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Wie die Europäische Energiepolitik die Wälder der Erde gefährdet

Zwei HU-Wissenschaftler sind Mitautoren eines Kommentars zur Neufassung der Erneuerbaren-Energie-Richtlinie

Holzhändlerdorf in den Karpaten
Holzhändlerdorf in den Karpaten, Foto: Monica Vasile

Ende Juni 2018 haben sich die Mitgliedsstaaten im Rat der Europäischen Union auf eine Neufassung der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie verständigt. Die EU verfolgt damit grundsätzlich das Ziel, die Pariser Klimaziele einzuhalten und erhöht daher das Ambitionsniveau für erneuerbare Energien. In Bezug auf die Nutzung von Biomasse werden dabei allerdings falsche Signale gesetzt, zu diesem Schluss kommen zwei Wissenschaftler der Humboldt-Universität zu Berlin (HU) in einem kürzlich erschienenen Kommentar in der Fachzeitschrift Nature Communications, den sie gemeinsam mit Kollegen der Princeton University publiziert haben. Anders als bisher, soll die Biomassenutzung nicht mehr nur auf Abfälle und Reststoffe begrenzt sein. Künftig können vielmehr ganze Bäume als klimaneutral angerechnet und verbrannt werden. Damit werde, so die Wissenschaftler, ein Anreiz geschaffen, vermehrt Biomasse zu importieren und die weltweite Entwaldung weiter voranzutreiben.

„Das ist absurd angesichts gleichzeitiger Bemühungen, Waldschutz durch Papierrecycling zu fördern und weltweit die Wälder stärker zu schützen", so der Umweltwissenschaftler Dr. Tim Beringer, einer der Autoren und derzeit Gastwissenschaftler am Integrativen Forschungsinstitut zu Transformationen von Mensch-Umwelt-Systemen (IRI THESys) an der HU. Auch sein Kollege, der Experte für Erdsystemanalyse Prof. Dr. Wolfgang Lucht vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und gleichzeitig Professor am Geographischen Institut der HU, pflichtet bei: „Klimaschutz und Waldschutz gehen Hand in Hand. Die Wälder der Erde dürfen daher nicht dem Raubbau im Namen angeblich klimaneutraler Bioenergie aus Holz zum Opfer fallen. Genau dies erlauben aber die neuen Regelungen. Die notwendige Energiewende muss auf Vermeidung, Effizienz, solare Energie und einen gewissen Anteil an Windkraft setzen und nicht auf Biomasse aus Holz.“

Das von der Politik bemühte Argument der Kohlenstoffneutralität der Wälder baue auf der Annahme auf, dass für jeden gefällten Baum ein neuer Baum gepflanzt werde, der den verlorenen Kohlenstoff während seines Wachstums wieder aufnimmt – was in der Realität jedoch allzu oft nicht eingehalten werde, so die Wissenschaftler. „Dass deutlich mehr Wälder gerodet als aufgeforstet werden und die weltweiten Waldflächen entsprechend schrumpfen, ist mit Zahlen sehr gut belegt“, sagt Tim Beringer. Selbst wenn es zur Wiederaufforstung komme, dauere es Jahrzehnte bis Jahrhunderte, bis der Wald die einstigen Kohlenstoffspeicher in Pflanzen und Böden wieder aufgebaut habe.

Holz ist zudem kein guter Energiespeicher, weshalb große Mengen nötig sind, um den Anteil erneuerbarer Energien deutlich zu steigern. „Die notwendige Menge Holz, um nur etwa fünf Prozent des zukünftigen Energiebedarfs Europas zu decken, entspricht der gesamten heutigen Holzernte in der EU. Weil die Wälder Europas die Nachfrage nicht werden decken können und die Holzernte hier strengeren Bedingungen unterliegt, ist bereits jetzt zu erwarten, dass vermehrt Holz importiert wird – was die Wälder anderswo auf der Erde gefährdet“, so Beringer. Eine bedenkliche Entwicklung, denn einmal etablierte Märkte sind schwer zu regulieren. Auch andere Länder wie Brasilien und Indonesien haben angekündigt, mehr Holz zur Energieproduktion verwenden zu wollen, um dem Klimawandel vermeintlich entgegenzuwirken.

Publikation

Europe’s renewable energy directive poised to harm global forests.
Nature Communications (2018). DOI: 10.1038/s41467-018-06175-4.

Kontakt

Tim Beringer
IRI THESys
Humboldt-Universität zu Berlin

tim.beringer@hu-berlin.de

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Pressesprecher der Humboldt-Universität zu Berlin

Tel.: 030 2093-2677
hans-christoph.keller@hu-berlin.de