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ERC Advanced Grants für zwei HU-Forschungsprojekte

Bernd U. Schipper von der Theologischen Fakultät und Bruno Klingler von der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät erhalten Fördermittel in Höhe von 4,3 Millionen Euro
Papyri in ägyptisch-demotischer Schrift

König Wenamun und das arabische Königreich von Lihyan 
(Papyrus Carlsberg 459. Copyright: Mit freundlicher
Genehmigung der Sammlung Papyrus Carlsberg)

Prof. Dr. Dr. Bernd U. Schipper, Professor für die Geschichte Israels in der altorientalischen Welt, und sein Forschungsteam erhalten für ihr Projekt DEMBIB vom Europäischen Forschungsrat (ERC) im Rahmen des Programms „Advanced Grants“ eine Fördersumme in Höhe von 2,5 Millionen Euro.

Erstmals werden Erkenntnisse zur Entstehung und literarischen Form der demotischen Literatur mit Theorien zur Literaturgeschichte des Alten Testaments in Verbindung gebracht.

Das Projekt TAMEHODGE von Prof. Dr. Bruno Klingler vom Institut für Mathematik enthüllt eine überraschende Verbindung zwischen Hodge-Theorie und Tame Geometry. Es wird vom ERC mit maximal 1,8 Millionen Euro gefördert.

ERC Advanced Grants unterstützen exzellente und selbst initiierte Forschungsprojekte führender Spitzenforscher:innen. Bewerber:innen müssen bedeutende Forschungsleistungen in den letzten 10 Jahren vorweisen können. Die maximale Förderung beträgt 2,5 Millionen Euro für eine Dauer von 5 Jahren mit der Möglichkeit einer zusätzlichen Aufstockung von bis zu 1 Million Euro.

Ägyptische Papyri und die Entstehung der Hebräischen Bibel

Das Projekt DEMBIB (From Texts to Literature. Demotic Egyptian Papyri and the Formation of the Hebrew Bible) stellt die Literaturgeschichte des Alten Testaments – der Hebräischen Bibel – in einen neuen Kontext. Durch die Entdeckung zahlreicher Papyri in ägyptisch-demotischer Schrift innerhalb der letzten 20 Jahre liegt ein Textkorpus vor, das in unmittelbarer historischer und geographischer Nachbarschaft zur Literatur des antiken „Israel“ entstand, von der alttestamentlichen Forschung jedoch bislang kaum zur Kenntnis genommen wurde.

Prof. Schipper und sein interdisziplinäres Forschungsteam, bestehend aus Demotisten und Alttestamentlern, verknüpfen erstmals Erkenntnisse zur Entstehung und zur literarischen Gestalt der demotischen Literatur mit Theorien zur alttestamentlichen Literaturgeschichte. Der komparatistische Ansatz des Projektes baut auf der Beobachtung auf, dass die hebräischen wie die demotischen Texte unter vergleichbaren sozio-historischen Bedingungen entstanden: Ägypten und das antike „Israel“ waren im 5.-3. Jh. v. Chr. gleichermaßen durch Fremdherrschaft und internationale Einflüsse bestimmt, die unmittelbare Auswirkungen auf die literarischen Eliten der Zeit hatten.

Das Forschungsprojekt verspricht neue Einblicke in die literarischen Techniken der antiken Schriftgelehrten, die ihre je eigenen Schrifttraditionen zu größeren Geschichtswerken, zu komplexen Prophetien und zu kunstvoll komponierten Weisheitsbüchern ausarbeiteten. Damit können neue Antworten auf Fragen gefunden werden, die die Forschung zur alttestamentlichen Literaturgeschichte als besonders drängend erkannt hat, etwa die bessere Erschließung der Redaktion der alttestamentlichen Bücher, die Klärung des Verhältnisses zwischen literarischen Vorlagen und späteren Textfassungen sowie die Bedeutung von Schriftgelehrsamkeit und (Tempel-)Schulen.

Erforschung der Transzendenz von Perioden durch Tame Geometry

Das Projekt TAMEHODGE (Tame Geometry und Transzendenz in der Hodge-Theorie) beabsichtigt mit Hilfe von Werkzeugen der mathematischen Logik fundamentale Fragen der Hodge-Theorie anzugehen.

Die Hodge-Theorie, entwickelt in den 1970er Jahren, wurde das Hauptinstrument zum Verständnis der Geometrie und Arithmetik komplexer algebraischer Varietäten, also Lösungsmengen von algebraischen Gleichungen über den komplexen Zahlen. Man kann sie sich als eine dramatische Linearisierung vorstellen, die jeder komplexen algebraischen Varietät ein sehr einfaches Objekt zuordnet: einen endlich dimensionalen komplexen Vektorraum, der die Perioden der Differentialformen auf der Varietät kodiert. Im Mittelpunkt der Theorie steht die grundlegende Tatsache, dass – auch wenn die Theorie Hodges sehr einfache Objekte generiert – sie selbst nicht durch ein einfaches algebraisches Rezept bestimmt ist, sondern transzendentale Operationen erfordert. Zwei wichtige Annahmen in der Mathematik, die Vermutung von Hodge und die Perioden-Vermutung von Grothendieck, besagen hingegen, dass diese Transzendenz streng limitiert ist.

Neuere Arbeiten Prof. Klinglers und seiner Mitarbeiter:innen haben das Entstehen einer spektakulären Verbindung zwischen Hodge-Theorie und Tame Geometry gezeigt.Die Tame Geometry, deren Möglichkeit von Grothendieck in den 1980er Jahren vorgeschlagen und von Logiker:innen unter dem Namen ‚o-minimal geometry‘ weiterentwickelt wurde, untersucht Strukturen, bei denen jede definierbare Menge eine endliche geometrische Komplexität hat. Das Projekt möchte zeigen, dass ‚moderate geometry‘der natürliche Rahmen für diese Theorie ist, mit wichtigen Anwendungen hinsichtlich der Transzendenz von Perioden, der atypischen Schnittpunkte und der nicht-abelschen Hodge-Theorie.

Weitere Informationen

Presseinformationen vom ERC (auf Englisch)
ERC Advanced Grants

Kontakt

Prof. Dr. Dr. Bernd U. Schipper
Theologische Fakultät
Geschichte Israels in der altorientalischen Welt
Humboldt-Universität zu Berlin

Tel.: +49 30 2093-5876
bernd.schipper@hu-berlin.de

Prof. Dr. Bruno Klingler
Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät
Institut für Mathematik  
Humboldt-Universität zu Berlin

Tel.: +49 30 2093-5824
klingleb@hu-berlin.de