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„Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“

Prof. Dr. Patrick Hostert ist zum zweiten Mal ins US-Landsat-Programm berufen worden – es nimmt die Erde von oben auf

Dass Patrick Hostert einmal ins Wissenschaftsteam der wichtigsten Erdbeobachtungsmission der Welt berufen würde, dem Landsat-Programm des U.S. Geological Survey und der Raumfahrtbehörde NASA, hätte er als Student niemals gedacht. „Mein Professor sagte mir, Fernerkundung sei nichts für mich“, erinnert er sich heute. Der Wissenschaftler kann nicht räumlich sehen, die Auswertung von dreidimensional wahrnehmbaren Stereobildern gehörte in den 80er Jahren an der Universität Trier jedoch zur Studienordnung für Geographie. So spezialisierte sich Hostert zunächst auf Geoinformationssysteme, aber als die Studienordnung geändert wurde, kehrte er zu seinem Traum zurück.

Video-Interview: Dr. Anne Tilkorn

Mittlerweile blickt Patrick Hostert auf fast 30 Jahre Fernerkundung zurück. Seit 2002 ist er Professor an der Humboldt-Universität, wo er seit 2006 das von ihm gegründete Geomatics Lab am Geographischen Institut leitet. Zudem ist er Direktor des Integrativen Forschungsinstituts zu Transformationen von Mensch-Umwelt-Systemen (IRI THESys), wo disziplinübergreifend über und für globale Nachhaltigkeit geforscht wird. Zusammen mit seinem Team untersucht Hostert globalen Landnutzungswandel mit Hilfe hochauflösender Satellitenbilder aus dem All. Er ist überzeugt: „Ein Satellitenbild sagt mehr als tausend Worte. Gut ausgewählte Bilder öffnen Türen und bringen Menschen zusammen, weil sie die Dinge auf den Punkt bringen und auch für Außenstehende anschaulich machen.“

„Wir können zusehen, wie die Regenwälder am Amazonas schrumpfen"

Das Potenzial der Fernerkundung zeigt sich für ihn vor allem anhand zweier Aspekte. Zum einen lassen sich mit dieser Methode mehrere Phänomene gleichzeitig beobachten, wie etwa Gebäudestrukturen in der Stadt und ausgedehnte Felder im Umland, da ein Satellitenbild Flächen von mehreren 10.000 Quadratkilometern erfasst und das innerhalb weniger Sekunden. Zum anderen ermöglichen die Bildarchive eine Rückschau über lange Zeiträume hinweg. Die Auswertung von Zeitreihen zielt dann meistens auf die Erstellung von Veränderungskarten ab, die sichtbar machen, wie sich eine Region über Jahre und Jahrzehnte gewandelt hat in der Regel unter menschlichem Einfluss. „Wir können zusehen, wie die Regenwälder am Amazonas oder die letzten verbliebenen Urwälder in den Karpaten schrumpfen. Die Folgen für Ökosysteme und das Klima sind katastrophal“, berichtet der Experte.

Der Wissenschaftler richtet seinen Blick aber auch direkt vor die Haustür. In Brandenburg liegt einer der Schwerpunkte des frisch gestarteten Projekts „SattGrün“. Hostert wird dort in den nächsten drei Jahren Verfahren entwickeln, die es Behörden und Landwirten erlauben, ihre Maßnahmen in der Grünland-Bewirtschaftung besser zu bewerten. „Wann ist der richtige Zeitpunkt für Düngung oder Mahd? Was bedeutet das für den Artenschutz, was für den Kohlenstoffspeicher des Bodens? Ursache und Wirkung mit den tatsächlichen Flächen zusammenzubringen, ist unsere Aufgabe“, erklärt er.

Satelliten- und Felddaten zusammenbringen

Wie aber sieht der Arbeitsalltag eines Fernerkundlers aus? Vor dem Umgang mit großen Datenmengen sollte man sich nicht fürchten. „Wir nutzen derzeit fast ein halbes Petabyte Speicherplatz, das ist unvorstellbar viel“, sagt Hostert. In seiner Abteilung wird am Ende die Software geschrieben, mit deren Algorithmen Satellitenbilder automatisiert ausgewertet werden können und das für Milliarden von Pixeln. Der Blick auf den Bildschirm reicht aber nicht immer aus, im Gelände stecken die Details. Deshalb ist Hostert mit seinen Studierenden auch regelmäßig auf Exkursion oder beim Geländepraktikum. „Sie werten vor den Geländearbeiten Satellitenaufnahmen aus und überprüfen dann vor Ort ihre eigenen Analysen. So lernen sie, Satelliten- und Felddaten zusammenzubringen.“

Sein erstes satellitengestütztes Projekt hat er als 23jähriger Geographiestudent in einem Praktikum bewältigt. „Damals hatten die ersten Telekommunikationskonzerne gerade damit begonnen, das Mobilfunknetz in Deutschland aufzubauen“, erinnert er sich. „Ihnen fehlte aber eine Landbedeckungskarte, mit deren Hilfe die Sendemasten positioniert werden konnten.“ An dieser Karte hat Hostert mitgearbeitet und dafür sogar ein Semester an der Universität sausen lassen.

Synergien ermitteln

Seit Anfang des Jahres ist Patrick Hostert Mitglied im Wissenschaftsteam von Landsat (2018-2023) und das bereits zum zweiten Mal infolge. Seine Aufgabe dort ist, Synergien zwischen Landsat und anderen Satellitenprogrammen zu ermitteln, konkret mit dem Sentinel-Programm der Europäischen Weltraumorganisation ESA und der künftigen deutschen EnMAP-Mission. „Wir wollen anwenderbezogene Verfahren entwickeln, die die verschiedenen Satellitenprogramme mit ihren Datenreihen sinnvoll kombinieren“, so der Experte. Wenn beispielsweise Grünlandflächen extensiviert, also weniger stark genutzt werden sollen, um die Artenvielfalt zu schützen, wie es in den aktuellen EU-Rahmenbedingungen für die Landwirtschaft vorgesehen ist, dann helfen Satelliten dabei, entsprechende Maßnahmen und ihre Erfolge überhaupt zu bewerten. Und je mehr verfügbare Daten, umso besser. „Dass wir da mitmachen, ist eine Auszeichnung und beweist Vertrauen in unsere Forschung“, freut sich Patrick Hostert.

Autorin: Anne Dombrowski