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HU-Geographen machen Stadtklimaforschung mobil

In unserer Serie "Stadt im Wandel" widmen wir uns Visionen und Herausforderungen der Metropolen der Zukunft. In Teil eins stellen wir eine Technologie vor, die sich mit dem Klimawandel befasst
Das Modell URBMOBI 2.0 noch ohne Luftqualitätssensorik

Das Modell URBMOBI 2.0 noch ohne
Luftqualitätssensorik. Abb: Dr. Timo Sachsen

Überall in Europas Städten gibt es Handlungsbedarf bezüglich der Luftqualität. Es gibt Städte, in denen die Situation besonders schlimm ist. Berlin hat den Vorteil, dass es multizentrisch ist, viele Grünflächen, eine geringe Industriebesiedlung und einen gut ausgebauten öffentlichen Nahverkehr hat. Erhöhte Belastung durch gesundheitsgefährdenden Feinstaub – besonders im Winter – gibt es trotzdem. Mit einem selbstkreierten mobilen Messgerät möchten Geographen der Humboldt-Universität zu Berlin (HU) die Feinstaubkonzentration messen und die Daten für die Forschung nutzen.

URBMOBI wird, wenn alles nach Plan läuft, ab 2018 auf den Dächern von Autos, Bussen oder Bahnen oder auch per Rad durch die Stadt reisen und Wetterdaten wie Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Sonneneinstrahlung aufzeichnen. „Das Gerät wird auch die Feinstaubkonzentration in der Luft, und wenn wir es finanziell hinbekommen, auch Stickstoffdioxid messen“, sagt Christoph Schneider. Der Professor für Klimageographie ist der „Vater“ von URBMOBI-GIS, die Abkürzung steht für Urban Mobile Measurement System. Bevor Schneider 2015 an das Geographische Institut kam, hat er elf Jahre an der RWTH Aachen gearbeitet und dort bereits zwei Vorgängermodelle des mobilen Messgerätes mitkonzipiert und mit ihnen geforscht. Neu ist, dass mit der Messung von Feinstaub erstmals Umweltvariablen in das mobile Messkonzept integriert werden sollen.

Forschungsnahe Projekte für Studierende

Warum mobil? Die Stadtklimaforschung basiert vor allem auf Messungen und Daten von standortgebundenen Stationen, in Berlin gibt es beispielsweise das BLUME-Messnetzwerk, das an 16 stark befahrenen Stellen der Stadt die Konzentration von Luftschadstoffen misst. Der Vorteil eines mobilen Gerätes ist, dass Messungen räumlich und zeitlich verdichtet werden können.

Wann und wieso gibt es welche Schadstoff-Konzentrationen in der Stadt – diese Fragen stehen im Mittelpunkt des Forschungsinteresses. „Die Daten brauchen wir vor allem für die Grundlagenlagenforschung, sie fließen in Modelle. Für die Zukunft sind aber auch Anwendungen wie beispielsweise Frühwarnsysteme denkbar“, sagt der Forscher. Auch Studierende der HU werden in forschungsnahen Studienprojekten mit den Daten arbeiten und in den Betrieb der URBMOBI-Flotte eingebunden.

Unterstützung aus der Physik

Zur mobilen Messung kann URBMOBI auch an Fahrzeugen angebracht werden

Zur mobilen Messung kann URBMOBI an
Fahrzeugen angebracht werden.
Abbildung: Dr. Timo Sachsen

Das Gerät besteht aus Mikroelektroniksensoren, GPS, das wie im Navi oder Smartphone zur Positionsbestimmung dient, und GPRS (General Packet Radio Service), mit dem Informationen, wie bei einer herkömmlichen SMS bei Mobiltelefonen, übertragen werden. Bezüglich der Sensorik wird Schneider, der neben Geographie auch Physik studiert hat, vom Physiker Emil List-Kratochvil vom Campus Adlershof unterstützt.

Die Daten, die URBMOBI auf dem Weg durch die Stadt sammelt, wird es dann in Echtzeit auf einen Server am Geographischen Institut der HU schicken. Die mobil gewonnenen Daten können aber nicht sofort genutzt werden. Die Messwerte des Feinstaubs sind temperatur- und feuchtigkeitsabhängig und müssen nachprozessiert werden – mit Hilfe der Daten, die URBMOBI miterfasst, die aus dem offiziellen Messnetzwerk oder selbst betriebenen Feststationen stammen.

Forschungsprogramm "Stadtklima im Wandel"

Wenn die so gewonnenen Daten zur Verfügung stehen, werden beispielsweise Modelle mit ihnen gespeist, die zur Verbesserung des Stadtklimas, für die Stadtplanung oder die Luftqualitätskontrolle eingesetzt werden können. Klassische Wettervorhersagemodelle arbeiten mit zwei bis fünf Kilometer Auflösung. Forscher wünschen sich aber ein numerisches Stadtklimamodel für Großstädte in zehn Meter Auflösung, ein gebäudeauflösendes Modell, das beispielsweise den Kinderspielplatz von der Straßenschlucht unterscheidbar macht. „Das ist eine Riesenherausforderung“, betont Schneider.

Die Entwicklung eines neuen, feinskaligen Stadtklimamodels ist aber nicht nur Zukunftsmusik, sondern Ziel des Forschungsprogramms „Stadtklima im Wandel“, wo auch das Teilprojekt URBMOBI-GIS angesiedelt ist. Das Gesamtprogramm wird mit 13 Millionen Euro vom Bundesministerium für Bildung und Forschung für drei Jahre gefördert mit dem Ziel, den wirtschaftlichen und gesundheitlichen Folgen des Klimawandels entgegenzuwirken. Die Abteilung Klimageographie des Geographischen Institutes der HU ist außer mit URBMOBI-GIS mit einem weiteren Teilprojekt zur Stadtklimamodellierung am Gesamtprogramm beteiligt.

Autorin: Ljiljana Nikolic

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