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Das Wunder des Lichts

Interview mit dem Rabbiner Dr. Daniel Fabian vom Zentralinstitut für Katholische Theologie der HU über die Bedeutung von Chanukka

Vom 18. bis 26. Dezember feiern Jüdinnen und Juden Chanukka. Im Interview spricht Dr. Daniel Fabian, warum Chanukka gefeiert wird, die Bedeutung des Festes und ob es Parallelen zu Weihnachten gibt.

Der Rabbiner Dr. Daniel Fabian ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Nikolaus-Cusanus-Lehrstuhl für Theologie der Religionen des Zentralinstituts für Katholische Theologie (IKT) der Humboldt-Universität zu Berlin. 

Warum wird Chanukka gefeiert? Und wie feiert man es?

Dr. Daniel Fabian: Im Vordergrund steht das Wunder des Lichtes, beziehungsweise des Öls. Im Jahr 164 vor Chr. wurde das antike Israel von griechischen Eroberern, den Seleukiden und den Hellenen, besetzt. Diese haben den Tempel, der sich in Jerusalem befand, entweiht und dort Götzen aufgestellt. Somit war der Tempeldienst nicht mehr möglich. Nachdem es die Juden geschafft hatten, sich von dieser Herrschaft zu befreien, haben sie begonnen, den Tempel wieder einzuweihen. Und das bedeutet das Wort „Chanukka“, nämlich eine Wiedereinweihung oder eine Einweihung. Zum Zweck dieser Einweihung wollten sie auch den siebenarmigen Leuchter, die Menora, wieder zünden. Die Menora wurde im damaligen Gottesdienst zweimal täglich gezündet, einmal morgens und einmal nachmittags. Um den Leuchter anzuzünden benötigte man spezielles Olivenöl, das gepresst wurde und frei von jeglicher Verunreinigung gewesen ist. Im Tempel fanden sie jedoch kein Öl, mit dem die Menora angezündet werden konnte. Aber sie fanden ein einzelnes kleines Kännchen mit Öl. Auf diesem Kännchen war noch das Siegel des Hohepriesters, das seine Reinheit belegt hat, zu finden. Daraufhin haben sie dieses Kännchen Öl in die Menora eingefüllt und gezündet. Gleichzeitig haben sie sich auf den Weg gemacht, um neues Öl für dieses speziell reine Olivenöl herzustellen. Bis sie neues Öl erhalten haben, hat es acht Tage gedauert.

Das Wunder von Chanukka, welches wir zelebrieren, ist dass dieses Öl acht Tage lang gehalten hat, obwohl es eigentlich nur für einen Tag ausgelegt war. Das war das Wunder des Lichts. Wir spiegeln dieses Wunder wider, indem wir auch einen Leuchter aufstellen. Jede Familie stellt solch einen Leuchter bei sich zu Hause ins Fenster, um das Wunder öffentlich zu machen, und zünden ihn an. Dieser Leuchter ist allerdings neunarmig – acht Arme für jeden Tag, den das Wunder angedauert hat und im neunte Arm stellt man einfach nur eine Kerze hinein, mit der man die anderen anzündet. Dieser neunarmige Leuchter nennt sich Chanukkia, also ein Channukkaleuchter. Am Abend, wenn es dunkel ist, versammelt sich die ganze Familie am Fenster und zündet am ersten Abend von Channuka eine Kerze, am Zweiten zwei Kerzen und so weiter, bis am achten und letzten Tag des Festes alle Kerzen angezündet sind.

Chanukka ist meistens im Dezember, aber oft an unterschiedlichen Tagen. Woran liegt es, dass es für Chanukka kein feststehendes Datum gibt?

Das liegt daran, dass wir heute, heute heißt seit ungefähr 1.100 Jahren, einen lunisolaren Kalender benutzen. Das ist eine Kombination aus Mond und Sonnenkalender. Der Mond-Monat hat 29,5 Tage, im Gegensatz zu den etwa 30,25 Tagen des gregorianischen Kalenders. Dadurch ergibt sich eine Differenz, die dazu führt, dass das Datum nicht immer am gleichen Tag ist.

Der lunisolare Kalender nimmt Rücksicht auf das Sonnenjahr, in dem es keinen Schalttag gibt.  Dafür gibt es einen Schalt-Monat an neun von 17 Jahren, der das Ganze wieder ausgleicht. Das führt dazu, dass alle jüdischen Feiertage nie am gleichen gregorianischen Datum stattfinden. Chanukka fällt dabei meistens in den Dezember.

Welche Bedeutung hat Chanukka heute noch für Jüdinnen und Juden?  

Das Wunder des Lichts ist, die Dunkelheit zu erleuchten. und sich an der Welt zu beteiligen. Das Licht repräsentiert viele Dinge, es steht für Weisheit, Wissen und Erleuchtung. Es ist aber auch ein Symbol der Hoffnung.

Hoffnung ist gerade in Krisenzeiten wichtig und hat gerade jetzt eine besondere Bedeutung.

Genau. Es erinnert uns daran, dass man in der tiefsten Dunkelheit noch Licht sehen kann und dass wir vieles selbst in der Hand haben. Wir müssen das Licht zünden und erleuchten. Es reicht nicht, Öl und ein Streichholz zu haben – es bedarf der Menschen, die das Licht zünden und damit anderen Hoffnung geben.

Sowohl Chanukka und als auch Weihnachten werden im Dezember gefeiert – die Feste haben aber eigentlich nichts miteinander zu tun. Gibt es dennoch Parallelen?

Inhaltlich gibt es kaum Parallelen, obwohl bei beiden Festen Hoffnung eine große Rolle spielt. Interessanterweise hat es sich darüber hinaus eingebürgert, dass Kinder wie an Weihnachten auch zu Chanukka beschenkt werden.  Allerdings gibt man in traditionellen Familien den Kindern idealerweise jeden Tag, also acht Tage lang, kleinere Geschenke. Worin sich beide Feste allerdings gleichen ist, dass sie Familien-Feiertage sind. Man kommt zusammen, um als Familie die Chanukkia zu zünden und verbringt anschließend Zeit miteinander und spielt zum Beispiel zusammen das traditionelle Spiel Sewiwon.

Wie spielt man Sewiwon?

Sewiwon ist ein kleiner Kreisel mit vier Seiten, auf denen vier verschiedene Buchstaben abgebildet sind. Das Spiel damit geht folgendermaßen: Man hat Süßigkeiten oder andere Spielsteine und dreht reihum den kleinen Kreisel. Je nachdem welcher Buchstabe drankommt, bekommt man die doppelte Menge vom Einsatz, die halbe Menge oder verliert seinen Einsatz und damit sein Spiel. Das Wort Sewiwon, vom hebräischen Wort sawiw, bedeutet umrunden und umdrehen. Auf Jiddisch heißt es Dreidel. Der Grund, warum wir das Spiel spielen, beruht auf der jüdischen Geschichte: Zur Zeit der Hellenisten war das Studieren der Tora verboten. Um die Eltern rechtzeitig vor Patrouillen zu warnen, die regelmäßig kontrollierten, dass Jüdinnen und Juden die Tora nicht studierten, spielte die Kinder auf der Straße dieses Spiel. Immer dann, wenn eine Patrouille kam, sagten sie „Wir spielen nur dieses Spiel“ und warnten so ihre Eltern, die noch schnell die Bücher wegräumen konnten. Aus diesem Grund spielen wir Sewiwon an Chanukka bis heute.

Was können Christinnen und Christen vom Chanukka-Fest lernen oder welche Tradition könnte sie inspirieren?

Wenn dann die inhaltliche Idee, Licht in die Welt zu bringen und sich der Verantwortung bewusst zu werden, die jeder einzelne Menschen hat. Jeder ist dafür verantwortlich, Licht in die Welt zu tragen.

Die Fragen stellte Kathrin Kirstein.