Unkontrollierte Landnutzung gefährdet die Vielfalt der Tierarten
Abholzung im Chaco in Südamerika, Foto: Oscar Rodas
Die Frage, wie man die Welt ernährt, ohne sie zu zerstören stellt eine der großen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts dar. Die Weltbevölkerung steigt an und Konsummuster verändern sich, und damit die Nachfrage nach Agrargütern. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Humboldt-Universität zu Berlin (HU) und nationale und internationale Kolleginnen und Kollegen zeigen in einer Studie, welche weitreichenden Folgen die Ausweitung der Agrarproduktion für die Artenvielfalt des Planeten haben könnte. Diese Folgen sind insbesondere in den Tropen, den empfindlichsten Regionen auf unserem Planeten, wo bis zu einem Drittel der Wildtiere zukünftig verloren gehen könnte, zu spüren. Der Beitrag, der in der aktuellen Ausgabe von Nature Ecology und Evolution, veröffentlicht wurde, gibt eine Vorschau darauf, wo und wie die Tierwelt durch solche Veränderungen am meisten gefährdet ist. Die neue Forschungsarbeit wurde unter der Leitung von Laura Kehoe und Tobias Kuemmerle am Institut für Geographie der HU erstellt.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler stellen fest, dass vor allem Afrika südlich der Sahara noch große Potenziale für die Steigerung landwirtschaftliche Produktion aufweist, einerseits der Intensivierung von bestehenden landwirtschaftlichen Flächen und anderseits der Umwandlung natürlicher Ökosysteme in neue Agrarflächen. Diese Region ist ein Schnittpunkt des wirtschaftlichen, demographischen und landwirtschaftlichen Wachstums, und beheimatet einige der ärmsten Länder unsere Erde, die dringend auf eine Steigerung der Versorgung mit Nahrungsmitteln angewiesen sind. Gleichzeitig könnten die Umweltauswirkungen einer steigenden Agrarproduktion gerade in Afrika verheerend sein: Tatsächlich sind in Afrika südlich der Sahara im Vergleich zu Lateinamerika nur die Hälfte der möglichen landwirtschaftlichen Flächen momentan in Schutzgebieten geschützt.
Neben Afrika werden Wildtiere voraussichtlich am drastischsten in den verbleibenden Naturgebieten Lateinamerikas verloren gehen. „Wir versuchen diesen Rückgang der Tierwelt global mit einer bisher nicht erreichten räumlichen Genauigkeit von 1 km2 abzuschätzen. Wir können dies, weil wir auf neue Datensätze über Landnutzung und biologische Vielfalt zurückgreifen können, die ihrerseits auf Tausenden von Studien auf der ganzen Welt fußen“, erklärt Kehoe. Der Ort mit dem nach dieser Studie höchstem Gefährdungspotenzial liegt nach ihren Berechnungen im peruanischen Amazonas, wo infolge landwirtschaftlicher Expansion und Intensivierung bis zu 317 Arten verloren gehen könnten.
Die Studie zeigt zudem auf der Ebene einzelner Länder, was Nationen tun können um diesen Artenverlust zu verhindern – sowohl indem sie Land schützen als auch dadurch, dass sie Wege finden, um Lebensmittel auf nachhaltige Weise anzubauen. Eine Reihe von Ländern in Lateinamerika wie Surinam, Guyana und vor allem in Afrika südlich der Sahara wie der Republik Kongo, stehen bei starkem landwirtschaftlichen Wachstum, geringer Investition in Naturschutz und einer sehr hohen Anzahl von Arten, die aufgrund landwirtschaftlicher Entwicklung möglicherweise verloren gehen, im Zentrum der Aufmerksamkeit. Naturschutzaspekte proaktiv in der Landnutzungsplanung zu berücksichtigen sowie mehr in den Naturschutz zu investieren, wären erste wichtige Schritte, um in diesen Ländern einen nachhaltigen Verlust an biologischer Vielfalt zukünftig zu vermeiden.
Weitere Informationen
Laura Kehoe, Alfredo Romero-Muñoz, Ester Polaina, Lyndon Estes, Holger Kreft & Tobias Kuemmerle: Biodiversity at risk under future cropland expansion and intensification
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