Humboldt-Spektrum 04/1996
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Probeheft Beiträge Ausgaben Profil Homepage der Humboldt-Universität
Die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit: Infektiös oder genetisch bedingt?
Regine Witkowski/Peter Nürnberg/Klaus
Jendroska/Constanze Schafranka/Klaus Hinkel
Heft 4/96, S. 4-8.
abstract
Die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJK), eine der beim Menschen
vorkommenden und tödlich verlaufenden Prionopathien, hat in der
letzten Zeit durch die Meldungen über die Ausbreitung der Rinderseuche
BSE (Bovine Spongiform Encephalopathy, »Rinderwahnsinn«) und ihre
mögliche Übertragung auf den Menschen erneut Aufsehen erregt. Hinzu
kommt eine wachsende Verunsicherung, da diese Krankheitsgruppe, zu der
auch die Traberkrankheit (Scrapie) der Schafe und Ziegen und die
Enzephalopathie der Zuchtnerze gehören, in ihrer Ursache nach wie vor
rätselhaft und zwischen den Anhängern verschiedener Theorien
umstritten ist. Von der Aufklärung der Entstehungsweise und vom
eindeutigen Nachweis des auslösenden Agens aber erwartet man die
Erkennbarkeit der Schädigung bzw. der Infektion noch vor Ausbruch der
Krankheit, vergleichbar der Testung auf HIV am Gesunden lange bevor die
klinischen Symptome von AIDS auftreten. Für den Rinderwahnsinn würde
das bedeuten, gesunde Tiere von solchen unterscheiden zu können, die
für den Menschen als Infektionsquelle potentiell gefährlich sind.
Dadurch bestünde die Möglichkeit, den überwiegenden Teil der
Rinderherden Englands zu erhalten und Europa riesige ökonomische
Verluste zu ersparen, was große Auswirkungen auf die Wirtschaft und
die EU-Politik haben könnte. Es ergäben sich möglicherweise auch
Ansatzpunkte für die Suche nach einer kausalen Behandlung der
Prionopathien während der viele Jahre dauernden Inkubationszeit bis
zur manifesten Erkrankung beim Menschen.
Umwelthormone als Ursache lebenslanger Fehlfunktionen
Günter Dörner
Heft 4/96, S. 12-14.
abstract
In umfangreichen Tierexperimenten wurde in unserem Institut für
Experimentelle Endokrinologie der Charité nachgewiesen, daß Hormone
und hormonähnliche Substanzen - wie Neurotransmitter und Zytokine -
Organisatoren des Gehirns sind und in unphysiologischen Konzentrationen
während einer kritischen, bei der Ratte um die Geburt (perinatal) und
beim Menschen bereits vor der Geburt (pränatal) gelegenen,
Entwicklungsphase als Teratogene wirken, d.h. die Entstehung von nur
mikroskopisch nachweisbaren Fehlbildungen des Gehirns verursachen
können, was zu lebenslangen Funktionsstörungen und bedeutenden
Erkrankungen führen kann. Damit wurde die »funktionelle Teratologie«
inauguriert (Dörner 1976).
Strömung in einem Aneurysma eines Blutgefäßes
Klaus Affeld/Leonid Coubergrits/Andreas
Bender/Ali Kilic
Heft 4/96, S. 16-18.
abstract
An den Arterien im Schädelinneren, die das Gehirn mit Blut
versorgen, können sackartige Ausstülpungen - sog. Aneurysmen -
auftreten. Solche Aneurysmen können unter dem Druck des in den
Arterien strömenden Blutes platzen (N. Akkas 1990) und so zu Blutungen
an der Hirnoberfläche oder auch im Gehirn führen. Solche Blutungen
können schwere Störungen verursachen und auch tödliche Folgen haben,
insbesondere, wenn die Aneurysmen, was nicht selten ist, nach einer
ersten Blutung erneut reißen und zu wiederholten Blutungen führen (J.
A. Jane/ N. F. Kassel/ J. C. Turner/ H. R. Winn 1985). An einem
Strömungsmodell wird sichtbar gemacht, wie die über einen Katheter in
das Aneurysma eingebrachten kleinen Drahtspiralen die Blutströmung im
Aneurysma beeinflussen und die Blutungsgefahr deutlich verringern.
Wenn Muskelspiele aus dem Gleichgewicht geraten. Zum Problem »Muskuläre Dysbalancen«
Roland Wolff/Elke Neuendorf
Heft 4/96, S. 20-25.
abstract
In Deutschland werden jedes Jahr über 80.000 künstliche
Hüftgelenke implantiert. Nur ein sehr geringer Teil der Bevölkerung
bleibt von Rückenschmerzen verschont. Degenerative Veränderungen im
Bereich der Sehnen und Gelenke beginnen recht frühzeitig - schon ab
dem 20. bis 30. Lebensjahr. Es könnte daher naheliegen, den
Bewegungsapparat möglichst zu schonen, unnötige Wege zu meiden oder
sie zumindest mit dem Auto zurückzulegen (die immer wieder
vorgeschlagene Reduzierung des Sportunterrichts hätte also offenbar
auch gesundheitliche Vorteile!?). - Andererseits werden in der
orthopädischen Praxis bei Beschwerden im Bereich des
Bewegungsapparates häufig Muskeltraining und krankengymnastische
Bewegungstherapie verordnet - ein scheinbarer Widerspruch. Aber: echte
Fortschritte lassen sich nur mit einer entsprechend ausgebildeten
Muskulatur erzielen. Allgemeiner gesagt: Sie ist u.a. erforderlich, um
?Haltung? zu bewahren oder um die Stabilisierung und optimale Belastung
der Gelenke und Zwischenwirbelscheiben sicherzustellen. Voraussetzung
dafür ist ein ausgeglichenes Kraftverhältnis von Agonisten zu
Antagonisten. Geraten diese aus dem Gleichgewicht, können sog.
»muskuläre Dysbalancen« auftreten, mit denen sich der vorliegende
Beitrag befaßt.
Insekten aus Lavahöhlen Hawaiis als Modell für die Evolutionsgeschichte
Hannelore Hoch
Heft 4/96, S. 28-33.
abstract
Insekten sind die mit Abstand dominierende Tiergruppe auf der
Erde. Sie besiedeln nahezu alle Lebensräume des Festlandes und des
Süßwassers. Einige von ihnen verbringen sogar ihren gesamten
Lebenszyklus auf offenen Meeresflächen. Aufgrund ihrer
außerordentlichen Anpassungsfähigkeit sind Insekten in der Lage, auch
scheinbar extrem lebensfeindliche Situationen zu tolerieren: sie finden
sich auf dem ewigen Eis in Gletscherregionen, in heißen Quellen, in
Wüsten, in den Eingeweiden anderer Tiere und in Petroleum-Pfützen von
Erdölfeldern, um nur einige Beispiele zu nennen. Die Vielfalt ihrer
Formen und Lebensweisen ist geradezu unerschöpflich: den ca. 750.000
derzeit beschriebenen Arten (75% aller bekannten Tierarten) stehen
Schätzungen von bis zu 30 Millionen tatsächlich existierenden Arten
gegenüber. Jedoch nicht nur die genaue Artenzahl, auch die kausalen
Zusammenhänge, welche die heutige Diversität hervorgebracht haben und
auch heute weiterhin zur Bildung neuer Arten führen, sind noch
weitgehend unbekannt. Die Frage nach den Ursachen und Mechanismen der
Entstehung neuer Arten ist ein zentrales Problem der
Evolutionsforschung und einer der Schwerpunkte des fachübergreifenden
Forschungsplans »Die Evolution der Erde und des Lebens -
planetologische und biologische Komponenten des Evolutionsprozesses und
deren Wechselwirkung« des Museums für Naturkunde.
Kommunismus ? Totalitarismus ? Demokratie
Gert-Joachim Glaeßner
Heft 4/96, S. 34-38.
abstract
Die Folgen des Systemumbruchs von 1989, der das Ende des
Kommunismus in Europa, der Spaltung Europas und Deutschlands und den
Zerfall der Weltmacht Sowjetunion zur Folge hatte, beschäftigen
Wissenschaftler in aller Welt. In der neueren politik- und
sozialwissenschaftlichen Forschung stehen Fragen der »transition to
democracy«, des Übergangs von Diktaturen zu liberalen Demokratien im
Mittelpunkt des Interesses. ? Nachdem die westlichen Politik- und
Sozialwissenschaftler sich nach 1989 des Themas bemächtigt hatten,
herrschte anfangs die Einstellung vor, daß es sich bei der Etablierung
von Demokratie und Marktwirtschaft in den ehemaligen sozialistischen
Ländern um einen relativ kurzen, unumkehrbaren, wenngleich von
ökonomischen, sozialen und möglicherweise politischen Krisen
begleiteten Prozeß handeln werde. ? Die Hindernisse auf dem Weg zur
Demokratie haben sich aber als höher erwiesen als vermutet, die
Erfolge der Post-Kommunisten bei demokratischen Wahlen haben Zweifel an
der Gradlinigkeit des Weges aufkommen lassen, und die verbreitete
Verklärung der alten Zeit vor 1989 verwirrt viele Beobachter. Die
Schwierigkeiten der Demokratie nach dem Ende des Kommunismus werten die
Frage nach dem fortwirkenden Erbe des kommunistischen Herrschafts- und
Gesellschaftssystems auf.
Schwache Akteure in einem instabilen Umfeld. Sozialwissenschaftliche Analysen der osteuropäischen Parteien
Dieter Segert
Heft 4/96, S. 40-43.
abstract
Angesichts der bald nach 1989 sichtbar werdenden starken
Frustration und Konflikte in Osteuropa richten sich viele Analysen des
politischen Wandels in diesem Raum auf mögliche Bedingungen für eine
dauerhafte Konsolidierung der fragilen Demokratien. Zusammen mit
osteuropäischen Kollegen ist am Institut für Sozialwissenschaften der
Humboldt-Universität erforscht worden, auf welcher Grundlage
politische Parteien entstanden und wie stabil jene in den
entsprechenden Gesellschaften verankert sind. Einige Ergebnisse dieses
Projekts werden in diesem Beitrag vorgestellt und kommentiert.
Der Engel der Verkündigung. Mediengeschichte im Bild
Horst Wenzel
Heft 4/96, S. 44-50.
abstract
Mit dem Siegeszug der neuen Medien haben wir den Weg in ein
?ikonisches? Zeitalter eingeschlagen. Die Dominanz der Bilder bewirkt
auch in den Literaturwissenschaften eine Relativierung der Schrift und
hat unter historischer Perspektive die Frage nach der Materialität der
Kommunikation neu motiviert. Am Ende des Gutenberg-Zeitalters
konstatieren wir ein verstärktes Interesse für das Zeitalter vor
Gutenberg, für Prozesse des Hörens und Sehens unter den Bedingungen
von Mündlichkeit und Schriftlichkeit, den Zusammenhang von Schrift und
Aufführung und das Verhältnis von Text und Bild. Als Resümee
zahlreicher Studien setzt sich die Einsicht durch, daß der
neuzeitlichen Tendenz zur Audiovisualität der Kommunikationsmedien
eine mittelalterliche Interdependenz der Schrift- und Bildverwendung
entspricht (H. Wenzel, 1995). Der vorliegende Beitrag geht aus von
allgemeinen Überlegungen und untersucht in einer Fallstudie die
Repräsentation der akustischen und der optischen Wahrnehmung im
Schauraum von Schrift und Bild.
Das Projekt WISTA: Wohnen im Stadtteil für Erwachsene, die als schwer geistig behindert gelten
Ute Fischer/Martin Th. Hahn
Heft 4/96, S. 52-57.
abstract
Die Zielsetzung des Projekts WISTA hat eine praktische und eine
wissenschaftliche Komponente. Auf der Praxisebene soll unter
überwiegend vorhandenen Gegebenheiten »Wohnen im Stadtteil« für
Menschen mit schwerer geistiger Behinderung unter Umgehung stationärer
Großeinrichtungen bestmöglich realisiert werden. Auf der
wissenschaftlichen Ebene werden Parameter für kommunale und staatliche
Entscheidungsträger entwickelt, die zur Normalisierung der
Wohnsituation Betroffener beitragen sollen. Im Mittelpunkt der
Untersuchungen stehen u.a.: die Ermittlung und Dokumentation von
Bedürfnissen geistig behinderter Bewohner/Bewohnerinnen, die
Entfaltung ihrer Autonomie, Fördermöglichkeiten im Alltag,
Bewältigung von Krisensituationen, die Akzeptanz im Wohnumfeld und die
Situation der Mitarbeiter/Mitarbeiterinnen. Das Projekt wird vom
Bundesministerium für Gesundheit gefördert. Verlauf und vorläufige
Erkenntnisse des Forschungsvorhabens, das im Dezember 1997
abgeschlossen sein wird, werden im vorliegenden Beitrag
dargestellt.
Romanische Literaturen ? Von Boccaccio bis Beckett
Peter Brockmeier
Heft 4/96, S. 58-60.
abstract
Die Aufgaben einer Professur für romanische Literaturen an der
Humboldt-Universität zu Berlin wahrzunehmen ist eine anspruchsvolle
Verpflichtung. Auch wenn es in Vergangenheit und Gegenwart unter meinen
akademischen Lehrern und Kollegen Sprachkundige gegeben hat und gibt,
die mühelos aus einem portugiesischen in einen rumänischen,
italienischen oder französischen Satz zu wechseln fähig waren oder es
immer noch sind, wird man heutzutage unter literaturwissenschaftlicher
Kompetenz nicht unbedingt mehr dies, sondern etwas anderes verstehen:
den vertrauten Umgang mit möglichst vielen bedeutenden oder nur
bekannten Texten aus allen Epochen einer Nationalliteratur in der
Originalsprache. Was dieser Blickwechsel für Lehre und Forschung
bedeutet, wird in diesem Beitrag skizziert.