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Wem gehört die Welt? Folge 3: Manche Familienmitglieder sind gleicher als andere

Der Soziologe Philipp Lersch untersucht soziale Ungleichheiten: zwischen den Geschlechtern, beim Vermögensaufbau, auf dem Arbeitsmarkt. Familienstrukturen spielen dabei eine zentrale Rolle.

Frau mit Kind am Strand bei Sonnenuntergang
Frau mit Kind am Strand bei Sonnenuntergang
Foto: Pixabay

Unser Sommerthema widmet sich dem Eigentum. Wem gehören zum Beispiel die Luft, das Klima, unsere Städte – oder das Wasser? Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der HU forschen dazu. Folge 3 mit dem Soziologen Phillip Lersch.

Fragt man Philipp Lersch, ob Kinder eine Bereicherung für ihre Eltern sind, gibt er eine zwiespältige Antwort. Einerseits kommt ein klares „Ja“ – mit Blick auf die menschlichen Facetten des Lebens. Doch dann weist er auf eine weitere Seite hin – die finanzielle: „Frauen, die Kinder bekommen, müssen mit Einbußen beim Vermögensaufbau rechnen.“ Zu diesem Ergebnis ist der Soziologe mit Kollegen im Zuge einer Studie gekommen. „Dass Mütter beruflich oft kürzertreten müssen und daher im Schnitt weniger verdienen als kinderlose Frauen, haben zwar schon zahlreiche Untersuchungen belegt“, sagt Lersch. „Die genaue Vermögenssituation ist hingegen bislang kaum erforscht worden.“

Um herauszufinden, wie es in der Realität um die Vermögensverhältnisse von Müttern bestellt ist, hat Lersch mit seinem Team Daten des Sozio-oekonomischen Panels analysiert, einer repräsentativen regelmäßig wiederholten Befragung von über 12.000 Privathaushalten in Deutschland. Das Ergebnis: „Wenn man andere relevante Faktoren wie die Ausbildung, den Beruf der Eltern oder den Wohnort herausrechnet, wächst das preisbereinigte persönliche Nettovermögen von Müttern signifikant langsamer als das von kinderlosen Frauen“, erläutert der Soziologe. „Bei Männern, die Vater werden, ist hingegen kein vergleichbarer Effekt nachweisbar.“ Ein Drittel der Differenz zwischen den Frauen mit und ohne Nachwuchs könne den Berechnungen zufolge damit erklärt werden, dass Mütter weitaus seltener Vollzeit arbeiten. Besonders schlecht dran sind Frauen, die überdurchschnittlich früh ihr erstes Kind bekommen, und alleinerziehende Mütter. Lerschs Fazit: „Das traditionelle Rollenmodell mag zwar theoretisch die Effizienz und das Vermögen auf Haushaltsebene erhöhen, aber die Frauen schneiden offenkundig schlecht ab, wenn es darum geht, die Früchte der Arbeitsteilung zu verteilen.“

In seiner gesamten Forschungsarbeit befasst sich der Wissenschaftler mit sozialen Ungleichheiten. Im Zentrum stehen dabei vor allem Geschlechterunterschiede, Vermögensungleichheiten sowie unterschiedliche Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Ihn interessieren, wie Prozesse innerhalb von Familien sich darauf auswirken. So, wie es einen Unterschied macht, welches Geschlecht man hat – vor allem, wenn man sich dafür entscheidet Kinder zu bekommen –, gibt es auch viele andere relevante Faktoren. Für den Werdegang der Kinder etwa ist relevant, über wie viel Geld ihre Eltern verfügen und welche Bildung sie genossen haben. Immer mehr Menschen sorgen sich um ihre Jobperspektive, in Folge um ihre finanzielle Situation bis hin zur Rente. Damit ist auch die gesellschaftliche Diskussion über solche Zusammenhänge im Laufe der vergangenen Jahre intensiver geworden.

„Zu große Ungleichheiten gefährden den gesellschaftlichen Zusammenhalt“

Zu diesem aktuellen Thema ist Lersch im Mai auf die neue Stiftungsprofessur zur Soziologie der Sozialpolitik berufen worden, einem Kooperationsprojekt der Humboldt-Universität, des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung und des dort ansässigen Sozio-oekonomischen Panels. In der ersten Förderperiode wird die Professur vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales mit mehr als einer Million Euro gefördert. Ziel ist es, einen Beitrag zur Stärkung des Forschungsschwerpunktes Sozialpolitik an deutschen Hochschulen zu leisten. „Die Forschungsarbeiten basieren auf zwei grundlegenden Perspektiven“, erläutert der Soziologe. „Einerseits geht der Blick auf Strukturen und Entwicklungen innerhalb von Generationen, andererseits auch über Generationen hinweg.“ Dabei werden sowohl der Kontext verschiedener Wohlfahrtstaaten berücksichtigt als auch demographische Veränderungen.

Bei der Untersuchung von sozialen Fragen, Ungleichheit und Gender-Aspekten sind auch nationale Unterschiede relevant. Sie können etwa fiskalischer Natur sein – und damit auch die Kultur eines ganzen Landes prägen. Beispiel Großbritannien, wo Haushalte bei der Besteuerung eine deutlich geringere Rolle spielen als in Deutschland, stattdessen steht die Individualbesteuerung im Vordergrund. „Dort haben verheiratete Frauen mit Kindern mehr Anreize, individuell zu sparen“, so Lersch. „Solche Umstände können das Bewusstsein prägen und wirken sich auf das Verhalten aus.“ Dass es dabei nicht immer rational zugeht, erläutert der Soziologe an der hiesigen Debatte über die Erbschaftssteuer. Gerade dieses Instrument sei geeignet, soziale Ungleichheit, die sich über mehrere Generationen verstärkt, in Teilen abzumildern. „Doch obwohl kaum jemand davon persönlich betroffen ist, regt eine große Mehrheit sich darüber auf“, so Lersch. Das müsse hinterfragt werden, denn „zu große Ungleichheiten gefährden auf Dauer den gesellschaftlichen Zusammenhalt.“

Autor: Lars Klaaßen