Humboldt-Universität zu Berlin

Philosophischen Fakultätentag - Zukunft? Geisteswissenschaften!

Grußwort zur Zentralen Veranstaltung am 5. Juli 2007

Nun soll Sie, Frau Ministerin, liebe Frau Schavan, Spectabilitäten, liebe Kolleginnen und Kollegen, der Hausherr begrüßen. Das tut er natürlich herzlich gern. Aber wie soll er begrüßen? Vielleicht so: „We fully support this with all our emphasis“? Mit solchen und anderen Sätzlein in mehr oder weniger gutem Englisch haben viele unter uns in den letzten Wochen in eher mittelmäßigen Hotels der Bundesstadt Bonn und ihrer näheren Umgebung vor Gutachtergruppen Rechenschaft über ihre jeweiligen Projekte abgegeben. Verstehen Sie mich nicht falsch: Der Exzellenzwettbewerb hat jedenfalls nach meinem Eindruck einen großen Schub für die Geisteswissenschaften gebracht, Kollegen ins Gespräch und interessante Ideen in die Köpfe von Wissenschaftlern; die ratio mancher Kritik am Wettbewerb ist immer noch jene wunderbare alte Ideologie, daß alle miteinander ganz gleich sind und falls nicht, gleich gemacht werden müssen – die jüngst unter dem Titel „Die akademische Elite“ publizierte Studie des Bamberger Soziologe Richard Münch bietet dafür ein hervorragendes Beispiel, wenn sie die Eliteförderung als Rest einer vordemokratischen Ständegesellschaft zu denunzieren versucht. Soll ich Sie also tatsächlich so begrüßen, wie wir alle nun fast zwei Jahre lang geredet haben: „We at the Humboldt-Universität zu Berlin fully support this Fakultätentag with all our emphasis“?

Lieber nicht. Der Wettbewerb und die Begehungen, die uns fast zwei Jahren in Atem gehalten haben, sind abgeschlossen und wir warten gespannt auf die Ergebnisse. Und nun können wir uns doch im Jahr der Geisteswissenschaften, das insbesondere den Sprachen gewidmet ist, endlich einmal wieder darauf besinnen, daß es an unseren Universitäten mehr gibt als die lingua franca der Postmoderne, geradebrechtes Wissenschaftsenglisch. Und da fragt sich der Kirchenhistoriker im Präsidentenamt: Warum also den Fakultätentag nicht ganz klassisch an diesem klassischen Ort begrüßen: Chärete, Salve! Und weiter in den vielen Sprachen, die in den geisteswissenschaftlichen Instituten gelehrt und gesprochen werden. Sprachen, die ein klassisch und alteuropäisch gebildeter Präsident einer Universität auch nur von ferne kennt – gestern, bei der Eröffnung der großen Skythenausstellung im Martin-Gropius-Bau konnte man sie hören: Ukrainisch, kasachisch und mongolisch beispielsweise, sprachliche und kulturelle Traditionen, die mit dem uns so vertrauten Etikett „kleine Fächer“ nur sehr äußerlich beschrieben sind und um die man sich hierzulande Sorgen machen muß, weil wir es immer noch nicht schaffen, durch ein zentrales Register dieser kleinen Fächer dafür Sorge zu tragen, daß sie mindestens an einem Standort in wünschenswerter Breite angeboten werden.

Wir leben im Jahr der Geisteswissenschaften – glücklicherweise wird man das in den kommenden Stunden und Tagen sehr deutlich merken. Mir liegt daran, daß wir dieses Jahr nicht nur dazu nutzen, um für die Geisteswissenschaften unter den Bedingungen einer modernen Kommunikationsgesellschaft zu werben – also mit lauter Stimme zu erklären, daß ohne die Geisteswissenschaften das Abendland untergeht. Mir ist zunehmend wichtig geworden, daß wir in diesem Jahr auch notwendige Selbstverständigungsprozesse energisch angehen, also so, daß Diskussionen zu einem Ziel führen. Einen solchen Selbstverständigungsprozeß will ich kurz herausgreifen: Einige Universitäten stellen die philosophische Großfakultät wieder her, die in den Stürmen der Universitätsreform – oder sollte ich besser sagen: Reformversuche – des letzten Jahrhunderts untergegangen ist, wobei der geistige Vater dieser jüngsten Reform dann meist nicht Humboldt heißt sondern Jürgen Mittelstraß. Nun ist die Frage, ob es eine oder mehrere philosophische Fakultäten an einer Universität geben soll, aber kein reines Managementproblem, auch wenn das viele Universitätsleitungen denken. Haben denn die Fächer einer philosophischen Fakultät noch gemeinsame Standards? Oder haben sich die Kulturwissenschaften und die Philologien längst so differenziert, daß schon aus inhaltlichen Gründen eine gemeinsame Fakultät wenig sinnvoll ist? Ich würde mir wünschen, daß ungeachtet aller notwendigen Geschäfte, die ein Fakultätentag zu erledigen hat, ungeachtet aller notwendigen Diskussionen um Studienreform und Modularisierung, solche großen Fragen in diesen Tagen wenigstens ansatzweise in den Blick genommen werden – wir an der Humboldt-Universität wollen sie auf einem großen Kongreß im Rahmen des Jahres der Geisteswissenschaften im Spätherbst öffentlich diskutieren und freuen uns über Gäste aus ihren Reihen.

Ein evangelischer Theologe ist nicht der Papst. Und, wie Sie wissen, kann es auch nie werden. Insofern begrüße ich Sie, verehrte Damen und Herren, nun weder in Englisch, Alt- und neugriechisch, Latein, weder französisch, italienisch, ukrainisch, kasachisch und mongolisch, sondern ganz schlicht deutsch: Seien Sie hier in Berlin, seien Sie an der Humboldt-Universität ganz herzlich willkommen, dem Fakultätentag einen guten Verlauf und spannende Diskussionen.

Prof. Dr. Dr. h.c. Christoph Markschies
Präsident der Humboldt-Universität

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