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„Einen Lionel Messi sollte man besser als 17-Jährigen entdecken“

In der Veranstaltung „Gekommen, um zu bleiben?!“ diskutierten Hochschulvertreter über Personalrekrutierung und -entwicklung an Uni

Podiumsdiskussion Gekommen um zu bleiben

Moderator Dr. Jan-Martin Wiarda, Prof. Dr. Steffen Martus, Prof. Dr. Gerhard Müller und Dr. Ludwig Kronthaler (v.l.n.r.) bei der Podiumsdiskussion. Foto: Ralph Bergel

Strategische Personalpolitik an Universitäten? Dieses Thema wird an deutschen Universitäten immer wichtiger. Um die besten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für ihre Institution zu gewinnen, verlassen sich Universitäten nicht mehr auf den Zufall eintreffender Bewerbungen und die eigene Reputation. Welche Erfahrungen haben andere Universitäten mit einer proaktiven, zielgerichteten Identifikation, Ansprache und Rekrutierung von Forscherinnen und Forschern? Welche Chancen und Herausforderungen liegen in dieser Entwicklung für Universitäten? Was muss bedacht werden, damit Rekrutierung und ein verändertes Personalmanagement an Hochschulen Erfolg haben können? Diese und andere Fragen diskutierten Hochschulvertreter auf der Veranstaltung "Gekommen, um zu bleiben?!", die kürzlich in Organisation des Referats für Strategieentwicklung im Hauptgebäude der Humboldt-Universität stattfand.

Prof. Dr. Peter Maassen von der Universität Oslo (Fakultät für Bildungswissenschaften und Higher Education) betreibt dazu als einer der Wenigen vergleichende Forschung. Er unterstrich die wachsende Bedeutung von strategischer Personalrekrutierung in Europa und räumte in seinem Impulsvortrag mit gängigen Vorurteilen auf. Gemessen an internationalen Rankings seien nicht die britischen Hochschulen die Produktivsten, sondern vielmehr die „Hufeisen-Länder“. Die Auflösung dieses „geografischen“ Begriffs: Maassen meint damit Staaten, die sich in der Nachbarschaft zu Deutschland befinden: Dänemark, Niederlande, Belgien, Österreich oder die Skandinavischen Länder. Was ist ihnen wichtig bei der Personalsuche? „Kopenhagen zahlt Sondergehälter für Topprofessoren, Helsinki setzt auf junge, zukunftsträchtige Wissenschaftler. In Wien führe ein eingeworbener ERC-Grant direkt zu einer Professur“, gab Maassen Beispiele.

Wissenschaftler früh entdecken und verpflichten

Prof. Dr. Peter Maassen

Prof. Dr. Peter Maassen von der Universität Oslo.
Foto: Ralph Bergel

Die Balance Junior versus Senior spielt auch an der Universität Zürich eine Rolle. „Ähnlich wie in einem Sportteam braucht man eine gemischte Mannschaft. Stars, die eine Magnetfunktion auf junge Wissenschaftler ausüben, aber einen Lionel Messi sollte man besser als 18- oder 17-Jährigen entdecken und verpflichten“, gab Rektor Prof. Dr. Michael Hengartner ein griffiges Beispiel. Er hob auch die Bedeutung von guter Lehre hervor. „Wenn sie diesen Job gut machen, haben sie mehr für den Standort und das Land getan, als wenn sie nur die Top-Forscher beschäftigen.“ Diese Einsicht könne man allerdings nicht von oben dekretieren, sondern nur durch Überzeugungsarbeit erreichen.

Die TU München hat schon einen Weg gefunden, um Wissenschaftstalente nicht an ausländische Universitäten zu verlieren. Hier gibt es seit 2012 ein echtes Tenure-Track-Verfahren nach amerikanischem Muster. Nachwuchswissenschaftler können sich ohne Habilitation als „Assistant Professor“ bewerben. Wer sich bewährt, wird dann „Associate Professor“, später „Full Professor“. Etwa 80 Professuren seien so besetzt.

Freiheit des Forschens als wichtiges Gut

„Wie gelingt es, ein neues System zu etablieren, ist dazu eine starke Leitung notwendig?“, fragte Wissenschaftsjournalist Dr. Jan-Martin Wiarda, der locker durch den Abend führte. „Die Prozesse werden durch das Präsidium eingebracht und von den Fakultäten aufgenommen“, sagte Prof. Dr. Gerhard Müller, Vizepräsident für Studium und Lehre der TU München. Hier wird gerade ein neues Instrument eingeführt, um die besten Köpfe ausfindig zu machen. Open rank – ein Ausschreibungsverfahren, das alle Karrierestufen und alle Themen beinhaltet. 

Dr. Ludwig Kronthaler, Vizepräsident für Haushalt, Technik und Personal der HU, ist überzeugt: „Es braucht immer die Leitungsebene, um etwas Neues anzutreiben, am Ende gewinnt aber das bessere Argument.“ Er sieht die Freiheit des Forschens als wichtiges Gut für die Attraktivität der Universität. Daneben müsse man auch Flexibilität berücksichtigen: „Junge Wissenschaftler haben andere Ziele als frühere Generationen. Man muss beispielsweise Modelle für die Work-Life-Balance haben.“

Perspektive von Nachwuchswissenschaftlern

Florian Meinel, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Juristischen Fakultät, brachte die Diskussion auf das von Bund und Ländern beschlossene Nachwuchskonzept, das in zwei Bewilligungsrunden (2017 und 2019) insgesamt 1000 vom Bund finanzierte Tenure-Track-Professuren bringen wird. Meinel zeigte die Problematik dieses Modells auf: „Wer an seiner Universität kein Tenure-Track bekommt, wird den akademischen Tod sterben, weil ihn keine andere Universität mehr nehmen wird.“ Eine Befürchtung, die auch von den anderen Diskutanten geteilt wurde. Der Nachwuchswissenschaftler plädierte für Fairness und Berechenbarkeit im Prozess, für durchsichtige Kriterien. Die TU München hat aus Gründen der unabhängigen Beurteilung ein fakultätsübergreifendes Board für die Evaluation der Nachwuchswissenschaftlern eingerichtet.            

Und was denkt ein „Star“ über die Personalstrategie seiner Universität? Prof. Dr. Steffen Martus, Professor für Neuere deutsche Literatur und Leibniz-Preisträger, betonte die soziale Komponente, das „Glück, in einem Milieu von wunderbaren Kollegen zu arbeiten“, die einen weiterempfehlen. Neben klaren Regeln müssten deshalb auch andere Dynamiken bedacht werden: Ein ECR-Grant beispielsweise müsste die Perspektive auf einen Nachwuchswissenschaftler verändern – wenn am Institut und sogar an der Fakultät Konsens darüber besteht. „Viele dieser Impulse aus den Instituten, jemanden nach vorne zu bringen, versucht die Universitätsleitung umzusetzen.“

Autorin: Ljiljana Nikolic