Das Leitbild des ehrbaren Kaufmanns
Die Affäre um die Steuerhinterziehungsvorwürfe gegen Klaus Zumwinkel
und sein schneller Rücktritt als Post-Chef und Aufsichtsratvorsitzender
der Deutschen Telekom haben erneut zu einer Debatte um das Leitbild des
Ehrbaren Kaufmanns geführt. Angesichts der teilweise heftigen Reaktion
aus allen politischen Lagern macht das Institut für Management der
Humboldt-Universität zu Berlin unter Leitung von Professor Joachim
Schwalbach auf eigene wissenschaftliche Arbeiten zum Ehrbaren Kaufmann
und zur gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen aufmerksam.
Ein neu eingerichtetes Internetportal soll auf aktuelle
Forschungsarbeiten verweisen und das Bedürfnis befriedigen, mehr zum
Leitbild des Ehrbaren Kaufmanns zu erfahren. In der öffentlichen
Diskussion wird häufig auf das Leitbild des Ehrbaren Kaufmann Bezug
genommen, ohne dies jedoch ausreichend unterfüttern zu können.
Das Leitbild des Ehrbaren Kaufmanns ist für die Gegenwart von
außerordentlicher Wichtigkeit. Es sollte Unternehmern und Managern
bewusst machen, dass verantwortungsvolles Verhalten die Grundlage für
den nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg und für den sozialen Frieden
in der Gesellschaft darstellt. Eine intensive Beschäftigung mit den
eigenen geschichtlichen Wurzeln und der gegenwärtigen Situation kann zu
einem modernen Ehrbarkeitsbewusstsein unter Unternehmern und Managern
führen, das eine kulturelle Entwicklungsfähigkeit ausdrückt. Ein
moderner Ehrbarer Kaufmann hat ein ausgeprägtes
Verantwortungsbewusstsein auf der Unternehmens- und Gesellschaftsebene.
Dazu gehören das faire Verhalten gegenüber Mitarbeitern, Kunden und
Geschäftspartnern, die er weiterhin nach tugendhaften Grundsätzen
behandelt mit dem Ziel, langfristige Beziehungen aufzubauen und zu
erhalten. Die gesellschaftliche Verantwortung drückt sich aus
durch Befriedigung von Kundenwünschen durch innovative Produkte
und Dienstleistungen, Engagement am Standort des Unternehmens,
Aufklärung von Öffentlichkeit und Politik, Verteidigung der Sozialen
Marktwirtschaft und Beachtung des Umweltschutzes bei allen
Entscheidungen.
Das Leitbild des Ehrbaren Kaufmanns definiert innere kulturelle
Leitplanken, die dafür sorgen, dass das Handeln von Unternehmern in
Einklang mit der Gesellschaft gebracht wird. Es bezeichnet eine
Lebensphilosophie, die Geschäftsleute zu ausgereiften,
verantwortungsvollen und vor allem wirtschaftlich erfolgreichen
Persönlichkeiten werden lässt. Wirtschaftlichkeit und Moral sind im
Ehrbaren Kaufmann keine Gegensätze. Moral im Sinne von Tugendhaftigkeit
ist die Bedingung für echte Wirtschaftlichkeit, verstanden als das
nachhaltige Schaffen von Werten.
Ein Ehrbarer Kaufmann zeichnet sich durch eine gute humanistische
Grundbildung gepaart mit wirtschaftlichem Fachwissen als Grundlagen für
einen gefestigten Charakter aus. Dieser orientiert sich an Tugenden,
die die Wirtschaftlichkeit fördern. Bereits 1340 im mittelalterlichen
Italien sprachen Kaufmannshandbücher vom „wahren und ehrlichen
Kaufmann“.
Ein Kaufmann musste über praktische Grundfähigkeiten verfügen. Sie
waren die notwendige Grundlage für seinen wirtschaftlichen Erfolg.
Rechnen, Lesen, Sprachkenntnis, Bildung in den Bereichen Warenkunde,
Recht, Geografie und Währung wurden ergänzt durch ein ausgeprägtes
Gewinnstreben, durch rationale und emotionale Intelligenz,
Organisationstalent sowie politischen Weitblick. Doch das allein machte
noch keinen Ehrbaren Kaufmann.
Die Ehrbarkeit entstand erst durch sein tugendhaftes Verhalten. Bis zum
Anbruch der Moderne wurde Ehre als soziales Kapital verstanden, dessen
Wert man steigern oder durch schändliches Verhalten verlieren konnte.
Schande war gleichbedeutend mit dem Ausschluss aus der Gemeinschaft.
Tugendhaftes Verhalten steigerte die Ehre und damit das Ansehen durch
die Mitbürger. Tugendhaft meinte aber nicht einfach nur Gutes tun. Ein
Ehrbarer Kaufmann tat Gutes, indem er ehrbar wirtschaftete und damit
seinen eigenen und den Wohlstand der Gemeinschaft mehrte. Dadurch
entwickelte sich eine pragmatische Geschäftsmoral des goldenen
Mittelwegs mit dem Ziel der langfristigen Sicherung des geschäftlichen
Erfolgs auch über Generationen hinweg.
Grundlegende Tugenden waren im Mittelalter Ehrlichkeit, Vorsicht,
Misstrauen, die Wahrung von Geschäftsgeheimnissen, Wagemut im richtigen
Moment, Friedensliebe, Ernsthaftigkeit, Höflichkeit, Klugheit, Ordnung,
eine gute Erscheinung und eine gute Erziehung. Da Gott in der
mittelalterlichen Gesellschaft allgegenwärtig war, wurde er sogar als
Teilhaber eingesetzt, der ein eigenes Konto und einen Gewinnanteil
bekam, der an die Armen verteilt wurde. Darüber hinaus förderten
Kaufleute die Entwicklung der Infrastruktur, beschleunigten die
kulturelle Entwicklung der Architektur, Malerei, und des
Kunsthandwerks. Sie selbst waren Geschichtsschreiber, Politiker für
ihre Stadt und wie Marco Polo und Christoph Kolumbus Entdecker.
Der Aufstieg der Hanse in Nordeuropa ist unzertrennlich mit dem Bild
des Ehrbaren Kaufmanns verbunden. Der lockere hansische Städtebund
konnte nur durch gegenseitige Toleranz und die Anwendung des
tugendhaften Verhaltens zu solch geschichtsbestimmender Größe
heranwachsen. Noch heute ist der Begriff Ehrbarer Kaufmann in
Norddeutschland in Gebrauch. Bis zum Beginn der Moderne war das
Leitbild des Ehrbaren Kaufmanns im europäischen Bürgertum bis auf den
Bedeutungsverlust der Religion weitgehend unverändert.
Unternehmer und Manager müssen diesem Leitbild des Ehrbaren Kaufmanns
folgen, es leben und seinen Sinn verständlich machen, damit es auch auf
das Verhalten ihrer Mitarbeiter positiv wirkt und die gesamte
Gesellschaft stärkt.
Das Internetportal „Der Ehrbare Kaufmann“ ist Teil eines größeren
Forschungs- und Ausbildungsschwerpunktes zum Thema: Gesellschaftliche
Verantwortung von Unternehmen (Corporate Social Responsibility) am
Institut für Management der Humboldt-Universität zu Berlin.
Details finden Sie auf folgender Homepage:
www.wiwi.hu-berlin.de/im
Für Rückfragen stehen Ihnen folgende Personen zur Verfügung:
Prof. Dr. Joachim Schwalbach (Mobil: 0171-483 05 31)
Dr. Anja Schwerk (Mobil: 0173-2035856)
Daniel Klink, speziell zum „Ehrbaren Kaufmann“, (Mobil: 0178- 855
2873)
Christine Schniedermann
Tel.: +49 (0)30/2093-2090
Fax: +49 (0)30/2093-2447
E-Mail: christine.schniedermann@uv.hu-berlin.de
URL: www.hu-berlin.de