„Kommilitonen von 1933 – Die Vertreibung von Studierenden der Berliner Universität“

Im Nationalsozialismus wurden von der damaligen Friedrich-Wilhelms- Universität neben etwa 250 Professoren und Dozenten auch mehr als 2.000 vorwiegend jüdische Studierende aus antisemitischen und politischen Gründen vertrieben. Manche wurden zwangsweise relegiert, andere verließen die Universität von sich aus. Mehr als 60 Jahre später lud die Humboldt-Universität zur öffentlichen kritischen Auseinandersetzung mit ihrer eigenen NS-Geschichte ein. Sie ging auf die weltweite Suche nach ihren „Kommilitonen von 1933“ und fand sie in Europa, Israel, Kanada und den USA. An die Ehemaligen ging die Einladung, im Oktober 2001 für eine Woche, unter Förderung der Humboldt-Universitäts-Gesellschaft, ihre ehemalige Universität zu besuchen. Die Anfrage fand großes Interesse, 22 der „Kommilitonen von 1933“ sagten zu, während für Absagen oft gesundheitliche Gründe verantwortlich waren. Die Besuchswoche der 85 – 95jährigen war ein Ereignis, das in dieser Form unwiederholbar bleiben wird.

Zu Beginn des Projekts „Erforschung des Verbleibs der in der Zeit von 1933 – 1945 aus politischen und rassischen Gründen verfolgten Angehörigen der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin“ war ein solches Ereignis nicht absehbar. Prof. Dr. Richard Schröder und Prof. Dr. Rüdiger vom Bruch beantragten das Projekt bei der Fritz Thyssen Stiftung, die es seit Oktober 2000 förderte. Im Archiv der Humboldt-Universität fanden sich nach und nach mit außerordentlicher Unterstützung durch den Archivleiter Dr. Winfried Schultze und seine Mitarbeiter trotz der Kriegsverluste die Namen von rund 2.200 Studierenden und Absolvent:innen, die Repressalien verschiedenster Art zu erleiden hatten. Sie erlebten die Aberkennung akademischer Grade, Relegation von der Universität, Ausschluss vom weiteren Studium, nur bedingter Erlaubnis zum weiteren Studium, Nötigung zur Emigration, aber auch Verhaftungen. Viele der heute noch lebenden Betroffenen konnten ausfindig gemacht werden.

Im Zentrum des Programms stand der Dialog der Ehemaligen mit den aktuell an der Humboldt-Universität Studierenden, dem die Form einer Podiumsdiskussion im Audimax gegeben wurde. Weitere Gesprächsrunden und Institutsbesuche sowie ein Empfang beim Präsidenten der Humboldt-Universität ergänzten das Programm. Die Eingeladenen konnten sich persönlich ein Bild machen, wie die Humboldt-Universität mit ihrem widersprüchlichen Erbe umgeht, wie sie sich ihrer historischen und politischen Verantwortung stellt. Diese an einer deutschen Universität offenbar erstmals geschehene Begegnung war für alle Beteiligten bewegend. Während der Woche wurden die ehemaligen Kommilitonen von Studierenden des Instituts für Geschichtswissenschaften begleitet, die ihnen als persönliche Ansprechpartner zur Verfügung standen. Die Erfahrungen der Studierenden flossen unter der Leitung von Prof. Dr. Rüdiger vom Bruch in Studienprojekte als wissenschaftliche Aufarbeitung dieser sensiblen Thematik ein und mündeten in eine Ausstellung im Hauptfoyer der Humboldt-Universität auf der Grundlage von Zeitzeugenberichten, Archivmaterial und Forschungsliteratur.

Im Mittelpunkt standen die Biographien der relegierten Studierenden, die selbst zu Wort kamen und Originaldokumente zur Verfügung stellten. Leidvolle individuelle Schicksale sollten vor dem geschichtlichen Hintergrund sichtbar werden. Die Ausstellung war gegliedert in einen allgemein-historischen Überblick, biographische Beispiele für das studentische Leben unter dem Hakenkreuz und die erzwungene Emigration. 32 Schautafeln, vier Schaukästen und zwei Videoinstallationen wurden verwendet. Zur Ausstellung erschien ein Begleitband.