“Ein Student, der es nicht für nötig hält, sich in die Reihen der politischen Soldaten Adolf Hitlers einzugliedern, soll künftig nicht mehr wert sein, an der Universität Berlin zu studieren.”
1920er bis 1933
Schon seit den 1920er Jahren ist das körperliche Herausdrängen jüdischer und politisch missliebiger Kommiliton*innen aus den Türen der Universität verbreitete Praxis. Am 30. Juni 1932 fordern die nationalsozialistischen Studenten, es müsse "den Juden mindestens der Aufenthalt in der Eingangshalle" verboten werden. Am 30. Januar 1933 verlangen sie erste Relegationen politischer Gegner.
Vorgehen gegen politische Gegner
Was der Rektor zunächst ablehnt, erledigt bald eine Reihe von Erlassen des neuen nationalsozialistischen Kultusministers. Am 29. Juni 1933 fordert das Kultusministerium die Entfernung aller Studierenden, "die sich in den letzten Jahren nachweislich in kommunistischem Sinne betätigt haben". Auf Initiative aus der Berliner Universitätsleitung folgt am 9. August eine Erweiterung auf Sozialdemokrat*innen (im NS-Jargon "Marxisten") und Studierende, die sich "sonst in antinationalem Sinne aktiv betätigt haben".
Insgesamt müssen 124 Studierende bis 1934 die Universität aus politischen Gründen verlassen. "Schwarze Listen" verhindern ihre Aufnahme durch andere Universitäten.

Antisemitische Restriktionen
Dozent*innen und Hochschulangestellte jüdischer Herkunft werden nach dem "Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" vom 7. April 1933 entlassen – es ist das erste Gesetz mit einem "Arierparagraphen". Ein solcher "Arierparagraph" schließt Studierende jüdischer Herkunft aus der nun wieder staatlich anerkannten "Deutschen Studentenschaft" aus. Immer wieder terrorisieren NS-Studenten, SA-Männer und Hochschulmitarbeiter die jüdischen Studierenden.
Am 25. April ergeht das "Gesetz gegen die Überfüllung der deutschen Schulen und Hochschulen", das sehr niedrige Quoten an "Nichtariern" festsetzt. Jüdische Studierende sind von Stipendien und Gebührenerlassen und sogar der Mensa ausgeschlossen. Zudem versperren die "Arierparagraphen" verschiedener Erlasse fast alle Berufsaussichten: Seit 1935 werden Juden kaum noch zu Staatsprüfungen zugelassen. Auf eine Anstellung im öffentlichen Bereich als Lehrer, Beamte oder Ärzte können sie nicht mehr rechnen. Auch freie Berufe wie niedergelassene Ärzte oder Anwälte unterliegen zunehmend antisemitischen Restriktionen. Die meisten Juden brechen bis 1934 ihre deutsche Universitätslaufbahn ab – wer kann, emigriert und studiert im Ausland weiter. Im Zuge der "Reichspogromnacht" vom 9. November 1938 untersagt der Reichskultusminister schließlich allen Juden das Betreten deutscher Hochschulen.
NS-Studentenbund, Behörden und Universitätsleitung intensivieren aber auch die politische Kontrolle über die "arischen" Studierenden. Mit Propaganda- und Schulungsveranstaltungen sowie SA-Diensten und ähnlichem versuchen sie, möglichst alle Studierenden zu erfassen. Seit Winter 1936 immatrikuliert die Universität nur noch Mitglieder von NS-Organisation.
Folgen
Insgesamt werden an der Universität Berlin 1,2 Prozent der Studierenden relegiert. Unter ihnen sind viele Juden, fast ein Drittel der Verwiesenen sind Frauen. Die Berliner Universität entfernt – absolut und relativ – mit Abstand die meisten Studierenden im Reich.
| Reich | FWU* | |
|---|---|---|
| gesamt | 548 | 124 |
| davon als Kommunisten | 49 | |
| davon als "Marxisten" | 46 | |
| davon als "Staatsfeinde" | 29 |
*Friedrich-Wilhelms-Universität
Text: Jörg Pache
Liste
Erste Seite der Auflistung vom 12. Dezember 1933. Die Liste verzeichnet 95 Studenten und 37 Studentinnen (einigen davon wird später wieder eine Zulassung erteilt). Bis 1934 verweist die Universität 124 Studierende dauerhaft von der Hochschule – das entspricht 1,2 Prozent aller Eingeschriebenen, deutlich mehr als an anderen Universitäten. (Archiv der Humboldt-Universität)
Friedrich-Wilhelms-Universität
Berlin, den 12. Dezember 1933.
Die Universität Berlin hat weiter vom Studium ausgeschlossen:
1.) Wegen kommunistischer Betätigung auf Grund des Ministerial-Erlasses vom 29. Juni 1933 – U I 2190c – vom Universitätsstudium (Relegation) die Studierenden:
| 4225/122 | Magner, Manfred, med. | geb. 24.1.14 zu Berlin |
| 8626/121 | Cottschalk, Margarete, med. | geb.17.9.10 zu Berlin |
| 3616/122 | Isenburg, Lotte, med. | geb. 4.9.13 zu Berlin |
| 3996/122 | Metz, Heinrich, med. | geb. 2.4.14 zu Berlin |
| 2664/122 | Wolfram, Amy, jur. | geb. 26.3.12 zu Debreczin |
| 7710/120 | Wetzel, Ingeborg, phil. | geb.12.8.10 zu Bln.-Steglitz |
| 4211/118 | Lechner, Bruno, med. | geb. 12.4.10 zu Berlin |
| 4820/122 | Freyman, Richard, phil. | geb.10.6.12 zu Leipzig |
| 6696/120 | Halpern, Paul, phil. | geb.30.10.07 zu Berlin |
| 2162/121 | Silbermann, Kurt, phil. | geb.31.12.11 zu Berlin |
2.) Wegen staatsfeindlicher bzw. antinationaler Betätigung auf Grund des Ministerial-Erlasses vom 9.August 1933 – U I 22525 – vom Universitätsstudium (Relegation) die Studierenden:
| 4947/123 | Oldenburg, Ulrich, phil. | geb. 26.4.03 zu Berlin-Charlottenburg |
| 5262/122 | Glaser, Erich, med. | geb.20.6.12 zu Berlin-Charlottenburg |
| 8363/121 | Horchowski, Heinz, med. | geb.25.4.13 zu Berlin |
| 117/121 | Rosen, David, phil. | geb. 29.7.11. zu Berlin |
| 3456/120 | Rothstein, Elisabeth, phil. | geb.14.2.10 zu Rendorf/Rh. |
| 1385/119 | Tachernoff, Jordan, med. | geb.1.7.1906 zu Slutzkitz/Bulg. |
An
sämtliche deutschen Universitäten
und Hochschulen.

