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Auf die Grösse der Spindel kommt es an

Forschung an der molekularen Maschine soll das Geheimnis fehlerhafter Chromosomenverteilung lüften

Die Entstehung neuen Lebens ist ein komplexer Prozess. Eine zentrale Rolle spielt dabei die Zellteilung. Bei jeder Zellteilung muss das Erbgut, die Chromosomen, gleichmäßig auf die beiden entstehenden Tochterzellen verteilt werden. Dies erledigt eine kleine molekulare Maschine, die sogenannte mitotische Spindel. Sie sorgt für die korrekte Aufteilung der Chromosomensätze.

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Aus früheren Studien ist bekannt, dass kleine oder fehlerhafte Spindeln die Chromosomen nicht mehr präzise verteilen können. Dies kann fatale Folgen haben. Zellen mit überzähligen oder fehlenden Chromosomen findet man in sehr vielen bösartigen Tumoren. Treten Fehler früh in der embryonalen Entwicklung auf, können daraus Trisomien wie etwa das Down-Syndrom resultieren. Es ist daher nicht nur für die Grundlagenforschung, sondern auch für die Medizin von Interesse, die genauen Mechanismen zu verstehen, die die Form und Größe der mitotischen Spindel bestimmen.

Tubulinmenge und -herkunft beeinflussen die Spindelgröße

„Trotz jahrzehntelanger Forschung wissen wir noch immer nicht, woher die Spindel weiß, wie groß sie sein darf”, sagt Professorin Dr. Simone Reber, Leiterin des Quantitative-Biology-Labors am Integrative Research Institute (IRI) for the Life Sciences an der Humboldt-Universität zu Berlin. Wie groß und wie lang die mitotische Spindel werden kann, analysierten die IRI-Doktoranden William Hirst und Abin Biswas anhand der Eier zweier verwandter Krallenfrösche, Xenopus laevis und Xenopus tropicalis. Letzterer ist nicht nur kleiner, sondern legt auch kleinere Eier, die wiederum kleinere mitotische Spindeln aufbauen.

Die beiden Nachwuchswissenschaftler fanden heraus, dass die Grundbausteine der Spindel, die sogenannten Tubuline, sich beim großen Frosch anders verhalten als beim kleinen. Tubuline bauen Mikrotubuli, die sogenannten Spindelfasern, auf. Die Mikrotubuli beim größeren Frosch wachsen schneller und leben länger als die Mikrotubuli des kleinen Frosches, so dass die Masse der Mikrotubuli insgesamt größer ist – und somit auch die Spindel. Vermischt man nun die Tubuline beider Frösche, nimmt die Länge und Größe der entstehenden Spindel proportional mit dem Anteil an Tubulin des größeren Frosches zu.

Der Spindel weiter auf der Spur

Die in der Fachzeitschrift „Current Biology“ veröffentlichte Studie zeigt, dass spezifische Eigenschaften der Tubuline zur Kontrolle von Länge und Masse der Spindel beitragen können. Ob die beobachteten Unterschiede im Verhalten der Tubuline einer genetischen Variabilität zu Grunde liegen und inwiefern diese auch in menschlichen Zellen von Bedeutung sind, gilt es noch herauszufinden. „Nur wenn wir genau verstehen, wie Zellen die Größe ihrer Spindeln regulieren, können wir einen Beitrag leisten, um zu verstehen, warum Zellen regelmäßig fehlerhafte Chromosomensätze aufweisen“, erklärt Hirst.

Die Forschung wurde in Zusammenarbeit mit dem Labor von Dr. Antonina Roll-Mecak (National Institutes of Health, USA) durchgeführt und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert.

Originalpublikation

William G. Hirst, Abin Biswas, Kishore K. Mahalingan and Simone Reber. Differences in Intrinsic Tubulin Dynamic Properties Contribute to Spindle Length Control in Xenopus Species. Current Biology, Volume 30, Issue 11, 8 June 2020, Pages 2184-2190.e5

Weiterführende Informationen zur Studie

Die Studie wurde hervorgehoben und in einem breiteren Kontext besprochen, nachzulesen in derselben Ausgabe der „Current Biology“.

Daniel L. Levy. Cell Biology: Tubulin Contributes to Spindle Size Scaling. Current Biology, Volume 30, Issue 11, 8 June 2020, Pages R637-R639

Kontakt

Robert Kircher-Reineke, Science Communication
IRI Life Sciences, Tel. +49 30 2093 47903
robert.kircher-reineke@hu-berlin.de

Informationen zum IRI Life Sciences

Das Integrative Research Institute (IRI) for the Life Sciences wurde 2013 im Rahmen der Exzellenzinitiative von der Humboldt-Universität zu Berlin gemeinsam mit der Charité-Universitätsmedizin Berlin und dem Max-Delbrück-Zentrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC) gegründet. Die Forschenden am IRI Life Sciences betreiben interdisziplinäre Grundlagenforschung. Mittels innovativer Methoden ergründen sie bspw. die zellulären Ursachen von Krebserkrankungen und Infektionskrankheiten.


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