„Wir brauchen als Gesellschaft konkrete Lösungen, um den komplexen Herausforderungen und Krisen der Zeit zu begegnen“
Herr Schneider, die Berlin University Alliance erforscht in den „Grand Challenges“ globale Herausforderungen, die nur mit vereinten Kräften und über Fächergrenzen hinweg gelöst werden können. „Social Cohesion“ und „Global Health“ waren die ersten beiden Forschungsprogramme. Nach dem dritten großen Forschungsthema – der Next Grand Challenge – wurde lange und mit einem aufwendigen Beteiligungsverfahren gesucht. Warum?
Bei der Bearbeitung der drängenden globalen Herausforderungen gibt es eine Vielzahl von Themen, die wir innerhalb der BUA gar nicht alle bearbeiten können. Wir wollten daher nach den ersten beiden von uns gesetzten Grand Challenges „Social Cohesion“ und „Global Health“ aktiv Vorschläge sammeln von Berliner Schüler*innen, Studierenden und weiteren Akteur*innen aus Politik, Kultur, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Es sind Fragen und Probleme, deren Lösung den Menschen in Berlin in besonderer Weise am Herzen liegt und die direkt vor Ort besondere Relevanz haben. Während des gesamten Forschungsprozesses – von der Ausarbeitung der Fragestellungen bis zur Veröffentlichung und Umsetzung von Forschungsergebnissen – tauscht sich die Wissenschaft fortlaufend, direkt und eng mit Beteiligten und Betroffenen aus. Darin liegt ein großes Potenzial, das wir in der BUA nutzen wollen. Der Beteiligungsprozess, in den sich insgesamt 370 Menschen einbrachten, war ein erfolgreicher erster Schritt. Jetzt wollen wir das neue Thema in die BUA hineintragen.
Nun ist das Thema ausgewählt worden und heißt „Responsible Innovation in Times of Transformation“. Was können wir uns darunter vorstellen? Um welche Forschungsfragen geht es?
Für mich liegt der Reiz dieser Themensetzung in der Kombination der Begriffe Innovation und Transformation, für die die BUA sich bewusst entschieden hat: Unter der "Transformation" wird in vielen Kontexten der Wandel zur umfassenden Nachhaltigkeit im Sinne der 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen verstanden. Diese Transformation ist aber nicht unabhängig von der ebenfalls stattfinden digitalen Transformation zu denken. Die Transformation, oder besser die Transformationen der kommenden Jahrzehnte, sind ein sozial-ökonomischer Prozess, in dem Innovationen ganz zentral sind. Es geht darum, sowohl technische als auch soziale Innovationen verantwortungsvoll und nachhaltig wirkend einzusetzen. Wir brauchen als Gesellschaft konkrete Lösungen, um den komplexen Herausforderungen und Krisen der Zeit zu begegnen. Dafür wird sowohl Grundlagen- als auch Anwendungsforschung aller Wissenschaftszweige – von der Mathematik bis zu den Rechtswissenschaften, von der Bildungsforschung bis zur Robotik benötigt, um beispielhaft einige Bereiche zu nennen, die vielleicht nicht zuerst mit unserer Next Grand Challenge verbunden werden. Wir benötigen – auf der Metaebene – auch Forschungsansätze, die den schnelleren Transfer von der Grundlagen- über die Anwendungsforschung bis zur Innovation ermöglichen.
In den kommenden Jahren sind weltweit Veränderungen notwendig, um die globalen Krisen zu meistern und eine lebenswerte Zukunft zu sichern. Wie kann Forschung dazu beitragen, dass die dafür notwendige Transformation gelingt?
Die Forschung zu den Grand Challenges der BUA setzt genau hier an. Es geht darum, gemeinsam und über Fächer – und Institutionengrenzen hinweg die Kräfte zu bündeln und die Transformation durch inter- und transdisziplinäre Prozesse gemeinsam mit der Gesellschaft zu gestalten. Um nicht nur die Berliner Perspektive zu berücksichtigen, entwickeln wir in der BUA die Zusammenarbeit mit Forscher:innen aus dem globalen Süden weiter und suchen auch aus internationaler Perspektive nach Lösungen für eine lebenswerte Zukunft.
Was sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen auf diesem Weg?
Wir möchten so viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wie möglich motivieren, sich bei der dritten Grand Challenge einzubringen. Um Interessierte mit unseren Förderformaten vertraut zu machen und bei der Bildung von Konsortien zu unterstützen, wird die BUA verschiedene Veranstaltungen zur Vernetzung, Antragsberatung und zum Matching verschiedenster Akteurinnen und Akteure, sowohl aus der Wissenschaft, als auch darüber hinaus, organisieren. Aus dem Team der Labs für transdisziplinäre Forschung im Rahmen des BUA-Schwerpunkts „Knowledge Exchange“ wird es Unterstützung für die Ausgestaltung transdisziplinärer Forschungsagenden geben. Die transdisziplinäre Interaktion wird in dieser dritten Grand Challenge eine noch größere Rolle spielen als in den vorangegangenen.
Wie geht es nun weiter? In welcher Form soll die Forschung zur Next Grand Challenge in den kommenden Jahren gefördert werden?
Wir sind noch mitten in der Ausarbeitung der Förderformate der neuen Grand Challenge. Fest steht, dass es auf jeden Fall eine Phase zur Themenschärfung und eine Explorationsphase geben wird. Der Call zur Explorationsphase wird im Laufe des kommenden Wintersemesters und für mehrere Monate online gehen, damit genug Zeit ist, dass sich Teams zu jeweils eigenen, passenden Forschungsagenden bilden können. Das Zwischenziel der Explorationsphase im Zuge der laufenden Förderperiode der Berlin University Alliance ist die Ausarbeitung und Implementierung einer Einstein Research Unit (ERU), gefördert durch die Einstein Stiftung Berlin. Die ERU wird dann zum Hub für zukünftige, skalierende Forschungsformate. In diesen werden Wissenschaft und Gesellschaft in Berlin an einem Strang für „Responsible Innovation in Times of Transformation“ ziehen.