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„Große Faszinationsgeschichte um Babylon und Bagdad“

Mit einem Festival beschließt der Sonderforschungsbereich „Transformationen der Antike“ seine zwölfjährige Arbeit. Ein Interview darüber, was war und was kommt.

PalmyraEine Aufnahme aus der antiken syrischen Stadt Palmyra – vor der jüngsten Zerstörung durch Extremisten. Sie wird Thema auf der Podiumsdiskussion sein. Abbildung: Sebastian Hageneuer

Der Sonderforschungsbereich (SFB)„Transformationen der Antike“ läuft im Dezember 2016 nach zwölf Jahren aus. Dieser Abschluss wird vom 27. Mai bis 4. Juni in Berlin mit dem internationalen Kunst- und Wissenschaftsfestival „Berlin – Babylon – Bagdad“ begangen. Ein Gespräch mit Dr. Stefan Schlelein, dem wissenschaftlichen Koordinator und Geschäftsführer des SFB, und mit Dr. Friederike Krippner, die das Festival leitet.

Sabine Kunst

Dr. Stefan Schlelein
Abbildung: Ralph Bergel

Herr Dr. Schlelein, zwölf Jahre Forschung zum Thema „Transformationen der Antike“: Was kann man sich darunter vorstellen?

Seit dem Frühmittelalter setzen Menschen sich rückblickend mit dem ‚Erbe‘ der Antike auseinander. Vor allem Europäer und später auch Amerikaner haben sich immer wieder auf diese Epoche bezogen. Das erleben wir noch heute, zum Beispiel in Hollywood-Filmen wie „Gladiator“. In den einzelnen Projekten unseres SFB haben wir unter verschiedenen wissenschaftlichen Blickwinkeln gefragt: Für welche Aspekte haben Menschen sich interessiert, welche Motivation steckte dahinter und wie haben sich diese Auseinandersetzungen auf die Selbstwahrnehmung der Betrachter ausgewirkt?

Frau Dr. Krippner, das Festival legt den Fokus auf das mesopotamische Altertum. Warum gerade dorthin?

Es gibt eine große Faszinationsgeschichte rund um Babylon und Bagdad, gerade hier in Berlin. Denken Sie an die Ausgrabungen in Babylon unter Robert Koldewey, das Ishtar Tor, die Bagdad-Bahn, aber auch an Döblins „Berlin Alexanderplatz“ oder an das von Hans Poelzig entworfenen „Babylon“-Kino. Babylon verbindet auf einzigartige Weise die Antike, klassische Moderne und Gegenwart miteinander. Das Festival hat daher zwei Schwerpunkte: In verschiedenen Beiträgen wird erstens das ‚Berliner Babylon‘ um 1900 sichtbar. Und zweitens interessiert uns, wie diese Geschichte weiterging, welche Verbindungen es also heute zwischen Berlin, Babylon und Bagdad gibt.

Herr Dr. Schlelein, die Forschung des SFB erstreckt sich über mehrere Jahrhunderte und 14 Disziplinen. Wie wird solch ein facettenreiches Forschungsfeld zusammengehalten?

Die einzelnen Projekte sind tatsächlich sehr unterschiedlicher Art. Da wurde hinterfragt, warum deutsche Fürsten in ihren ‚Englischen‘ Gärten im 18. Jahrhundert so gerne römische Ruinen nachgebaut haben oder was eine mittelalterliche Caesar-Darstellung in Ritterrüstung uns sagt. Es sind Netzwerke zwischen Fachbereichen entstanden, die sonst wenig miteinander zu tun haben, von Kirchenhistorikern bis zu Politologen. Da lernt man einiges über das Handwerkszeug und die Fragestellungen der anderen. Neben den einzelnen Projekten und deren Publikationen entstand auch ein übergreifendes Werk: über die Strukturen, in denen die Transformationen der Antike bis heute funktionieren. Nun wäre es interessant, zu erforschen, ob diese Strukturen sich zum Beispiel auch im Umgang der Chinesen mit „ihrer“ Antike widerspiegeln.

Dr. Friederike Krippner

Dr. Friederike Krippner
Abbildung: Ralph Bergel

Frau Dr. Krippner, das Festival schlägt einen Bogen von der Vergangenheit in die Gegenwart, auf welche Art?

Es geht unter anderem darum, wie die politischen, kulturellen und ästhetischen Dimensionen beschaffen sind, die heute mit der Chiffre ,Babylon‘ verbunden sind. Traurige Aktualität haben die Zerstörungen antiker Stätten. Das Festival widmet sich den medialen Inszenierungen und politischen Folgen dieser Zerstörungen und es reflektiert die Bedeutung des babylonischen Altertums als Stätte kultureller und politischer Identifikation im Irak und in Deutschland. Ziel ist es, Kunst und Wissenschaft – also explizit auch Künstler und Wissenschaftler – ins Gespräch zu bringen.

Das Gespräch führte Lars Klaaßen

Weitere Informationen

Pressemitteilung zum Festival
Webseite des Festivals Berlin – Babylon – Bagdad

Kontakt

Friederike Krippner

Festivalleitung
Humboldt-Universität zu Berlin
Sonderforschungsbereich „Transformationen der Antike“

Tel.: 030 2093-46678
friederike.krippner@hu-berlin.de