Presseportal

Magna cum laude mit 81 Jahren

Helga Schwarz promovierte im hohen Alter über das Deutsche Bibliotheksinstitut

Helga Schwarz hat im Februar 2017 ihre Doktorarbeit mit „magna cum laude“ am Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaft der Humboldt-Universität verteidigt. Das Besondere daran ist: Die frisch gebackene Doktorin ist stolze 81 Jahre alt. „Es waren 30 Leute da. Und gleich nach der Disputation stieg auf dem Flur eine Riesenparty!“, sagt die energische Dame lachend. Es handelt sich nicht nur bei ihrer Arbeit über das Deutsche Bibliotheksinstitut (DBI) um einen „Politkrimi“, wie sie sagt, selbst die Ausfertigung war in geheimnisvolle Spannung gehüllt. Helga Schwarz behielt das Unterfangen ihrer Promotion sechs Jahre lang ganz für sich, um es als „fertige Sache“ der Familie und Freunden zu verkünden.

Den Traum von der Promotion hegte sie schon länger: „Ich wollte eigentlich bereits nach Abschluss meines Magisterstudiums der Informations- und Kommunikationswissenschaften 1995 an der Freien Universität promovieren.“ Familiäre Verpflichtungen, die Pflege der Mutter und die Erziehung der Tochter, ließen dies jedoch nicht zu.

„Warum wurde das DBI aufgelöst?“

Helga Schwarz

Helga Schwarz, Foto: Ralph Bergel

Helga Schwarz wollte in ihrer Doktorarbeit herausfinden, warum das DBI im Jahr 2000 aufgrund einer umstrittenen Empfehlung des Wissenschaftsrates von Bund und Ländern aufgelöst wurde. Über 17 Jahre hatte sie selbst dort gearbeitet. Nach dem Diplom-Examen 1957 arbeitete sie an verschiedenen Hochschulbibliotheken und ab 1972 war sie Bibliothekarin an der Arbeitsstelle für Bibliothekstechnik (ABT). Zuvor hatte sie nebenberuflich eine Ausbildung als Programmiererin an der Lessinghochschule in Berlin absolviert. „Ich war eine der Mütter der Zeitschriftendatenbank, das war das größte Projekt, welches die ABT in Angriff genommen hatte“, erinnert sie sich.

Mit diesem Projekt sei sie zum DBI gewandert und hatte hiermit bis 1989 zu tun. Zu diesem Zeitpunkt wurde das selbstentworfene System zur Verarbeitung der wachsenden Datenmengen der universitären und speziellen Bibliotheken durch ein kommerzielles Bibliothekssystem ersetzt, welches für die Tüftlerin nicht mehr dieselben Reize des kreativen Weiterentwickelns barg. Sie wechselte zu einem Posten bei der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und war zu Zeiten „des Untergangs des DBI“ nicht mehr dort tätig.

Aufgrund ihrer Kenntnis der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Instituts fühlte sie sich als perfekte Kandidatin für die Klärung der Frage „Warum wurde das DBI aufgelöst?“ Das Thema hatte sie auch aus Pflichtgefühl gewählt: Als ehemalige Bundesvorsitzende des Berufsverbandes und gleichzeitige Präsidentin der deutschen Bibliothekskonferenz brachte sie einzigartige Voraussetzungen mit, um sich des Sachverhaltes anzunehmen.

Und nun? Seminare und viele Reisen!

Das DBI war eine Dienstleistungseinrichtung für die Gesamtheit der deutschen Bibliotheken. „Der Wissenschaftsrat hatte 1997 die Auflösung empfohlen mit der Begründung, dass das DBI mehr Daten gesammelt als eigene Forschung betrieben habe. Aber nur eigene Forschung oder exzellente Leistung für die Wissenschaft zählte. Das konnten auch andere Institute nicht erfüllen. Nur das DBI traf es besonders, weil der Wissenschaftsrat genau zehn Jahre vorher gesagt hatte: Ihr müsst mehr für den Service in öffentlichen Bibliotheken tun!“, berichtet Helga Schwarz. „Der Wissenschaftsrat hatte seine Kriterien aber nicht gezielt dem DBI gegenüber geändert, sondern ganz allgemein, auf mehrere Institute bezogen. Er hatte damals empfohlen, neben dem DBI auch fünf andere Service-Institute aufzulösen. Ich schreibe in meiner Arbeit, das DBI hat das Falsche gut gemacht“, sagt Helga Schwarz in ihrer lebendigen Art.

Für ihre Arbeit hat sie Dokumente in Archiven durchforstet und Zeitzeugen wie den heutigen Präsidenten des Goethe-Instituts, Prof. Klaus-Dieter Lehmann, interviewt. Gut gelaunt erzählt sie über die anfänglichen Schwierigkeiten beim Schreiben: „Meine Doktormutter Prof. Dr. Claudia Lux hat mir erst einmal wissenschaftliches Schreiben beigebracht. Prof. Dr. Ulrich Naumann, der Zweitgutachter, hat in einer Rohfassung meiner Arbeit 600 Kommafehler angestrichen.“ Auch mit gesundheitlichen Problemen musste sie kämpfen: „2015 hatte ich eine Lungenembolie, die ich nur sehr knapp überlebt habe. Damals ist mir bewusst geworden: Es kann jeden Tag zu Ende sein.“  

Was hat sie nun vor? „Einen Job in der Wissenschaft – und sei es nur in Teilzeit – werde ich sicher nicht mehr annehmen. Der Doktortitel verhilft mir vielleicht noch zu ein paar Aufträgen für Seminare. Aber ich reise noch viel, überallhin, besonders zu den Konferenzen des Internationalen Bibliotheksverbandes IFLA. Davon lasse ich mich gar nicht abhalten, ich bin eine Reisetante.“

Autorin: Caroline Dynybil

Der Text stammt aus der HUmboldt-Zeitung, Ausgabe 6, 2016/17