Textilkunst als Ausdruck des afroamerikanischen Widerstands

Foto: Harriet Powers: Pictorial Quilt
(Museum of Fine Art, Boston)
Rassismus und Unfreiheit prägten Ende des 19. Jahrhunderts das Leben schwarzer Menschen in den Vereinigten Staaten. Die Verarbeitung der traumatischen Erfahrungen der Sklaverei spiegeln sich in einem Quilt der afroamerikanischen Künstlerin und ehemaligen Sklavin Harriet Powers aus dem Jahr 1898. Das zeigt ein Beitrag auf der Onlineplattform der Fachzeitschrift „TEXTILE – Cloth and Culture“ von Paula Böke, Masterstudentin am Institut für Kunst- und Bildgeschichte der Humboldt-Universität zu Berlin. Sie erläutert, wie Harriet Powers‘ „Pictorial Quilt II“ (1898) als anagrammatische Erzähltechnik dient, die verborgene Bedeutungen und Geschichten über afroamerikanische Erfahrungen im postkolonialen Amerika offenbart.
Von Powers sind verschiedene Quilts erhalten. Die Studie bezieht sich auf Pictorial Quilt II, der 190 Applikationen in Form von Tieren, Himmelskörpern und menschlichen Figuren darstellt. Die Arbeit mit 15 separaten Paneelen ermöglichte es Powers, in sich abgeschlossene Geschichten zu erzählen und sie in einen gemeinschaftlichen und vergleichenden Kontext zu stellen.
Textilkunst als erzählerisches Medium
In ihrem Artikel analysiert Paula Böke im Detail die Materialität, die visuellen Elemente und den kulturellen Kontext der Entstehung des Quilts und ordnet Powers' Werk in die afroamerikanische Tradition der Quiltherstellung ein. Böke deutet den Quilt als anagrammatisches Medium, das heißt, sie folgt einer Erzähltechnik, bei der Geschichten und Symbole so arrangiert werden, dass neue Bedeutungen geschaffen werden, die über den konventionellen westlichen Erzählrahmen hinausgehen. Sowohl durch den Prozess der Quiltherstellung als auch durch die darauf dargestellten Botschaften drücke Harriet Power ihren Widerstand gegen die Rassifizierung und die Nachwirkungen der Sklaverei aus.
Mit dieser Analyse erscheint die Rolle von Harriet Powers als Künstlerin in einem neuen Licht: „Harriet Powers, die in vergangenen Publikationen oft auf ihre Identität als ehemalig versklavte Frau reduziert wurde, wird nicht nur als Künstlerin hervorgehoben, sondern auch als Schöpferin einer visuellen Erzählung, die sich mit den Paradoxien der schwarzen Existenz im Amerika nach der Sklaverei auseinandersetzt, “ so Paula Böke. Insgesamt bietet der Beitrag neue Perspektiven auf die Rolle von Textilkunst als erzählerisches Medium und trägt zum Verständnis der kulturellen Ausdrucksformen im postkolonialen Kontext bei.
Über Harriet Powers
Harriet Powers wurde 1837 auf einer Plantage in Georgia, USA, geboren und arbeitete bis sie 28 Jahre alt war auf einer Plantage. Sie hat sowohl die Sklaverei als auch deren Abschaffung und die folgende Ära der „Reconstruction“ erlebt. Neben der Arbeit auf ihrem Bauernhof ging sie der traditionellen Textilkunst in Form der Herstellung von Quilts nach.
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