Bruchteil der COVID19-Hilfspakete ausreichend für Trendwende beim Klimaschutz
Weltweit haben Regierungen Konjunkturpakete beschlossen oder geplant, um die Wirtschaft in der Coronakrise anzukurbeln. Bislang wurden im Rahmen solcher Pakete mehr als 12 Billionen US Dollar zugesagt. Dieser Betrag ist dreimal so hoch wie die Ausgaben zur Bewältigung der globalen Finanzkrise 2008-2009 und entspricht etwa 15 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts (BIP).
Laut einer neuen Studie, die heute von einer internationalen Forschergruppe in „Science“ veröffentlicht wurde, bedarf es nur eines Bruchteils dieses Geldes, um die Weichen zur Einhaltung der Klimaziele des Pariser Abkommens zu stellen. Die globalen Investitionsbedarfe in kohlenstoffarme Technologien im Energiesektor über die nächsten fünf Jahre belaufen sich auf lediglich ein Zehntel der Konjunkturpakete pro Jahr.
Das Pariser Abkommen zielt darauf ab, den durchschnittlichen globalen Temperaturanstieg auf deutlich unter 2°C, möglichst unter 1.5°C gegenüber dem vorindustriellen Temperaturniveau zu begrenzen. Dies erfordert einen Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen, den Ausbau klimafreundlicher erneuerbarer Energiequellen wie Sonnen- und Windenergie und deutliche Verbesserungen der Energieeffizienz.
Die derzeitigen Klimaziele der Regierungen sind allerdings völlig unzureichend, um die Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen und würden eher in eine 3°C wärmere Welt führen. Schwerwiegende Klimafolgen wie Dürren, Überschwemmungen und Stürme wären die Folge.
Die neue Analyse zeigt, dass die 1.5°C-Welt durchaus in Reichweite wäre, wenn nur ein Bruchteil der COVID19-Hilfspakete in eine „klimapositive“ Erholung investiert würde, mit dem gleichzeitigen Ziel die Weltwirtschaft anzukurbeln und die Einführung kohlenstoffarmer Energieversorgungs- und Energieeffizienzmaßnahmen zu beschleunigen. Dies könnte z.B. durch direkte Anreize und Investitionen sowie durch unterstützende Maßnahmen wie Steuervergünstigungen und Preisnachlässe erreicht werden.
Dr. Joeri Rogelj vom Grantham-Institut und dem Imperial College London: „Unsere Ergebnisse zeigen, dass Investitionen in Lösungen zur Begrenzung der Erwärmung auf 1.5°C deutlich im Rahmen des Finanzierbaren liegen. Tatsächlich belaufen sich die zusätzlichen Investitionen in kohlenstoffarme Energien, die in den nächsten fünf Jahren erforderlich sind, um die Welt auf den Weg zur Erreichung der Ziele des Pariser Abkommens zu bringen, auf nur ein Achtel der derzeitigen weltweiten COVID19-Konjunkturprogramme.“
Marina Andrijevic von Climate Analytics und der Humboldt-Universität Berlin merkt an: „Wenn nur ein Bruchteil der Konjunkturpakete in klimapositive Wiederaufbaupläne investiert würde, könnte die Welt bis Mitte des Jahrhunderts Nullemissionen im Energiesektor erreichen. Dabei geht es nicht darum, Geld von kohlenstoffarmen Investitionen in Industrie, Forschung und Entwicklung abzuziehen, sondern eine Win-Win-Strategie zur Ankurbelung der Wirtschaft zu finden, die gleichzeitig mit der Einhaltung der Pariser Klimaziele kompatibel ist.”
Kein Land hat in allen Einzelheiten erklärt, wofür es seine Konjunkturpakete einsetzen wird, aber die unmittelbaren Prioritäten dürften die Unterstützung der Gesundheitssysteme, die Erhaltung der Lebensgrundlagen und die Stabilisierung des Arbeitsmarktes sein. Darüber hinaus werden die Regierungen nach Investitionen Ausschau halten, die auf längere Sicht die wirtschaftliche Erholung sicherstellen können.
Mehrere Analysen, darunter eine Umfrage mit über 230 Experten weltweit zeigen Wege auf, wie ein grüner Aufschwung dieses Ziel unterstützen kann. Klimapositive Investitionen bieten sowohl kurz- als auch langfristige Vorteile, darunter die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Verringerung des Investitionsrisikos grüner Technologien.
Dr. Rogelj fügte hinzu: „Klimapositive und grüne Konjunkturprogramme bieten viele Vorteile, die Regierungen momentan suchen um aus der Krise herauszukommen: Sie können die Beschäftigung ankurbeln und Innovationen stimulieren und gleichzeitig die kohlenstoffarme Transformation beschleunigen.“
Die Analyse des Teams zeigt, dass neben aktiven Investitionen grüner Technologien vor allem auch Investitionen in fossile Technologien reduziert werden müssen. Insbesondere sollten Nothilfeprogramme für Unternehmen im fossilen Sektor möglichst vermieden werden und vorhandene Mittel besser zur Sicherstellung einer gerechten Transformation, zum Beispiel zur Weiterqualifizierung von Arbeitnehmer*innen, eingesetzt werden.
Aus der Studie geht auch hervor, dass dies für einige Länder leichter sein wird als für andere und dass internationale Zusammenarbeit notwendig ist, damit eine klimapositive Erholung für alle und überall möglich ist. Die USA und die Europäische Union haben am meisten Gelder für die Erholung nach der Pandemie zugesagt. Proportional zum BIP müssen sie auch am wenigsten in kohlenstoffarme Energie investieren, um nationale Ziele in Einklang mit dem Pariser Abkommens zu bringen. Schwellenländer wie Indien können nur kleinere Konjunkturprogramme schnüren, benötigen aber proportional mehr Investitionen, um ihre Bevölkerung mit zuverlässiger, sauberer und bezahlbarer Energie zu versorgen.
Co-Autor Dr. Carl-Friedrich Schleussner von Climate Analytics und der Humboldt-Universität erläutert: „Unsere Studie zeigt, dass bereits ein kleiner Teil der COVID19-Hilfsgelder einen großen Beitrag zur Bekämpfung des Klimawandels leisten könnten. Wenn die Regierungen zu diesem entscheidenden Zeitpunkt die richtigen Maßnahmen treffen, ist die Begrenzung der Erwärmung auf 1.5 Grad Celsius immer noch in Reichweite.“
Studie
“COVID-19 recovery funds dwarf clean energy investment needs” by Marina Andrijevic, Carl-Friedrich Schleussner, Matthew J. Gidden, David L. McCollum and Joeri Rogelj will be published in Science. DOI: 10.1126/science.abc9697
Kontakt
Ela Smith
Head of Communications, Climate Analytics
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