Alexander von Humboldt

Er hat das gemacht, wovon heute viele träumen: den Job an den Nagel gehängt und die Welt bereist. Als junger, unbekannter Mann brach Alexander von Humboldt nach Iberoamerika auf – und kehrte nach fünf Jahren als bekanntester Wissenschaftler seiner Zeit nach Europa zurück. Ein Portrait.

Entdecker

Die Kombination Reisen und Forschen stellt für Alexander von Humboldt eine ideale Verbindung dar. Nach ersten Reisen in Europa 1789/90 kann er – dank des geerbten Vermögens – seinem Wunsch planen und vorbereiten: Er will in die Tropen reisen und möglichst viele Aspekte der belebten und unbelebten Natur erforschen.

Von 1799 bis 1804 reisen Humboldt und sein Begleiter Aimé Jacques Alexandre Bonpland durch Süd- und Mittelamerika: Von Spanien über die Kanarischen Inseln nach Venezuela und Kuba, durch die Anden an die peruanische Küste, nach Mexiko und mit Zwischenstopp in den USA zurück nach Europa. Diese große Südamerikareise wurde als die zweite, die wissenschaftliche Entdeckung Südamerikas gefeiert. 

Seinen 60. Geburtstag verbringt Humboldt bei seiner zweiten großen Expedition in Russland. Sie verläuft über St. Petersburg, Moskau, Nischni Nowgorod bis nach Kasan. Von Jekaterinburg aus beginnt die Erkundung des Ural. Der Wunsch Humboldts, die chinesische Grenze zu überschreiten und Tibet zu betreten, geht jedoch nicht in Erfüllung. Kurz vor Weihnachten, nach einer Fahrt von 18.000 Kilometern, ist Humboldt wieder in Berlin.

Die gefährlichste Weltanschauung ist die Weltanschauung derer, die die Welt nie angeschaut haben.

Alexander von Humboldt

Alexander von Humboldt sitzt auf einm roten Sessel. Er schaut nach vorne und hält ein Manuskript in der Hand. Neben ihm steht ein alter Globus

Alexander von Humboldt

Naturforscher

Der Universalgelehrte Humboldt beschäftigte sich mit einer Vielzahl von Forschungsgebieten: von Vulkanologie und Geologie über Kartographie, Erdmagnetismus, Botanik und Zoologie, Ethnologie, Wirtschaft, Landwirtschaft und Bergbau bis hin zu Astronomie, Meteorologie und Meereskunde. Naturwissenschaftliche Disziplinen wie die physische Geographie, die Klimatologie, die Ökologie oder die Ozeanographie sehen in Humboldt ihren Begründer. 

Ziele seiner Expeditionen und seiner Forschungen waren das gesamte Wissen über die Welt zu erlangen und damit das Zusammenwirken aller Naturkräfte zu verstehen. Sein Alterswerk, der fünfbändige „Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung“ ist in seinem umfassenden Ansatz bis heute einzigartig geblieben. Seine Kosmos-Vorlesungen an der Berliner Universität galten als der kulturelle Höhepunkt des Jahres 1826 in Berlin.

Weltvermesser

Die Lithographie Geographie der Pflanzen in den Tropen-Ländern beruht auf Beobachtungen und Messungen von Alexander von Humboldt und A. Bonpland, die sie vom 10ten Grad nördlicher bis zum 10ten Grad südlicher Breite in den Jahren 1799, 1800, 1801, 1802 und 1803 machten. 

In diesem Werk hat Humboldt in einzigartiger Weise an einem idealisierten Querschnitt durch die Anden die Verbreitung der Pflanzen dargestellt und begründete damit die „Pflanzengeographie“. Die Klima- und Vegetationsstufen des tropischen Hochgebirges maß und erfasste er in mannigfaltiger Weise. Humboldt fasste die höhenspezifische Abfolge von Pflanzen in seinem berühmten „Naturgemälde“ zusammen. Der Naturforscher hatte erkannt, dass die je nach Breitengrad zu beobachtende Abfolge von Vegetationszonen ihre Entsprechung bei den Höhenlagen findet. Seine Ansätze sind heute besonders in den Tropenregionen (wieder) von Bedeutung. Das großartige, niemals wiederholte Projekt von Humboldts hat damit auch nach mehr als 200 Jahren nichts an Aktualität eingebüßt.

Kosmopolit

Alexander von Humboldt war ein globaler Netzwerker und Kosmopolit. Er bereiste die Welt, pendelte zwischen Paris und Berlin wie auch zwischen Kunst und Wissenschaft, Literatur und Politik. Ebenso wie Humboldt alle Naturwissenschaften interdisziplinär zu einem ganzheitlichen Ansatz verflicht sah, wollte er auch die Menschen untereinander verbinden. Seine Ideen überwanden nicht nur Kontinente und Meere, sondern auch Gesellschaftsschichten und Wissenschaftsgrenzen. Er vernetzte Forschende seiner Zeit über politische Barrieren hinweg und förderte die Kommunikation zwischen fremden Kulturen. Die Wissenschaft sah er immer im Zusammenspiel mit den Menschen und setzte sich für einen öffentlichen Zugang von Bildung für die Bürger*innen aller Stände ein. Seine Ideale von Freiheit und Brüderlichkeit öffneten ihm damals die Tore zu fremden Kulturen und machen ihn heute zu einem Vorbild nicht nur als Wissenschaftler, sondern auch als Mensch.

Gipfelstürmer

Alexander von Humboldt bluten die Hände, als er sich die steilen Hänge des fast 6300 Meter hohen Chimborazo hinaufkämpft. Es ist der 23. Juni 1802 in den Anden des heutigen Ecuadors, das scharfe Gestein des Vulkans schlitzt bei jedem Fehltritt die Haut auf. "Unsere Begleiter waren vor Kälte erstarrt und ließen uns im Stich", notiert Humboldt später in seinem Tagebuch. "Sie versicherten, sie würden vor Atemnot sterben, obwohl sie uns wenige Stunden zuvor voller Mitleid betrachtet und behauptet hatten, daß die Weißen es nicht einmal bis zur Schneegrenze schaffen." Eine Fehleinschätzung. Der berühmte Naturforscher steigt so hoch wie kein Mensche zuvor. Der Beschreibung des Aufstiegs durch Humboldt verdanken wir die erste genaue Schilderung der Symptome von Höhenkrankheit. Trotz der Unzulänglichkeiten von Schuhwerk, Bekleidung und Ausrüstung gelangten Humboldt und seine Begleiter Aimé Bonpland und Carlos Montúfar fast bis zum Gipfel des Chimborazo, mussten aber wegen einer unpassierbaren Felsspalte 400 bis 800 Meter unterhalb des Kraters umkehren. Nie waren vorher Menschen höher gestiegen. Gut 215 Jahre später scheitern Bergsteiger an dem höchsten Berg Ecuadors in gleicher Höhe - obwohl sie besser ausgerüstet und akklimatisiert sind, und auch die Anreise im Vergleich zu Humboldts einfach ist.

Erfinder

Sein Ideenreichtum und kreatives Denken machten Humboldt nicht nur zum Forscher, sondern auch zum Erfinder. Er entwickelte zwischen 1792 und 1797 als (Ober-)Bergmeister in Franken eine „lichterhaltende Lampe“. Für die Entwicklung dieser Grubenlampe führt er Versuche unter Tage durch und setzt für seine Forschungszwecke sein eigenes Leben auf Spiel. Humboldt fällt bei einem der Tests sogar in Ohnmacht. Schließlich aber funktioniert sein Konzept: Die Lampe kann nach einigen Verbesserungen genutzt werden. Die Humboldtsche Lampe war erfunden. Ein weiteres Gerät, eine Art „Rettungsflasche“, soll das Atmen in sauerstoffarmen Situationen erleichtern. Auch dafür setzt er seinen Körper als Versuchsobjekt ein und durchsetzt einen Raum mit gesundheitsgefährdenden Gasen, um das Atemgerät auf seine Funktionalität zu testen.

Vordenker

Alexander von Humboldt gilt heute als Vordenker für das 21. Jahrhundert, der globalen Kooperation und des transdisziplinären Forschens. Er war ein Visionär. Mit seinem ganzheitlichen Blick hat Humboldt die Grundlage für unser Verständnis einer vernetzten Umwelt voller Wechselwirkungen gelegt. Bereits vor etwa 200 Jahren begründete er eine integrative Naturforschung in Geologie und Biologie und erkannte schon damals die zentrale Rolle des Menschen. Das Besondere an Alexander von Humboldt ist sein Sinn für Gesamtzusammenhänge. Nach der Aufspaltung der Wissenschaften in spezialisierte Einzeldisziplinen hat sein global-ökologischer Ansatz erst seit Ende des 20. Jahrhunderts wieder an Bedeutung gewonnen.

Initiator

Neben der Rolle als Begründer der Naturschutzbewegung und der „Ökologie“ ist Humboldt ebenso als Initiator beinahe aller naturkundlichen Disziplinen zu bezeichnen. Seine Vorstellung, die wissenschaftlichen Disziplinen zu vernetzen, revolutionierte den Austausch zwischen den Forschenden seiner Zeit. Getrieben durch das Bedürfnis der Wissensverbreitung schaffte Humboldt es, sein angesammeltes Wissen zu bündeln und für die unterschiedlichen Zielgruppen zur Verfügung zu stellen. Seine Forschungsergebnisse sollten für alle zugänglich sein, Wissenschaftler*innen wie auch Bürger*innen. Humboldt förderte sein großes Beziehungsnetzwerk und gründete eine weltweite Vernetzung durch Korrespondenzen und interdisziplinären Ergebnisaustausch – zu seiner Zeit eine nie dagewesene Art des Informationsaustausches.

Sternschauer

„Von halb drei an sah man höchst merkwürdige Feuermeteore. Tausende von Feuerkugeln und Sternschnuppen fielen hintereinander, vier Stunden lang.“ So beschrieb Alexander von Humboldt den Leonidensturm, den er mit seinem Begleiter Aimé Bonpland im November 1799 von Venezuela aus beobachtet hatte. Humboldts Beobachtungen führten zu der Erkenntnis, dass es sich um ein periodisches Ereignis handelte. So richtig spektakulär werden die Sternschnuppen der Leoniden nur alle 33 Jahre, das ist nämlich die Umlaufzeit des Kometen um die Sonne. Ist der Schweifstern gerade erst durchgeeilt, ist die hinterlassene Spur frisch und voller Staubteilchen. Das nächste große Feuerwerk am herbstlichen Nachthimmel ist erst wieder im Jahr 2031 zu erwarten.

Abenteurer

Am 30. März 1800 ist es endlich soweit, Alexander von Humboldt und sein Begleiter Bonpland brechen auf ins Herz des Regenwaldes von Südamerika, um den rätselhaften Urwaldkanal namens Casiquiare zu finden und damit eines der größten Geheimnisse der Neuen Welt zu lösen. Es war eine gewagte Expedition, denn Humboldt konnte nicht schwimmen. Aber auch andere Gefahren lauerten: neben Schlangen und Krokodilen tummelten sich Jaguare im Unterholz und blutrünstige Piranhas im Fluss. Noch abenteuerlicher sah der Speiseplan der Forscher aus. Wenn sie von den Ureinwohner zum Essen eingeladen wurden, gab es gegrilltes Affenfleisch, Ameisen und andere Insekten. Selbst Tiere, die mit Giftpfeilen getötet wurden, landeten auf Humboldts Teller. Hier zeigte er erneut seinen Mut (doch er wusste, dass das Gift nur tödlich ist, wenn es in die Blutbahn gerät, es zu essen aber ungefährlich ist). Eine weitere tödliche Gefahr, die er antraf: Kannibalen. Vor kaum einer kulinarischen Herausforderung schreckte Humboldt zurück, doch ob er auch Menschenfleisch kostete? Darüber hat er zumindest nichts in seinem Tagebuch notiert.

Lebensdaten
Geboren am 14. September 1769 in Berlin, Jägerstraße 22
Gestorben am 6. Mai 1859 in Berlin, Oranienburger Straße 67