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„An der HU kann ich mich am besten entfalten“

Portrait über Anna-Bettina Kaiser, die mit der Caroline von Humboldt-Professur 2022 geehrt wird
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Prof. Dr. Anna-Bettina Kaiser, Foto: privat

Anna-Bettina Kaiser wird am 16. November 2022 die Caroline von Humboldt-Professur verliehen, die mit 80.000 Euro dotiert ist. Die Juristin wird für ihre herausragenden wissenschaftlichen Leistungen, ihr nationales, wie internationales Renommee und die gesellschaftliche Strahlkraft ihres Wirkens geehrt.

Selten, sehr selten, werden wissenschaftliche Arbeiten über Nacht brandaktuell. Dann wirft das Weltgeschehen ein Schlaglicht auf eine abgeschlossene Schrift, über deren Thema plötzlich alle reden. Anna-Bettina Kaiser hat mit ihrem Buch „Ausnahmeverfassungsrecht" 2020 genau diesen Nerv getroffen. Es war im ersten Lockdown erschienen, die Corona-Krise hatte das Leben und den Alltag aller erreicht. Kaisers Publikation, zugleich ihre Habilitationsschrift, konnte etwas über diese neuartige Lage der Welt erzählen. Für die Relevanz ihrer Forschung zeichnet die HU die Rechtswissenschaftlerin nun mit der Caroline von Humboldt-Professur aus.

Vor der Krise: Das Buch zur Krise

In der Pandemie war Kaiser zur gefragten Expertin geworden. Frank-Walter Steinmeier lud sie ins Schloss Bellevue ein. Sie sprach auf dem Deutschen Juristentag, bei politischen Stiftungen und in Interviews mit dem Tagesspiegel oder dem Fernsehsender Phoenix darüber, ob es sich beim Lockdown um einen Ausnahmezustand handelt. „Die Grundrechte wurden nicht suspendiert, aber es gab doch eine massive Einschränkung", sagt die Professorin für Öffentliches Recht und Grundlagen des Rechts der Juristischen Fakultät. Kaiser schrieb „ein Buch zur Krise", lobte die Süddeutsche Zeitung, und sie konnte Auskunft geben, welche Gefahren von ihr drohen. „Da denken wir immer, und zwar auch zu Recht, an Länder wie China. Sie nutzen die Pandemie, um die Diktatur weiter auszubauen", sagt Kaiser. Aber es gab auch das umgekehrte Phänomen wie in Bolsonaros Brasilien. „Die dortige Regierung hat die Gefahren der Pandemie negiert und damit viele Todesopfer unter der Bevölkerung hervorgerufen, die nicht ausreichend geschützt wurde."

In ihrem Buch setzt sie sich mit dem Begriff des Ausnahmezustands im Zuge der Euro- und Finanzkrise und dem internationalen Terrorismus auseinander. Sie füllt damit eine deutsche Forschungslücke. Die letzte große Auseinandersetzung mit dem Thema beschäftigte sich mit der Notstandsverfassung von 1968. „In Deutschland haben sich ihm nur noch wenige aus rechtswissenschaftlicher Perspektive genähert. Ganz anders als im Ausland, wo es spätestens seit dem 11. September 2001 eine große Diskussion gegeben hatte und dann noch einmal prominent mit Giorgio Agambens ,Ausnahmezustand'."

„An der HU kann ich mich am besten entfalten“

Die Auszeichnung durch die Caroline von Humboldt-Professur für Professorinnen geht an eine Forscherin, die sich trotz drei Rufen an andere Hochschulen immer wieder für die HU entschieden hat. 2010 war sie hier Juniorprofessorin geworden. Kaiser, Jahrgang 1976, hat in Freiburg und Cambridge Rechtswissenschaft studiert und während des Referendariats Stationen beim Bundesverfassungsgericht und bei der Europäischen Kommission in Brüssel absolviert. „Ich hatte immer den Eindruck, dass ich mich hier an der HU am besten entfalten kann und meine Arbeit auch geschätzt wird", sagt sie. Die Auszeichnung sei ein neuer Vertrauensbeweis für sie. „Ich fühle mich hier sehr wohl und wurde mit meinen Projekten auch stets gefördert."

Interdisziplinäre Rechtsforschung

Eines davon ist das Law & Society-Institut, das sie zusammen mit der Politikwissenschaftlerin Silvia von Steinsdorff leitet. „Es ist 2019 zum „Integrative Research Institute" geworden und ich habe es der HU zu verdanken, dass sie sich für eine Förderung entschieden hat." Das Institut beschäftigt sich mit interdisziplinärer Rechtsforschung. Es hat damit zugleich die Aufgabe, die Rechtswissenschaft gegenüber anderen Wissenschaften zu öffnen und an gemeinsamen Fragestellungen zu arbeiten. „Zum Beispiel: Wie lesen Politikwissenschaftler:innen eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und wie lesen Jurist:innen sie? Was können wir voneinander lernen? Können wir uns gegenseitig auf unsere blinden Flecken aufmerksam machen?"

Frauen sind heute viel präsenter

Die Caroline von Humboldt-Professur zeichnet Professorinnen aus. Ihr sei es sehr gut gegangen als Frau in der Wissenschaft, sagt Kaiser. „Aber es ist natürlich verstörend, wenn man, wie ich als Assistentin, auf eine Tagung geht und die einzige Frau unter 40 männlichen Kollegen ist", erzählt sie über den Beginn ihrer Karriere in der Wissenschaft. Seit sie 1995 ihr Studium der Rechtswissenschaft in Freiburg aufgenommen hat, seien Frauen viel präsenter geworden. „Neben den etwa 23 männlichen Professoren gab es dort nur zwei Professorinnen während meiner Studienzeit. Jetzt, nach über 20 Jahren und gerade auch an der HU, sind Frauen aber viel präsenter, hier gibt es viele Fakultäten, die schon sehr weit sind." In ihrer Fachgesellschaft, der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer, haben Frauen aber nur einen Anteil von rund 15 Prozent. „Daran kann man sehen, dass noch ein weiter Weg zu gehen ist."

Preisgeld fließt in ein Mentoring-Programm

Den will Anna-Bettina Kaiser nun auch mit ihrem Preisgeld beschreiten. „Viele Studentinnen trauen sich weniger zu als Studenten. Sie sind zurückhaltender und selbstkritischer. Sie entscheiden sich seltener für eine Promotion und noch seltener für eine Habilitation." Mit dem Preisgeld will sie daher an der Juristischen Fakultät ein Mentoring-Programm für Frauen aufbauen.

Über die Caroline von Humboldt-Professur

Ziel der Caroline von Humboldt-Professur ist es, hervorragende Professorinnen der Humboldt-Universität noch sichtbarer zu machen und ihre Arbeit zu unterstützen. Die Vergabe der Caroline von Humboldt-Professur richtet sich an exzellente Professorinnen aller Disziplinen der HU, die sich durch ihr internationales Renommee, die Relevanz ihrer Forschungsergebnisse über das eigene Fachgebiet hinaus und ihre herausragende Publikationstätigkeit auszeichnen. Bisherige Preisträgerinnen waren Susanne Baer, Claudia Draxl, Gabriele Metzler, Edda Klipp, Iris Därmann, Ilse Helbrecht, Janina Kneipp und Ethel Matala de Mazza.

Autorin: Vera Görgen

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