Vom umstrittenen zum geteilten Erbe?
Die Sozial- und Geisteswissenschaften haben sich in den letzten Jahrzehnten zunehmend selbstkritisch mit dem Methodenrepertoire auseinandergesetzt, das einer global vernetzten Welt angemessen ist beziehungsweise sein kann. Mit Transkulturalität (Wolfgang Welsch), Kulturtransferforschung (Michel Espagne), Entangled history (Sebastian Conrad) oder Histoire Croisée (Michael Werner, Bénédicte Zimmermann) sind Konzepte beschrieben, die die wissenschaftliche Betrachtung der Dinge aus angestammten, vorwiegend nationalen Perspektiven zu lösen bestrebt sind und stattdessen auf kulturelle Verflechtungen, Kontextualisierung und Multiperspektivität setzen. Ziel ist es unter anderem, die üblichen singulären Betrachtungspositionen abzulösen, wechselseitige Einflussnahmen und Rezeptionsmechanismen zu untersuchen und der Gefahr einseitiger Ergebnisse zu entgehen. „Gekreuzt“ bzw. getauscht werden dabei auch die Positionen, aus denen Geschichte betrachtet wird, um auf diese Weise eigene Konzepte, Kategorien und Leitbegriffe kritisch zu reflektieren.
Nun sind solche an globalen Prozessen ausgerichtete Methoden nicht unbedingt prädestiniert, einen lokalen Denkmalstreit zu klären, sie zeigen aber Perspektiven auf, die durchaus übertragbar sind und helfen können, über Konstruktionen des Eigenen und Identitätsstiftenden hinaus zu Sichtweisen vorzudringen, die den strittigen Objekten nützen und möglicherweise auch die Akteure befrieden. Aktuelle Erbekonzepte unterstreichen etwa das Recht jedes Einzelnen auf Partizipation am Kulturerbe (Faro Convention 2005) und knüpfen damit an die seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert übliche Vorstellung an, dass das Kulturerbe einschließlich bedeutender Denkmale den Besitz der gesamten Menschheit darstellt. Das Kulturerbejahr 2018 übersetzt diese Übereinkunft in das Motto „Sharing heritage“. Das beinhaltet keine Nabelschau und auch keine Teilung des Eigenen, sondern die Teilhabe an der Vielfalt der Denkmale. Perspektivenwechsel, Dialoge, gemeinsame Aktivitäten und Offenheit integrieren auch umstrittenes Erbe in dieses Konzept.