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Biografie, Adolf Butenandt

Adolf Butenandt wuchs in Lehe (heute Stadtteil von Bremerhaven) auf, wo er an der Leher Oberrealschule – der Lessingschule – 1921 das Abitur machte. Danach studierte er Chemie und Biologie an der Philipps-Universität Marburg. Seitdem war er bis zu seinem Tode Mitglied der Studentenverbindung Turnerschaft Philippina. 1924 wechselte er an die Universität in Göttingen. 1927 promovierte Butenandt bei Adolf Windaus in Göttingen "Über die chemische Konstitution des Rotenons", des physiologisch wirksamen Bestandteils der Derris elliptica. 1929 isolierte und bestimmte er die Struktur des weiblichen Sexualhormons Estrogene. Nach der Habilitation 1931 mit „Untersuchungen über das weibliche Sexualhormon“ wurde er Leiter der organischen und biochemischen Abteilung des Allgemeinen Chemischen Universitätslaboratoriums Göttingen. 1933 folgte er einem Ruf als ordentlicher Professor an die Technische Hochschule Danzig. Am 11. November 1933 gehörte er zu den Unterzeichnern des Bekenntnisses der Professoren an den deutschen Universitäten und Hochschulen zu Adolf Hitler und dem nationalsozialistischen Staat. Im Jahr 1934 wurde er zum Mitglied der Leopoldina gewählt. 1935 absolvierte er einen Studienaufenthalt in den USA auf Einladung der Rockefeller-Stiftung und lehnte einen Ruf an die Harvard-Universität ab. Nachdem er am 1. Mai 1936 trotz Aufnahmesperre in die NSDAP aufgenommen worden war (Parteimitgliedsnummer 3716562) und der Deutschen Arbeitsfront und dem NS-Lehrerbund beigetreten war, ging er als Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Biochemie nach Berlin-Dahlem. Von 1938 bis 1944 war er Honorarprofessor für Biochemie an der Universität Berlin.

1939 wurde ihm (gemeinsam mit Leopold Ruži?ka) der Nobelpreis für Chemie zuerkannt. Weil Adolf Hitler nach der Verleihung des Friedensnobelpreises an Carl von Ossietzky Deutschen verboten hatte, den Nobelpreis anzunehmen, konnte Butenandt erst 1949 die Medaille und die Urkunde entgegennehmen.

Butenandts Rolle im „Dritten Reich“ ist umstritten. So soll er erwogen haben, die antibiotische Wirkung von Schimmelpilzen an menschlichen Lebern zu testen. "Der Spiegel" überschrieb im April 2006 eine Meldung über Butenandt jedoch mit den Worten "Freispruch für Butenandt". Demnach stellte der Immunchemiker Norbert Hilschmann, dessen Arbeit sich auf alte Institutsdokumente und persönliche Briefe Butenandts stützt, fest, dass keiner dieser Vorwürfe zutrifft.
Robert N. Proctor, Gastwissenschaftler im Forschungsprogramm "Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus", wiederum stellt in seinem Papier Adolf Butenandt – Nobelpreisträger, Nationalsozialist und MPG-Präsident fest:
„Nachzuweisen ist, daß Butenandt enger als bisher angenommen mit Wissenschaftlern zusammengearbeitet hat, die in derartige Forschungen involviert waren. Neue Quellen belegen, daß er an medizinisch-militärischen Forschungsprojekten, u. a. an der Luftwaffenversuchsstation in Rechlin, beteiligt war. Aus den Quellen geht hervor, daß Butenandt alle Institutsunterlagen vernichtete, die mit dem Vermerk Geheime Reichssache gekennzeichnet waren. Zwingend scheint die Schlußfolgerung, daß Butenandts Nachlaß, obwohl mit 80 Regalmetern der umfangreichste im Archiv der Max-Planck-Gesellschaft, kein vollständiges und ausgewogenes Bild von seinen Aktivitäten insbesondere in der Zeit des Nationalsozialismus vermitteln kann. Bisher konnte kein Hinweis auf eine antisemitische Haltung Butenandts gefunden werden; im Gegenteil, mehrfach ist belegt, daß er in den 1930er Jahren einzelnen Juden geholfen hat. Mehrfach zu belegen ist jedoch auch, daß Butenandt nach dem Kriege half, Kollegen vom Nazismusvorwurf reinzuwaschen. Butenandt hat dazu beigetragen, eine neue Konzeption von Wissenschaft populär zu machen, derzufolge Wissenschaft a priori mit politischer Unschuld gleichzusetzen sei. In diesem Sinne hat er dazu beigetragen, die Bemühungen der Nachkriegszeit zu vereiteln, die Mittäterschaft der Wissenschaft bei den Verbrechen der Hitler-Ära aufzuklären, strafrechtlich zu verfolgen und „Wiedergutmachung“ zu leisten.“ http://www.mpiwg-berlin.mpg.de/KWG/Ergebnisse/Ergebnisse2.pdf

Gesichert ist inzwischen, dass Butenandt ab 1939 als Fachkraft für Biochemie bei der Zeitschrift Der Biologe mitwirkte, die vom SS-Ahnenerbe übernommen worden war. 1942 war er korrespondierendes Mitglied der Deutschen Akademie der Luftfahrtforschung und arbeitete zusammen mit Theodor Benzinger und Erich Hippke an geheimen Luftwaffenforschungsprojekten. Im selben Jahr wurde er Senator der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft und arbeitete im Kaiser-Wilhelm-Institut für Anthropologie mit, wobei er auch über die Versuche an epileptischen Kindern durch seinen Assistenten Gerhard Ruhenstroth-Bauer informiert war. Seit 1944 gehörte Butenandt dem wissenschaftlichen Beirat des Generalkommissars für das Sanitäts- und Gesundheitswesen Karl Brandt an.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Kaiser-Wilhelm-Institut für Biochemie in Max-Planck-Institut für Biochemie umbenannt und zunächst nach Tübingen, 1956 schließlich nach München verlegt. Als Nachfolger des Nobelpreisträgers Otto Hahn war Butenandt 1960 bis 1972 Präsident der Max-Planck-Gesellschaft. 1951 bis 1952 war er Vorsitzender der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte.
Butenandt heiratete am 28. Februar 1931 in Göttingen Erika von Ziegner (1906–1995), die Tochter des Obersten Siegfried von Ziegner (31. August 1866 – 26. Juni 1935) und Marie Luise Eschenburg (22. Oktober 1878 – 26. Dezember 1954). Er hatte sieben Kinder.
[Beschreibung übernommen von https://de.wikipedia.org/wiki/Adolf_Butenandt , 7.4.2017]

Detailangaben

Eintragstyp Personen
ID 9200
Titel Prof. Dr. phil. Dr. h. c. (sechsfach)
Biographische Angaben

1927-30 Assistent am Institut für Chemie der Universität Göttingen
1931-33 Privatdozent für Biochemie an der Universität Göttingen
1933-36 o. Professor und Leiter des Instituts für organische Chemie an der Technischen Hochschule Danzig
1938-45 Honorarprofessor für Biochemie an der Friedrich-Wilhelms-Universität, Berlin
1936-1949 Anstellung am Kaiser-Wilhelm-Institut für Biochemie in Berlin (ab 1945 Tübingen)
1945-1956 o. Professor für Physiologische Chemie an der Universität Tübingen
1949-1956 Direktor des Max-Planck-Instituts für Biochemie in Tübingen
1956-1960 Professor für Physiologische Chemie an der Universität München
1960-1972 Präsident der Max-Planck-Gesellschaft

GND-Eintrag https://d-nb.info/gnd/118935763
VIAF-Eintrag https://viaf.org/viaf/111438122/
Geburtsdatum 24. März 1903
Todesdatum 18. Januar 1995
Studium Chemie und Biologie
Mitgliedschaft Leopoldina; Akademie der Wissenschaften
Stellung Ordentlicher Professor für Biochemie
Institution Philosophische Fakultät, Institut für Biochemie; Kaiser-Wilhelm-Institut für Biochemie

Ereignisse

1921 – 1927 Studium

Studium der Chemie und Biologie an den Universitäten Marburg und Göttingen.

1927 Promotion

Promotion zum Dr. phil. an der Universität Göttingen, Thema: "Über die chemische Konstitution des Rotenons, des physiologisch wirksamen Bestandteils der Derris elliptica".

1930 Habilitation

Habilitation für Chemie.

1934 – 1995 Mitgliedschaft

Ordentliches Mitglied (seit 1960 Ehrenmitglied) der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina zu Halle/Saale.

1936 – 1945 Funktion

Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Biochemie in Berlin-Dahlem (später Max-Planck-Institut für Biochemie in Tübingen, heute Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried bei München).

1938 – 1945 Lehrtätigkeit

Honorarprofessor für Biochemie an der Friedrich-Wilhelms-Universität.

1939 Auszeichnung

Nobelpreis für Chemie für seine Erforschung der Sexualhormone.

1939 – 1995 Mitgliedschaft

Ordentliches Mitglied der Akademie der Wissenschaften.

1962 Auszeichnung

Verleihung des Ordens Pour le mérite für Wissenschaften und Künste.

Verschlagwortung