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Eine Frage des Vertrauens

HU-Doktorandin Beril Ocaklı erforscht Bergbaukonflikte in Kirgistan - In einer Portraitreihe berichten drei Doktorandinnen und Doktoranden der Humboldt-Universität zu Berlin (HU) aus ihrer Forschung zum Bergbau. Ganz in der Tradition Alexander von Humboldts

Modell eines Berges
Modell des geplanten Minenstandortes in Maydan.
Foto: Beril Ocaklı 2015

„Wenn ich dir Geld gebe und du frei entscheiden kannst, ob du es behalten willst oder in ein gemeinnütziges Projekt investierst, was würdest du tun?“. Für ein solches ökonomisches Experiment hat die Institutionenökonomin Beril Ocaklı 120 Menschen im Norden Kirgistans befragt. Das überraschende Ergebnis: Fast alle entschieden sich zu teilen oder die Summe komplett zu spenden, ganz egal ob für die eigene Stadt oder eine andere Gemeinde. Die Frage, ob wir – der homo oeconomicus – also doch kooperativer handeln als gedacht und welche Bedingungen wir dafür brauchen, stellt sich die Wissenschaftlerin im Rahmen ihrer Promotion.

Beril Ocaklı erforscht Bergbaukonflikte in Kirgistan, einem kleinen Land in Zentralasien, das stark vom post-sowjetischen Strukturwandel geprägt ist. Kirgistan verfügt über große Goldvorkommen; die Exportrate beträgt 40 Prozent, aber die Bevölkerung steht dem Abbau des wertvollen Metalls gespalten gegenüber. Im industriell geprägten Norden werden die Minen größtenteils begrüßt, im ländlichen Süden werden sie teils gewaltsam bekämpft.

Bergbaukonflikte im Dorf Maydan

Warum es an einigen Orten zu starken Konflikten kommt und an anderen nicht, wollte Beril Ocaklı anhand verschiedener Fallbeispiele herausfinden. So verbrachte sie auch zwei Monate im südlich gelegenen Dorf Maydan, das immer wieder in der kirgisischen Presse für Schlagzeilen sorgt. Eine australische Firma hatte von der Zentralregierung die Lizenz zum Bergbau erhalten, doch als nach Jahren der Vorbereitung die ersten Bagger ins Dorf fuhren, leisteten die Bewohner Widerstand mit Feuer. Vor allem die Angst vor gesundheitlichen und ökologischen Folgen hatte die Menschen in Aufruhr versetzt. Auch sahen sie die mühsam aufgebaute Landwirtschaft durch eine mögliche Verunreinigung von Wasser und Böden durch Abfallprodukte aus der geplanten Mine bedroht.

„Vertrauen ist hier der Schlüssel“, erklärt die Nachwuchswissenschaftlerin. „Können die Menschen den Firmen trauen? Können sie ihrer eigenen Regierung trauen? Werden die Gewinne aus dem Goldabbau fair verteilt? Und gibt es Unterstützung bei Problemen?“ All diese Fragen dürften die Mehrheit der Menschen in Maydan mit „nein“ beantwortet haben. Die Ursachen dafür sieht Ocaklı unter anderem in einer zunächst mangelhaften Kommunikation der Bergbaufirma und einer nur schwachen Anbindung an die kirgisische Hauptstadt Bischkek. Die Dorfbewohner fühlten sich nicht hinreichend über die Pläne informiert und mit der neuen Herausforderung allein gelassen. „Was sich immer wieder zeigt: den Menschen muss der Zweck hinter einer Kooperation zweifelsfrei klar sein, dann ist die Grundlage für Zusammenarbeit gelegt.“

Bergbautradition in Orlovka

Modell eines Berges
Minenarbeiter an der Goldgrube von Orlovka.
Foto: Beril Ocaklı 2015

Im Norden des Landes scheint genau das der Fall zu sein. „In Orlovka nahe der Hauptstadt gibt es eine lange Bergbautradition, von der die Bevölkerung profitiert“, so die Doktorandin. „Vor dem Zerfall der Sowjetunion wurde hier bereits Gold abgebaut, die Schließung der Mine bedeutete Arbeitslosigkeit und wirtschaftliche Depression. Als ab 2005 neu investiert wurde, haben die Menschen das als zurückgewonnenen Lebenssinn empfunden, obwohl es natürlich auch hier kritische Stimmen gibt.“ Heute befindet sich in Orlovka die drittgrößte Goldgrube Kirgistans. Vielleicht ist das auch der Grund, warum die Menschen in dem eingangs beschriebenen Experiment – es fand in Orlovka und Bischkek statt – eine so hohe Bereitschaft zeigten, zu teilen.

Es ist Beril Ocaklı aber wichtig zu betonen, dass die Menschen im Dorf Maydan keineswegs unkooperativer sind. „Sie wollen ihre Lebensgrundlage schützen und wissen nicht, ob sich das Bergbaurisiko für sie lohnt.“ Die Bergbaufirma hat in der Zwischenzeit jedenfalls aufgeben und ihre Lizenz an einen chinesischen Investor verkauft. Ob dieser mehr Erfolg haben wird, ist derzeit unwahrscheinlich.

Erster Teil der Reihe um Bergbauforschung.

Zur Person

Beril Ocaklı promoviert seit 2015 am Integrativen Forschungsinstitut zu Transformationen von Mensch-Umwelt-Systemen (IRI THESys) an der HU Berlin. Bis 2018 hat sie im Auftrag der Bundesregierung für den Bundesverband der Deutschen Industrie ein Projekt zur Modernisierung des Bergbausektors in Zentralasien geleitet und dort eine politische Dialogplattform aufgebaut. Dabei waren ihr zahlreiche Konflikte aufgefallen, und sie beschloss, die Ursachen dafür wissenschaftlich zu untersuchen. Als Kind verbrachte die gebürtige Türkin einige Jahre in Kirgistan und spricht daher fließend kirgisisch und russisch.

Weitere Informationen

Kontakt

Beril Ocaklı
Doctoral Researcher IRI THESys

Tel.: +49 (030) 2093-66347
beril.ocakli@hu-berlin.de