Felix Mendelssohn Bartholdy
Felix Mendelssohn Bartholdy
Felix Mendelssohn Bartholdy fühlte sich früh zu einer musikalischen Laufbahn berufen und erhielt dafür von Anfang an die uneingeschränkte Unterstützung der Eltern. 1825 reiste der Vater, der Berliner jüdische Bankier Abraham Mendelssohn Bartholdy, mit dem Sechzehnjährigen nach Paris, um ihn von dem dort lebenden Komponisten Luigi Cherubini als einem Außenstehenden auf seine Begabung zur Musik hin prüfen zu lassen. 1826 schrieb die Mutter Lea an ihre in Wien lebende Cousine Henriette von Pereira-Arnstein: »Felix selbst leistet ohne Ruhmredigkeit, Ungewöhnliches, und Zelter hat ihn bereits in seinem 13. Jahre laut für fähig erklärt, aller orten Kapellmeister zu werden. Er ist aber nicht bloß in der Musik ausgezeichnet; sein Mathematiklehrer bedauert, daß er sich nicht ganz auf diese Wißenschaft legen könne«.
Umfassende musikalische Ausbildung
Trotz der frühen Bestimmung für eine Musiklaufbahn absolvierte Mendelssohn zum Bildungserwerb eine zweijährige Studienzeit an der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin. Er immatrikulierte sich Ostern 1827 für ein Philosophiestudium. Da er kein Abitur abgelegt hatte, erkannte man für die notwendige Eingangsprüfung wahrscheinlich die gedruckte Übersetzung von Terenz’ Komödie »Das Mädchen von Andros« aus dem Lateinischen an, die er 1825 angefertigt hatte. Wie für Kinder der besseren Gesellschaft üblich, erhielt Mendelssohn seine schulische Bildung in einer privaten Grundschule (1816 bis 1818) und nachfolgend durch Privatlehrer. Zu diesen gehörten 1818/19 Gustav Harald Stenzel (Dozent für Geschichte an der Universität Berlin) und von 1819 bis 1827 der Klassische Philologe Carl Wilhelm Ludwig Heyse, der ihn auch im Griechischen unterrichtete. Mal- und Zeichenstunden bei Carl Begas sowie Turnen auf dem Turnplatz von Friedrich Ludwig Jahn und Schwimmen rundeten den Unterricht ab.
Seit seiner Kindheit erhielt Mendelssohn eine umfassende musikalische Ausbildung, zunächst bei der klavierspielenden Mutter, dann bei Ludwig Berger (Klavier, Komposition), Carl Henning (Violine), Carl Friedrich Zelter (Komposition) sowie im Sommer 1825 bei dem aus England in Berlin weilenden Pianisten und Komponisten Ignaz Moscheles, der bescheinigte, er könne Mendelssohn nichts mehr beibringen. Zudem war Mendelssohn seit 1820 Mitglied der von Zelter geleiteten Berliner Sing-Akademie und der im Hause Zelters stattfindenden Freitagsmusiken, in denen zusätzlich zu den Proben der Sing-Akademie mit einem kleineren Ensemble Vokalwerke von Johann Sebastian Bach und ältere Instrumentalwerke einstudiert wurden. Frühzeitig konnte sich der junge Musiker als Dirigent und Pianist vor dem Berliner Publikum präsentieren. Dazu boten ihm die seit 1821 halböffentlich stattfindenden familiären Sonntagsmusiken Gelegenheit. Der Vater stellte dazu ein zum Teil aus Musikern der Königlichen Hofkapelle bestehendes Orchester zusammen. Im Rahmen dieser Musiken kamen auch zahlreiche seiner frühen Kompositionen erstmals zu Gehör.
Enge Freundschaft zu Alexander von Humboldt
Im gastfreundlichen Elternhaus und bei anderen Gelegenheiten lernte Mendelssohn Universitätsprofessoren und Gelehrte sowie die Honoratioren der Stadt Berlin und darüber hinaus kennen. Dazu gehörten u. a. Eduard Gans, Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Henrik Steffens, der Mathematiker Johann Peter Gustav Lejeune Dirichlet, der Theologe Friedrich Schleiermacher, Wilhelm von Humboldt und der besonders eng mit der gesamtem Familie Mendelssohn verbundene Alexander von Humboldt. Derart trat Mendelssohn früh in den Fokus dieser Personen. So beauftragte ihn die Kommission zur Ausrichtung der Albrecht-Dürer-Feier anlässlich dessen 300. Todestages 1828 zu einer Komposition für Solostimmen, Chor und Orchester. Ebenfalls 1828 trat Alexander von Humboldt auf ihn zu und ersuchte ihn um eine Festmusik anlässlich der 7. Versammlung der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte, die im September 1828 in Berlin tagte.
Berliner Studienzeit
Über Mendelssohns Studienzeit an der Friedrich-Wilhelms-Universität berichtete die Mutter Lea 1827 nach Wien: »Seit Ostern, wo er sein großes Examen gemacht, besucht er die hiesige Universität, um sich die allgemeine und wißenschaftliche Bildung zu verschaffen, die den Musikern leider! so oft abgeht. Seine Thätigkeit und Leichtigkeit im Arbeiten ist so groß, daß seine Kunst im Produciren nicht darunter leidet.« Zwischen den Vorlesungsbesuchen arbeitete Mendelssohn an mehreren Kompositionen, darunter der Ouvertüre Meeresstille und glückliche Fahrt D-Dur, op. 27.
Mendelssohns universitäres Abgangszeugnis ist mit dem 8. April 1829 datiert, am 10. April 1829 brach er zu seiner ersten Bildungsreise auf, die ihn nach England führte. Im Zeugnis sind die Vorlesungen aufgelistet, die er besucht hat und die sein breites Bildungsinteresse widerspiegeln, das ihm die Dozenten auch in ihren Kurzeinschätzungen attestierten. Dazu gehörten Erdkunde sowie Alte und Neue Geographie (Carl Ritter), Literaturgeschichte seit dem 18. Jahrhundert (Leopold Ranke), Geschichte, Rechtsgeschichte und Naturrecht (Ritter, Eduard Gans), Zoologie (Martin Hinrich Lichtenstein), Philologie (Herodot nebst Ursprung und Fortgang der Geschichtsschreibung bei den Griechen; Heyse), Physik (Licht und Wärme; Paul Erman), Naturrecht oder Rechtsphilosophie (Eduard Gans) sowie Hegels Vorlesung zur Ästhetik der Philosophie der Kunst. Zudem hörte er 1827/28 Alexander von Humboldts öffentliche Vorlesungen über physikalische Geographie.
Fünf der sechs von Mendelssohn angefertigten, bekannten Vorlesungs-Mitschriften sind in Oxford bzw. Berlin überliefert. Diese dokumentieren die Inhalte der geographischen Vorlesungen Carl Ritters sowie der historischen Vorlesungen von Eduard Gans und Leopold Ranke. Verschollen ist bis dato die Mitschrift von Georg Wilhelm Friedrich Hegels Ästhetik-Vorlesung. Die Notate von Ritters Veranstaltungen stelle er seinem Cousin Georg Benjamin Mendelssohn zur Verfügung, der 1828 an seiner lateinischen Geographie-Dissertation arbeitete. Die Schwester Fanny las Ritters Vorlesungen im privaten Kreis vor.
Mendelssohns Berliner Studienzeit wirft ein Schlaglicht auf die Durchlässigkeit der privaten Sphäre der Familie und der offiziellen Sphäre der Universität und auf das Bildungsverständnis der kulturellen Schicht, in der Mendelssohn verkehrte. Das Studium von Physik, Naturrecht, Geographie und weiterer Fächer wurde im Sinne eines integralen Wissensentwurfs verstanden und angeeignet, der die Grenzen von Natur- und Geisteswissenschaften gezielt überschritt und in vermittelter Form lebenswirksam wurde, besonders in Gestalt der vielseitigen Interessen, Fähigkeiten, Gesprächspartnern und –partnerinnen Mendelssohns, nicht zuletzt auch in seiner Musik.
Mendelssohn wurde 1836 die Ehrendoktorwürde der Universität Leipzig verliehen. Damals wirkte er gerade ein halbes Jahr als Gewandhauskapellmeister. Zeitlebens war er als umfassend gebildeter Gesprächspartner geschätzt. Er engagierte sich für die Verbesserung der Musiker-Ausbildung: 1843 war er Mitgründer des Konservatoriums der Musik in Leipzig.
Werke
- Felix Mendelssohn Bartholdy. Sämtliche Briefe, hrsg. von Helmut Loos und Wilhelm Seidel, 12 Bde., Kassel u. a. 2008-2017 (mit wechselnden Bandherausgebern. Forschungsprojekt der Universität Leipzig, Förderung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft)
- Historisch-kritische Online-Edition der Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C), hrsg. von der Humboldt-Universität zu Berlin (Förderung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft). Online-Präsentation: https://www.felix-mendelssohn-bartholdy.org
- Leipziger Ausgabe der Werke von Felix Mendelssohn Bartholdy, hrsg. von der Internationalen Felix-Mendelssohn-Gesellschaft, Leipzig 1960 ff., hrsg. von der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Wiesbaden u. a. 1997 ff.
Literatur (in Auswahl)
- Klein, Hans-Günter: Felix Mendelssohn Bartholdy als Student an der Berliner Universität, in: Mendelssohn Studien, Bd. 16 (2009), S. 101–124.
- Mendelssohn Studien. Beiträge zur neueren deutschen Kultur- und Wirtschaftsgeschichte, hrsg. für die Mendelssohn-Gesellschaft e. V. von Cécile Lowenthal-Hensel, Rudolf Elvers, Hans-Günter Klein, Roland Dieter Schmidt-Hensel und Christoph Schulte, Bd. 1–14, Berlin 1972–2005, Bd. 15 ff., Hannover 2007 ff.
- Todd, R. Larry: Felix Mendelssohn Bartholdy, sein Leben, seine Musik, aus dem Englischen übersetzt von Helga Beste unter Mitwirkung von Thomas Schmidt-Beste, Stuttgart 2008.
- Wehner, Ralf: Felix Mendelssohn Bartholdy. Thematisch-systematisches Verzeichnis der musikalischen Werke (MWV). Studien-Ausgabe, Wiesbaden u. a. 2009.
- Wehner, Ralf: Vorläufiges Verzeichnis des bildkünstlerischen Werkes von Felix Mendelssohn Bartholdy, in: Mendelssohn Studien 20 (2017), S. 227–365.