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„Die AG Digitale Lehre hat Großartiges geleistet“

HU-Präsidentin Sabine Kunst spricht im Interview über die digitale Lehre im Sommersemester 2020, die Lehrverpflichtungsverordnung und den Präsenznotbetrieb an der HU.

Sabine Kunst

HU-Präsidentin Sabine Kunst
Foto: Matthias Heyde

Frau Kunst, am Montag, 20. April, startet die Humboldt-Universität wie alle anderen Berliner Universitäten in das Sommersemester 2020. Es wird vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie ganz im Zeichen der Digitalen Lehre stehen. In den letzten drei Wochen haben an der HU alle Beteiligten engagiert auf dieses Ziel hingearbeitet. Mit welchem Ergebnis?

Wir haben uns bestmöglich vorbereitet. Die notwendigen Tools für die digitalen Lehrveranstaltungen sind angeschafft und eingerichtet. Wir werden insgesamt mehr als 80 Prozent der Lehrveranstaltungen digital anbieten können. In einigen Fächern und Bereichen sind es 30 Prozent, in anderen 100 Prozent. Immer abhängig vom Anteil der experimentellen Lehrveranstaltungen oder Übungen, und die lassen sich nun mal online deutlich schwerer umsetzen. Dass alles Dank eines immensen Engagements aller Lehrenden und der wissenschaftsunterstützenden Bereiche der Universität – und das Spektrum reicht dabei von der Beschaffungsabteilung bis hin zu CMS und UB. Die AG Digitale Lehre hat wirklich Großartiges geleistet. Wir konnten zum Glück auf eine starke Expertise zum Streamen von Veranstaltungen und zur Fernlehre am Institut für Bibliotheks-und Informationswissenschaft zurückgreifen. Dazu kommen die Erfahrungen, die wir an der HU in den vergangenen Jahren in wichtigen Einzelprojekten zur digitalen Lehre sammeln konnten. Das alles war eine gute Basis, von der aus die Kolleginnen und Kollegen sich zur Erkundung neuer Horizonte aufgemacht haben. Und zwar sehr erfolgreich. Verlässliche Unterstützung kommt in den nächsten Wochen von der Task Force am Bologna Lab. Letztere wird mit einer Zoom-Sprechstunde die Umsetzung der digitalen Formate unterstützen und sie sowohl didaktisch als auch ganz praktisch begleiten. Daneben gibt es ein breites Spektrum an überraschenden Einzelinitiativen und mutigen Versuchen. So haben etwa die Theologen den Moodle-Kurs „How to teach online“ entwickelt, in dem man in wenigen Schritten den Einstieg in die Online-Lehre vermittelt bekommt. Unsere Informatiker haben ein stark nachgefragtes Webinar zu den Grundlagen des Online-Unterrichtens angeboten. Mehr als 1000 Interessierte haben es sich bereits angesehen. Das alles ist sehr ermutigend und vielversprechend.

Das Sommersemester 2020 wird den Studienalltag der Studierenden und Lehrenden verändern und weitreichende Konsequenzen haben. Wie geht die Humboldt-Universität damit um? Wichtige Stichworte in diesem Zusammenhang lauten Lehrverpflichtungsverordnung und Lehrdeputate.

Diese beiden Stichworte werden in der Tat bereits sehr emotional diskutiert und kommentiert. Fakt ist, die Lehrverpflichtungsverordnung (LVVO) gilt unverändert. Wir werden jetzt - die außergewöhnlichen Leistungen der Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer in Bezug auf die digitale Lehre wertschätzend - dafür sorgen müssen, ausreichend Lehrdeputate für die Präsenzlehre in die nächsten Semester zu übertragen. Auch um gerade im Bereich der Natur- und Lebenswissenschaften oder in den Sportwissenschaften die Vermittlung von Lehrinhalten zu sichern, die sich eben nicht in einem Online-Format darstellen lassen. In Abstimmung mit dem Land nutzen wir die flexiblen Vorgaben der LVVO, um den Interessen der Studierenden und der Lehrenden so weit wie irgend möglich gerecht zu werden. Lehrverpflichtungen, die Lehrende jetzt nicht erfüllen können, werden später im Präsenzbetrieb nachgeholt. Wir berücksichtigen bei all unseren Überlegungen den Mehraufwand für die digitale Lehre, denn der Aufwand für eine gute Vorbereitung und die Pflege neuer digitaler Formate ist deutlich höher.

Frau Kunst, viele Humboldtianerinnen und Humboldtianer haben mit dem Semesteranfang die Hoffnung auf eine Lockerung der strengen Kontaktauflagen verbunden. Die Entscheidungen und Empfehlungen von Bund und Land sind anders ausgefallen. Wie geht es weiter?

Ich bin mir dessen sehr bewusst, aber wir müssen uns damit abfinden, dass es zunächst bei den Regelungen des Präsenznotbetriebes bleibt. Das heißt, die meisten Kolleginnen und Kollegen arbeiten weiter im Homeoffice. Die Zahl derjenigen, die sich in der Universität zur Erledigung unabweisbarer Aufgaben aufhalten dürfen, das sind aktuell etwa 600, wird sich vorerst nicht verändern. Aber wir bereiten ein Rotationssystem vor, dass es mehr Mitarbeitenden ermöglicht, zeitweise vor Ort zu sein.

Viele haben in den vergangenen Wochen hart daran gearbeitet, dass wir mit den strengen Auflagen irgendwie umgehen können und trotzdem unsere Ziele und Projekte nicht aufgeben müssen. Natürlich sind wir dabei nicht jedem Mitglied der Universität und jedem Wunsch und Bedürfnis vollumfänglich gerecht geworden. Das war einfach nicht möglich. Aber es gibt eine Reihe von Lösungen, die die Situation der Einzelnen verbessern. Lehrende zum Beispiel können seit einigen Tagen den neuen und zusätzlichen Scandienst der Universitätsbibliothek für die Vorbereitung ihrer Lehrveranstaltungen nutzen. Wir haben insgesamt technisch aufgerüstet, um den Austausch und das miteinander arbeiten zu ermöglichen. Dass das Semester nicht als Fachsemester angerechnet wird, ist eine wichtige Entlastung für die Studierenden.

Wir sind in enger Abstimmung mit dem Land, um Entscheidungen über etwaige Lockerungen dem Gesundheitsschutz und unseren Anforderungen entsprechend mitzugestalten. Für die kommenden zwei Wochen muss ich alle Mitglieder unserer Universität aber weiter um ihre Geduld und ihr Verständnis bitten. Ich hoffe, dass es allen gelingt, die Kräfte gut einzuteilen angesichts der vielfältigen Herausforderungen in den Familien und in Bezug auf die Arbeit. Der Verzicht auf den persönlichen Austausch, auf das Gespräch mit den Kolleginnen und Kollegen, die gemeinsame Tasse Kaffee oder Tee – das fällt fast allen mit jedem Tag schwerer, mir auch. Aber ich bitte alle noch einmal um Geduld und Zuversicht.

Die Fragen stellte Hans-Christoph Keller, Pressesprecher der HU.