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"The Power of Passports"

HU-Soziologe untersucht Möglichkeiten des visumfreien Reisens

Für viele Touristen mag die Beantragung eines Visums zur Einreise lästig oder gar anachronistisch wirken – Brauchen sie doch oft nur den Pass, um in ein anderes Land einzureisen. Dass diese privilegierte Praxis der Einreise jedoch vor allem Bürgern aus Staaten des globalen Westens vorbehalten ist, bleibt häufig unbeachtet. Im Rahmen einer empirischen Studie konnte ein Forschungsteam unter Leitung von Prof. Dr. Steffen Mau vom Institut für Sozialwissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin (HU) zum ersten Mal zeigen, dass die Möglichkeiten des visumfreien Reisens in den vergangenen 40 Jahren zwar deutlich größer wurden, diese weltweit aber immer ungleicher verteilt sind. Die Ergebnisse der Studie „The global mobility divide: How visa policies have evolved over time” wurden im Journal of Ethnic and Migration Studies veröffentlicht.

Für ihre Analyse griffen die Forscher auf die Daten des Travel Information Manual zurück, ein monatlich von der International Air Transportation Association herausgegebenes Servicebuch für Fluglinien und Reiseagenturen. „Wir konnten so die Richtlinien visumfreien Reisens – also die Einreise ohne vorherige Visumbeantragung für einen Aufenthalt von bis zu 90 Tagen – von über 150 Ländern in den beiden Jahren 1969 und 2010 miteinander vergleichen“, erklärt Professor Steffen Mau. „Im Vergleich zu bisherigen Untersuchungen zeigen wir nicht nur die gegenwärtige Verteilung der Mobilitätsrechte, sondern ihre Veränderung im Zeitvergleich und vor allem im globalen Maßstab“, so der HU-Soziologe.

Während im Jahr 1969 die Möglichkeiten des visumfreien Reisens weltweit noch relativ gleichverteilt waren, hat sich zum Jahr 2010 eine starke globale Polarisierung herausgebildet. Wohlhabende Länder und die Mitglieder der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD-Länder) boten ihren Bürgern beispielsweise in den vergangenen 40 Jahren eine immer größere Reisefreiheit. Andere Regionen, insbesondere frühere Kolonialländer und die Länder Nordafrikas, konnten sich dieser Entwicklung nicht anschließen.

Die Ergebnisse des Teams zeigen außerdem: Spitzenreiter im Hinblick auf visumfreies Reisen war im Jahr 2010 Irland, dessen Einwohner in 82 von 166 Ländern ohne vorherige Beantragung eines Visums einreisen konnten. Den letzten Platz teilten sich Afghanistan und Somalia. Afghanen und Somalier durften lediglich in Haiti visumfrei einreisen. Diese Polarisierung vollzieht sich auch zwischen Kontinenten. Bewohnern Europas war es im Jahr 2010 erlaubt, in durchschnittlich 62 von 166 Ländern visumfrei einzureisen, Bewohnern Afrikas hingegen nur in 15. Als Vergleichswert: 1969 reisten Europäer in 40 und Afrikaner in 19 von 155 Ländern visumfrei ein.

„Der Eindruck, dass die Globalisierung zwingend eine allgemeine Steigerung von Mobilitätsmöglichkeiten mit sich bringe, täuscht. Unsere Studie zeigt vielmehr, dass wir in einer geteilten Welt der Mobilen und Immobilen leben und mit einem mobility divide – einer Kluft – konfrontiert sind“, fasst Steffen Mau zusammen. „Grenzen für Bürger der westlichen Hemisphäre werden immer weniger als Mobilitätshindernis wirksam. Ihre Barrierewirkung für andere Gruppen hat sich aber sogar erhöht, nicht zuletzt aufgrund von Ängsten vor unkontrolliertem Zustrom.“

Originalveröffentlichung

Mau, Steffen/Gülzau, Fabian/Laube, Lena/Zaun, Natascha (2015): “The Global Mobility Divide: How Visa Policies Have Evolved over Time”, in: Journal of Ethnic and Migration Studies, DOI: 10.1080/1369183X.2015.1005007.

Pressematerial

Gerne senden wir Ihnen ein Exemplar der Studie zu. Schreiben Sie bitte eine E-Mail an: pr@hu-berlin.de.

Kontakt

Prof. Dr. Steffen Mau
Humboldt-Universität zu Berlin
Institut für Soziologie

Tel: 030 2093-4350
steffen.mau@sowi.hu-berlin.de