil er des politischen Aufruhrs beschuldigt wird, als Angeklagter vor Pontius Pilatus, dem römischen Statthalter in Jerusalem. Auf die Aussage des Beschuldigten, er sei als König in die Welt gekommen, um für die Wahrheit Zeugnis abzulegen, reagiert Pilatus mit jener Gegenfrage, die, nach ihm benannt, zum geflügelten Wort wurde: „Was ist Wahrheit?“ Die Pointe der Geschichte aber ist die, dass er sich an das Volk wendet und eine Abstimmung veranstaltet, die für Jesus bekanntlich ungünstig ausfällt, weil die Mehrheit die Freilassung des Barabbas fordert, von dem es heißt, er sei ein Räuber. Die gesamte Inszenierung ist, mit anderen Worten, ein Lehrstück über den Populismus. Auch wenn man rasch ein Einverständnis darüber erzielen dürfte, dass man über die Wahrheit nicht abstimmen kann, bleibt die Frage von Bedeutung, was dies für die Demokratie und ihr Interesse an der Wahrheit bedeutet.

Doch ist das Interesse an der Wahrheit überhaupt identisch mit der Pilatus-Frage? Diese ist ja bereits entweder das Resultat einer skeptischen Haltung oder aber, wie es scheint, der Ausdruck 

von Feigheit vor der Entscheidungsfindung, am Ende gar nur eine Floskel im zynischen Spiel um die Macht. Wie dem auch sei! Die Frage, was die Wahrheit ist, wird immer dann gestellt, wenn das Verständnis von Wahrheit schon zum Problem geworden ist. Welchen Sinn verbinden wir mit der Wahrheit und welches Interesse haben wir an ihr? Warum, mit anderen Worten, soll überhaupt Wahrheit sein? Die ursprüngliche Frage nach der Wahrheit entspringt zunächst einmal sehr elementaren und existenziellen Nöten, weil wir ein höchstes Interesse an einer Antwort auf die Frage haben, was wir verlässlich über uns selbst und die Welt wissen können. Eine erste Antwort lautet folglich: Wer nach der Wahrheit fragt, ist daran interessiert, sich realitätsgerecht zu verhalten, um sich in der Wirklichkeit seines Lebens orientieren zu können. Infrage steht somit die Wirkung des Wahrheitsgeschehens: Wahr ist, was für uns verlässlich bekannt und deshalb vertraut ist.

Wahr aber kann nur sein, was deshalb verlässlich ist, weil es gilt! Für den, der die Frage des Pilatus stellt, sind Verlässlichkeit und Gültigkeit auseinandergetreten. Also werden Fragen nach der Gültigkeit dessen, was für uns verlässlich sein soll, zum zentralen Ort im Streit um die Wahrheit. Denn es ist ja klar, dass nur der Erweis der Gültigkeit der Wahrheit deren Verlässlichkeit verbürgen kann. Nur dann sind wir bereit, uns auf etwas zu verlassen, eben weil es gilt. Was wahr ist, entscheidet sich wiederum anhand der Gründe, mit denen wir unsere Erkenntnis über die Wahrheit rechtfertigen können.

Das Interesse an der Wahrheit dient folglich einer grundlegenden Orientierung am Wert der Erkenntnis: Wissen ist besser als Nichtwissen. Aber warum soll überhaupt Wissen sein und warum suchen wir nach Erkenntnis? Die Antwort kann nur lauten, dass wir ein Interesse an der freimachenden Wirkung des Wissens haben. Anders gewendet: Wahrheit soll um der Freiheit willen sein! Ein selbstbestimmtes Leben können wir nur führen, wenn wir in der Lage sind, uns in der Wirklichkeit orientieren zu können. Dazu aber benötigen wir die Gewissheit, dass uns die Erkenntnis nicht trügt. Denn erst das Wissen schafft einen Bezug zur Realität, so dass sie für uns konkret und überprüfbar wird. Gültiges Wissen ist die Voraussetzung für eine wahre Welt- und Lebensorientierung. Mit anderen Worten: Wahrheit begründet die Verlässlichkeit unserer Orientierung in der Welt. Weil Wahrheit der Freiheit dienen soll, nehmen wir das Wissen in den Dienst von Aufklärung und Emanzipation.

 

II. Wahrheit in der liberalen Demokratie

Vor diesem Hintergrund ist auch ein erster Hinweis möglich, welche Bedeutung Wahrheit für die liberale Demokratie hat. Sie ist ja, kurzgefasst, eine Ordnung der Freiheit, die Räume schaffen will für verschiedene Weltanschauungen und plurale Interessen. Auch verspricht sie, dass Menschen nicht fremdbestimmt ihr Leben fristen müssen, sondern durch politische Teilhabe ihre Lebensbedingungen mitgestalten können. Das aber verlangt von allen Bürgerinnen und Bürgern, dass sie sich – um ihrer gleichen Freiheit willen – darüber verständigen, in welcher Welt sie gemeinsam leben wollen. Die Demokratie braucht einen gemeinsamen Realitätsbezug, der uns Auskunft gibt über die natürlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse, in denen wir leben und die es zu gestalten gilt. Es geht hier selbstredend nicht um gleichgeschaltete Meinungen, wohl aber um geteilte Grundannahmen darüber, was als Fakt gilt, welche Quellen vertrauenswürdig sind und wie Evidenzen bewertet werden. Gerade wenn die Grundlagen dessen, was als „real“ gilt, umstritten sind, sind demokratische Entscheidungsfindungen darauf angewiesen, in Prozessen von Beratung und Entscheidung auf die Kraft von Argumenten und die Bereitschaft zur Abwägung zu vertrauen. Weil die Verlässlichkeit unseres Wissens über die Wirklichkeit ein sowohl individuelles wie gemeinsames Gut darstellt, gestalten Demokratien derartige Verständigungsprozesse so, dass die freie Einstimmung in die Wissensbestände der Gesellschaft ermöglicht werden soll.

Da jedoch die Demokratie vom Diskurs unterschiedlicher Überzeugungen lebt, würde eine staatliche Festschreibung von „Wahrheit“ den demokratischen Meinungskampf ersticken. Folglich darf der Staat nicht als Wahrheitsinstanz auftreten und dekretieren, was wahr ist. Die Verfassungsordnung einer liberalen Demokratie begründet keine Wahrheits-, sondern eine Freiheitsordnung. Der Staat muss sich – um der Freiheit willen – darauf beschränken, die gesellschaftlichen Kommunikationsräume zu schützen, in denen der Streit um die Wahrheit ausgetragen wird. Wesentlich ist jedoch, dass der Staat die Freiheit der Wahrheitssuche schützt, ohne bestimmte Wahrheitsansprüche mit der Geltungskraft des Rechts durchsetzen zu können. Das Grundgesetz fasst in Art. 5 GG deshalb jene Grundrechte zusammen, mit denen die Suche nach der Wahrheit ermöglicht und geschützt werden soll: Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Informationsfreiheit – und Wissenschaftsfreiheit.

 

III. Die Freiheit der Wissenschaft und ihr Bemühen um Wahrheit als Interesse einer liberalen Demokratie

Wenn über dem Eingangsportal der Freiburger Universität in goldenen Lettern als Wahlspruch ein Satz aus dem 8. Kapitel des Johannes-Evangeliums prangt, dann ist mit ihm eine Geltung verbunden, die primär eine nichtreligiöse Bedeutung hat: „Die Wahrheit wird euch frei machen!“ Auch wenn ein solches Pathos für heutige Ohren altmodisch klingt, gehört die Suche und das Streben nach Wahrheit zu den essenziellen Aufgaben einer Universität. Dies hat damit zu tun, dass in modernen Gesellschaften die für sie relevante Welterschließung in wissenschaftsförmiger Weise geschehen soll. Diese Einsicht lässt sich durchaus ableiten aus den eingangs angestellten Überlegungen zu dem Grundverständnis von Wahrheit in seiner Dialektik von Verlässlichkeit und Gültigkeit unserer Wirklichkeitserkenntnis. Die primär an Universitäten betriebene Wissenschaft übernimmt die Funktion einer gesellschaftlich anerkannten Instanz der Wirklichkeitsinterpretation, weil sie methodisch kontrollierte und intersubjektiv nachvollziehbare Erkenntnisse liefert. Damit entspricht sie den Forderungen nach rationaler Begründbarkeit und überprüfbarer Erkenntnis, wie sie für das gesellschaftlich geteilte wahre Wissen elementar sind. So sieht es auch das Bundesverfassungsgericht, das in seinen Ausführungen zur Freiheit der Wissenschaft diese als das „nach Inhalt und Form ernsthafte und planmäßige Bemühen um Wahrheit“ definiert (BVerfGE 35, 79 [113]).

So gesehen schützt das Grundrecht auf Wissenschaftsfreiheit die Universität als Ort der Wahrheitssuche und sichert diese Unabhängigkeit institutionell ab. Eine solche Autonomie ist für die liberale Demokratie von elementarer Bedeutung. Einerseits können Zivilgesellschaften aus den genannten Gründen auf Wahrheitserkenntnis nicht verzichten. Andererseits aber steht der Staat als Instanz für den Wahrheitsbesitz nicht zur Verfügung. Folglich ist die liberale Demokratie darauf angewiesen, dass der methodisch kontrollierte und ergebnisoffene Prozess der Suche nach der Wahrheit auf einem Schutzniveau mit Verfassungsrang garantiert ist: Wissenschaftsfreiheit muss garantiert werden, wenn in unserer Gesellschaft Freiheit sein soll!

 

Georg Essen ist Professor für Systematische Theologie am Zentralinstitut für Katholische Theologie der Humboldt-Universität zu Berlin

 

Weitere Informationen

 

Literatur: H.M. Baumgartner, Endliche Vernunft. Zur Verständigung der Vernunft über sich selbst, Bonn, Berlin 1991; G. Essen, Wahrheit und Freiheit. Eine dogmatische Normentheorie (Arbeitstitel); H. Kelsen, Verteidigung der Demokratie. Abhandlungen zur Demokratietheorie, hg. v. M. Jestaedt u. O. Lepsius, Tübingen 2006.

Georg Essen

zuletzt geändert 05.11.2025
Georg Essen
Herunterladen Bild in voller Größe anzeigen…