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„Roboter werden in Zukunft Teil unseres Lebens sein“

Das RoboCup-Team der HU ist bei der Weltmeisterschaft 2016 in Leipzig dabei. Im Interview erzählt Dipl.-Inf. Heinrich Mellmann, Teamleiter "Berlin United – Nao Team Humboldt" von Zielen und aktuellen Entwicklungen im Roboter-Fußball

Bis zum Jahr 2050 sollen intelligente humanoide Roboter den amtierenden FIFA-Fußballweltmeister schlagen können – das ist zumindest die Vision der RoboCup Federation. Bevor es so weit ist, wird gearbeitet, geforscht und trainiert. Der RoboCup 2016, die Weltmeisterschaft der Fußball-Roboter findet mit Berliner Beteiligung vom 30. Juni bis 4. Juli in Leipzig statt.

Herr Mellmann, die Fußball-EM in Frankreich läuft - die WM der Roboter beginnt am Mittwoch in Leipzig. Was kann man sich unter Roboterfußball vorstellen?

Heinrich Mellmann: Kurz gesagt: Wir programmieren Roboter, die autonom Fußball spielen sollen. Wir schreiben ein Programm, laden es auf die Roboter, stellen sie ans Feld und ab dem Zeitpunkt machen die Roboter alles selbst. Es ist nicht erlaubt, die Roboter fernzusteuern sie sollen absolut selbstständig spielen. Sie sind mit Kameras und Sensoren ausgestattet und müssen sich im Spiel selbst zurechtfinden, sich absprechen, wer zum Ball geht – und wenn sie hingefallen sind, müssen sie wieder aufstehen. Im Prinzip ist es wie ein echtes Fußballspiel, nur eben mit Robotern statt Menschen. Nur die Regeln haben wir auf die Fähigkeiten der Roboter angepasst.

Auch Sie schicken in Leipzig Ihre Roboter aufs Feld...

Die HU ist seit Anfang an international dabei. Unser ehemaliger Professor Hans-Dieter Burkhard, der mittlerweile emeritiert ist, hat schon 1998 mitgemacht, als die Roboter noch simuliert und in 2D waren. Inzwischen sind wir eingebunden am Lehrstuhl für adaptive Systeme, der von Prof. Verena Hafner geleitet wird. In den vergangenen Jahren ist unser Lehrstuhl in verschiedenen Unterdisziplinen angetreten und hat mit verschiedenen Robotern gespielt, teilweise auch selbst welche gebaut. Aktuell konzentrieren wir uns auf die sogenannte Standard Plattform Liga - wo alle Teams die gleiche Roboter Art "Nao" benutzen.

Nao ist ja auch der Namensgeber des Berliner Teams.

Unser Teamname war längere Zeit "Nao Team Humboldt". Seit ein paar Jahren arbeiten wir zusammen mit einem Team der Freien Universität und nennen uns "Berlin United - Nao Team Humboldt". Unsere Mannschaft besteht größtenteils aus Studierenden und Doktoranden. Wir haben ein Labor, in dem wir gezielt daran arbeiten, dass Roboter Fußball spielen können. Aber wir sind auch in den Lehrbetrieb der HU eingebunden und stellen Übungsaufgaben für Robotik-Vorlesungen zur Verfügung. Und die Studierenden haben die Möglichkeit, ihre Abschlussarbeiten bei uns zu schreiben.

Wie kann man sich den Ablauf einer Fußball-WM für Roboter vorstellen?

RoboCup ist in verschiedenen Ligen organisiert und diese spielen jeweils nur untereinander. In unserer Liga gibt es weltweit etwa 40 bis 50 Teams. Beim RoboCup werden 24 davon im Hauptwettbewerb mit ihren vollständigen Mannschaften antreten. Acht weitere Forschungsteams spielen auch noch in einem zweiten Wettbewerb, wo jeder nur einen Roboter stellt. Die verschiedenen Roboter müssen also in einem Team zusammen spielen und kooperieren. Dabei werden die Roboter individuell bewertet und die besten fünf bilden am Ende das "Allstar-Team", das gegen den Weltmeister spielt.

Gibt es denn - wie bei menschlichen Fußballern - erkennbare Unterschiede zwischen den Robotern?

Die Leistungsspanne zwischen den Teams ist zum Teil sehr groß. Es gibt Teams, die mehr Ressourcen haben – obwohl wir in unserer Liga alle mit den gleichen Robotern spielen. Die Hardware ist bei allen gleich, also gewinnt das Team mit den besten Algorithmen. Unterlegene Mannschaften verfolgen oft sehr verschiedene Ansätze, die im Turnier noch nicht ausgereift, aber wissenschaftlich sehr interessant sind. Manche Teams können sich auch jedes Jahr neue Roboter leisten und so Tests gegen sich selber spielen. Und manche können ihr Testlabor permanent aufgebaut lassen. Oder sie haben viel mehr Studierende, die an den Robotern arbeiten. Dadurch entstehen am Ende die Unterschiede.

Welche sportlichen Ziele hat das Team der HU in Leipzig?

Natürlich wollen wir den Weltmeistertitel! Das ist selbstverständlich (lacht). Realistisch betrachtet ist unsere Hoffnung für dieses Jahr, ins Halbfinale zu kommen. Der Einzug ins Viertelfinale ist unser Standard-Ziel, da haben wir uns die letzten Jahre immer solide eingearbeitet, und wir hoffen, dass wir dieses Jahr noch einen Schritt weiter gehen können.

Gibt es denn auch Angstgegner bei der WM?

Selbstverständlich! Das Team aus Leipzig ist sehr gut, das Team aus Bremen ist auch sehr stark und hat lange den Weltmeistertitel gehalten. Letztes Jahr hat Bremen im Finale gegen ein australisches Team verloren. Die australischen Roboter sind weniger ausgefeilt, spielen aber sehr rabiat und zielorientiert. Damit wir gegen die antreten und gewinnen können, müssen wir schon noch ein bisschen bauen.

ALTERNATIVTEXT

Heinrich Mellmann (2.v.l.), hier mit Nao
beim RoboCup 2015. Abb.: Christian Blum

Die letzte WM ist ein Jahr her - was sind die neuesten Entwicklungen im Roboter-Fußball?

Wir versuchen, die Roboter mehr und mehr an die Bedingungen des realen Fußballs anzupassen. Früher hatten wir Farbmarkierungen, die den Robotern bei der Orientierung geholfen haben. Jetzt sind alle Linien weiß - und in diesem Jahr spielen wir das erste Mal mit einem schwarz-weißen Ball, der wie ein echter Fußball aussieht. Das ist die größte Herausforderung, mit der wohl die meisten Teams Probleme haben werden. Denn für Roboter ist es anstrengend, diesen Ball zu finden, wenn auf dem Feld nur weiße Linien und weiße Roboter sind. Außerdem testen wir dieses Jahr auch erstmals Spiele auf Kunstrasen – aber nur in der ersten Runde, danach wird weiter auf Teppich gespielt.

Warum sollte man sich den RoboCup in Leipzig auf keinen Fall entgehen lassen?

Das Turnier ist eine gute Gelegenheit, Einblick in den aktuellen Forschungsstand der Robotik zu bekommen. Das zeigt natürlich nur ein Ausschnitt der weltweiten Roboter-Entwicklung, aber es ist trotzdem spannend. Roboter sind ja noch im Laborzustand – wenn man mal von ihnen hört, dann nur in Science-Fiction-Filmen. Aber sie werden in Zukunft Teil unseres Lebens sein. Momentan ist das Thema Robotik noch am Rande des Sichtbaren, aber es wird auf jeden Fall groß werden. Beim RoboCup kann man sehen, was kommen wird - und Fußball spricht auch ein breiteres Publikum an.

Das Gespräch mit Dipl.-Inf. Heinrich Mellmann führte Kerrin Neumann

Über RoboCup

RoboCup wurde 1998 in Japan gegründet und initiiert. Mittlerweile ist es eine internationale Initiative, ein loser Verband von Wissenschaftlern, die sich dem Thema Fußballspielen gewidmet haben. 1998 suchte man nach neuen Herausforderungen, nachdem Schach bereits gelöst war: 1995 hatte ein Computer erstmals einen menschlichen Schach-Weltmeister besiegt. Die Wissenschaft wollte die künstliche Intelligenz weiter vorantreiben und einigte sich auf Fußball als neues Forschungsprojekt.

Ein Spiel dauert insgesamt 30 Minuten (zehn pro Halbzeit und zehn Minuten Pause). Gespielt wird auf einem 6 mal 9 Meter großen Feld. Alle Linien und Markierungen auf dem Feld sind weiß. Die Roboter spielen vollständig autonom im Modus fünf gegen fünf. Ein Game-Controller sendet per WLAN Signale an die Roboter. Dieser Computer wird von einem Menschen bedient, der aber lediglich die Entscheidungen des Schiedsrichters an die Roboter übermittelt. Ein Schiedsrichter leitet die Partie, zwei Hilfsschiedsrichter führen seine Entscheidungen auf dem Feld aus. Auch im RoboCup gibt es Fouls: Roboter dürfen ihren Gegenspieler nicht von hinten schubsen. Wer gefoult hat, wird für 30 Sekunden aus dem Spiel genommen. Es ist auch nicht erlaubt, mehr als einen Torwart und einen Verteidiger in den Strafraum zu stellen – mauern ist verboten.

Jedes Team kann pro Spiel ein Timeout von fünf Minuten nehmen. Der Grund für den Timeout muss nicht genannt werden. Aber denkbar sind technische Probleme mit den Robotern oder Fehler im Programm. Allerdins kann ein Timeout nur während einer Spielunterbrechung genommen werden, d.h. wenn beispielsweise ein Tor gefallen ist oder in der Spielpause.

Die Weltmeisterschaft findet jedes Jahr in einem anderen Land statt: 2015 in China, davor in Brasilien – 2017 in Japan und 2018 in Australien. Zuletzt war RoboCup in Deutschland während der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 zu Gast.

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