Humboldt-Universität zu Berlin

Friedrich Carl von Savigny

Rechtsgelehrter – Rechtspolitiker – Begründer der Historischen Rechtsschule

 

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Friedrich Carl von Savigny

Friedrich Carl von Savigny /
bpk / Stiftung Preussische Schlösser
und Gärten Berlin-Brandenburg /
Daniel Lindner

 

Friedrich Carl von Savigny, von der Gründung der Berliner Universität 1810 bis 1842 als Ordinarius tätig, war einer der bedeutendsten Rechtsgelehrten des 19. Jahrhunderts. Er bekleidete mehrere öffentliche Ämter, in denen er die Rechtsordnung in Preußen auch ganz praktisch mit prägte.

Friedrich Carl von Savigny, einer Beamtenfamilie entstammend, studierte Rechtswissenschaft in Marburg, Göttingen und Jena, 1800 wurde er in Marburg mit einer Arbeit zum Deliktsrecht promoviert. Seine Habilitationsschrift, 1803 in Marburg vorgelegt, befasste sich mit einem zivilrechtlichen Thema ( „Das Recht des Besitzes“) und fand rasch weite Verbreitung unter den zeitgenössischen Juristen. Durchaus ungewöhnlich für einen Mann seiner Herkunft war Savignys Entschluss, nicht in den Staatsdienst zu gehen, sondern in der Wissenschaft zu bleiben. Fünf Jahre nach der Habilitation wurde er auf einen Lehrstuhl an die Universität Landshut berufen.

In diese frühen Jahre fiel seine Bekanntschaft mit dem Zirkel romantischer Schriftsteller um Achim von Arnim und Clemens von Brentano, dessen Schwester Kundigunde (genannt Gunda) er 1805 heiratete. Ihr gemeinsamer Sohn Karl Friedrich von Savigny (1814-1875) wurde später Diplomat und Mitgründer der katholischen Zentrumspartei.

 

 

 

Vom Rektor der Berliner Universität zum Staatsminister

Wilhelm von Humboldt umwarb Friedrich Carl von Savigny, an die neu gegründete Berliner Universität zu kommen. Als die Universität 1810 den Lehrbetrieb aufnahm, wurde Savigny berufen. 1812/13 übernahm er das Amt des Rektors der Universität. In dieser Funktion schuf er das „Spruch-Collegium“ an der Juristischen Fakultät, das von den Gerichten anhängige Verfahren zur Beratung annahm und dem er selbst bis 1826 angehörte.

Dem preußischen Staat diente Savigny in zahlreichen Funktionen, etwa als Mitglied des Staatsrats (1817-1848), des Revisions- und Kassationsgerichtshofs (1819-1841) und der Gesetzesrevisionskommission (1826-1832). Als er 1842 zum Staatsminister (für Gesetzesrevision) berufen wurde, gab er die Lehrtätigkeit an der Universität auf. Savignys gemäßigter politischer Konservativismus machte ihn zu einem gesuchten Ansprechpartner der preußischen Monarchen; König Friedrich Wilhelm IV. hatte als Kronprinz zu seinen Schülern gehört. Als Konservativer trat Savigny in der Märzrevolution 1848 von seinem Ministeramt zurück. 

Einer der wichtigsten deutschen Rechtsgelehrten im 19. Jahrhundert

Friedrich Carl von Savigny prägte nicht nur einige große Gesetzgebungsvorhaben seiner Zeit mit (etwa im Aktienrecht, der Wechselordnung, dem Ehe- und dem Strafrecht, Einführung der Staatsanwaltschaft), sondern zählte auch zu den wichtigsten deutschen Rechtsgelehrten des 19. Jahrhunderts. Im intellektuellen Milieu der Berliner Universität und der Preußischen Akademie der Wissenschaften, der er ab 1811 angehörte, fand Savigny zu seinem wissenschaftlichen Programm. Die Jurisprudenz dachte er gleichermaßen philosophisch wie historisch (einschließlich philologisch), worin er ihre Wissenschaftlichkeit überhaupt begründet sah.

Mitbegründer der modernen Rechtswissenschaft

Die von ihm 1815 mitgegründete, bis heute bestehende „Zeitschrift für geschichtliche Rechtswissenschaft“ trug dieses Programm im Titel. Damit stieß er auch außerhalb der engeren Rechtswissenschaft auf Resonanz – und Widerspruch, etwa durch seinen, der Metaphysik des Rechts folgenden Berliner Kollegen G.W.F. Hegel. Während Hegel Geschichte als einen Fortschritt der Ideen und Recht als Vernunftrecht deutete, akzentuierte Savigny historische Gewachsenheit und die Verwurzelung von Recht nicht im Naturrecht, sondern im „Volksgeist“. Als Zeitgenosse der Französischen Revolution und der napoleonischen Umwälzungen, gerade in den Rechtsordnungen, hielt Savigny daran fest, dass sich Recht nur organisch entwickeln könne, eine „Neuerfindung“ also unmöglich sei.

Im zeitgenössisch vielbeachteten Streit mit dem Heidelberger Zivilrechtsprofessur A.F.J. Thibaut (1772-1840) schärfte Savigny seine rechtspolitische Position (in der Schrift „Vom Beruf unserer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft“, 1814), indem er einer Kodifikation von Recht Funktionalität und Legitimation absprach, solange nicht die vorangehenden historischen Rechtsgrundlagen und das Gewohnheitsrecht des Volkes vollkommen erfasst wären. Seine historischen Rechtsquellen fand er vornehmlich im römischen Recht der Antike. Einschlägig bis heute sind seine Forschungen zur „Geschichte des Römischen Rechts im Mittelalter“ (1815-1831). 

Savignys Gegenwehr gegen eine Vereinheitlichung der deutschen Rechtsordnung nach den napoleonischen Kriegen im Kodifikationsstreit sowie sein kontinuierliches Insistieren auf der Historizität des Rechts brachte ihm in späteren Jahren – namentlich vom Berliner Zivilrechtsprofessur Rudolf (von) Ihering – den Vorwurf ein, er vertrete eine reine Begriffsjurisprudenz. Heute gibt es Neuansätze, die Savignys Programm für die Entwicklung einer europäischen Privatrechtsordnung fruchtbar zu machen suchen. Er gilt bis heute als Mitbegründer der modernen Rechtswissenschaft, insbesondere des modernen Zivilrechts, und der Historischen Schule des 19. Jahrhunderts.

Schriften (in Auswahl)

  • Frankfurt/Main 2004.
  • Das Recht des Besitzes. Eine civilistische Abhandlung, Gießen 1803.
  • Vom Beruf unserer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft, Heidelberg 1814.
  • Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter, 7 Bde., Heidelberg 1815-1831.
  • System des heutigen römischen Rechts, 8 Bde., Berlin 1840-1849.
  • Vermischte Schriften, Berlin 1850. 
  • Hattenhauer, Hans (Hg.): Thibaut und Savigny. Ihre programmatischen Schriften, 2. Aufl. München 2002.

Literatur (in Auswahl)

  • Lahusen, Benjamin: Alles Recht geht vom Volksgeist aus. Friedrich Carl von Savigny und die moderne Rechtswissenschaft, Berlin 2013.
  • Nörr, Dieter: Savigny, Friedrich Carl von, in: Neue Deutsche Biographie Bd. 22, 2005, S. 470-473.
  • Rückert, Joachim: Friedrich Carl von Savigny (1779-1861): ein Frankfurter in Berlin, in: Festschrift 200 Jahre Juristische Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin, hg. von Stefan Grundmann u.a., Berlin 2010, S. 133-177.
  • Ders.: Savigny-Studien, Frankfurt/Main 2011.
  • Meder, Stephan/Christoph-Eric Mecke (Hg.): Savigny global 1814-2014. „Vom Beruf unsrer Zeit“ zum transnationalen Recht des 21. Jahrhunderts, Göttingen 2016.
  • Nachlass Savigny: Universitätsbibliothek Marburg; Staatsbibliothek Berlin

 


 

Friedrich Carl von Savigny

21st February 1779 (Frankfurt/Main) – 25th October 1861 (Berlin)

 

Jurist – Legal politician– Founder of the German Historical School of Jurisprudence

 

Friedrich Carl von Savigny / bpk / Stiftung Preussische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg / Daniel LindnerFriedrich Carl von Savigny, a chaired professor at the University of Berlin from 1810 to 1842, was one of the most important legal scholars of the 19th century. He held several public offices, in which he also played a very practical role in shaping the legal system in Prussia.

Friedrich Carl von Savigny, who came from a family of civil servants, studied law in Marburg, Göttingen and Jena. In 1800, he received his doctorate in Marburg with a thesis on tort law. His postdoctoral thesis to qualify as a professor, published in Marburg in 1803, dealt with a topic of civil law (“Das Recht des Besitzes” [The law of possession]) and was quickly disseminated widely among the lawyers of his day. Savigny’s decision not to go into the civil service but to remain in academia was quite unusual for a man of his background. Five years after qualifying as a professor, he was appointed to a chair at the University of Landshut.

In those early years, he became acquainted with the circle of Romantic writers surrounding Achim von Arnim and Clemens von Brentano, whose sister Kundigunde (called Gunda) he married in 1805. Their son Karl Friedrich von Savigny (1814–1875) later became a diplomat and co-founder of the Catholic Centre Party.

 

From a Rector of Berlin University to a Minister of State

Wilhelm von Humboldt courted Friedrich Carl von Savigny to come to the newly founded University of Berlin. When the university commenced teaching activities in 1810, Savigny was appointed. In 1812/13, he assumed the position of rector of the university. In this capacity, he created the “Spruch-Collegium” at the Faculty of Law, which accepted proceedings that were pending before the courts for deliberation, in order to deliver opinions, and to which he himself belonged until 1826. Savigny served the Prussian state in numerous roles, for example, as a member of the State Council (1817–1848), the Court of Appeal and Cassation (1819–1841) and the commission for revising the Prussian code (1826–1832). In 1842, when he was appointed a minister of state (for revision of the statutes), he gave up teaching at the university. Savigny’s moderate political conservatism made him a sought-after contact for the Prussian monarchs; King Frederick William IV had been one of his pupils as crown prince. As a conservative, Savigny resigned from his ministerial office during the March Revolution of 1848.

One of the most important German legal scholars in the 19th century

He not only helped shape several major legislative initiatives of his time (for example, in the law on stock corporations, the regulations concerning bills of exchange, matrimonial law and criminal law, and the introduction of the public prosecutor’s office), but was also one of the most important German legal scholars of the 19th century. Savigny arrived at his academic programme in the intellectual environment of the University of Berlin and the Prussian Academy of Sciences, to which he belonged from 1811 onwards. He thought of jurisprudence from both a philosophical and historical point of view (including philologically), and it is this that he considered to be the basis for its scientific nature altogether.

 Co-founder of modern jurisprudence 

The Zeitschrift für geschichtliche Rechtswissenschaft (Journal of historical jurisprudence), which he co-founded in 1815 and which still exists today, bore this programme in its title. He thereby also appealed to those outside the narrower confines of jurisprudence – as well as meeting with resistance, for example, from his Berlin colleague ® G.W.F. Hegel, who pursued a metaphysics of law. While Hegel interpreted history as a progression of ideas and law as a law of reason, Savigny accentuated historical evolution and the rooting of law not in natural law, but in the “spirit of the people” (Volksgeist). As a contemporary of the French Revolution and the upheavals of the Napoleonic era, especially in the legal systems, Savigny insisted that law could only develop organically, making “reinvention” impossible. In the debate with the Heidelberg professor of civil law A.F.J. Thibaut (1772–1840), which received much attention at the time, Savigny honed his legal-political position (in the paper “Vom Beruf unserer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft” [Of the Vocation of Our Age for Legislation and Jurisprudence] from 1814) by denying any functionality or legitimation to a codification of the law so long as the preceding historical legal bases and the customary law of the people were not fully understood. He found his historical sources of law chiefly in the Roman law of antiquity. His research on the “History of the Roman Law during the Middle Ages” (Geschichte des Römischen Rechts im Mittelalter; 1815–1831) is still relevant to this day.

Savigny’s opposition to a harmonisation of the German legal system after the Napoleonic wars during the codification dispute and his continuous insistence on the historicity of law saw him accused in later years – especially by the Berlin professor of civil law Rudolf (von) Ihering – of representing a mere jurisprudence of concepts. Today, there are new approaches that seek to gainfully use Savigny’s programme to develop a European system of private law. To this day, he is still considered one of the founders of modern jurisprudence, especially of modern civil law, and of the Historical School in the 19th century.

Written works (selection)

  • Frankfurt/Main 2004.
  • Das Recht des Besitzes. Eine civilistische Abhandlung, Gießen 1803.
  • Vom Beruf unserer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft, Heidelberg 1814.
  • Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter, 7 Bde., Heidelberg 1815-1831.
  • System des heutigen römischen Rechts, 8 Bde., Berlin 1840-1849.
  • Vermischte Schriften, Berlin 1850. 
  • Hattenhauer, Hans (Hg.): Thibaut und Savigny. Ihre programmatischen Schriften, 2. Aufl. München 2002.

References (selection)

  • Lahusen, Benjamin: Alles Recht geht vom Volksgeist aus. Friedrich Carl von Savigny und die moderne Rechtswissenschaft, Berlin 2013.
  • Nörr, Dieter: Savigny, Friedrich Carl von, in: Neue Deutsche Biographie Bd. 22, 2005, S. 470-473.
  • Rückert, Joachim: Friedrich Carl von Savigny (1779-1861): ein Frankfurter in Berlin, in: Festschrift 200 Jahre Juristische Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin, hg. von Stefan Grundmann u.a., Berlin 2010, S. 133-177.
  • Ders.: Savigny-Studien, Frankfurt/Main 2011.
  • Meder, Stephan/Christoph-Eric Mecke (Hg.): Savigny global 1814-2014. „Vom Beruf unsrer Zeit“ zum transnationalen Recht des 21. Jahrhunderts, Göttingen 2016.
  • Nachlass Savigny: Universitätsbibliothek Marburg; Staatsbibliothek Berlin

 


 

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