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Mit altem Kaffeesatz zum sauberen Wasser

Der Chemiker Prof. Dr. Klaus Rademann und sein Kollege Prof. Dr. Suresh Valiyaveettil von der National University of Singapore erforschen umweltfreundliche Wasserfilter aus Cellulose
Grün, also umweltfreundlich und nachhaltig, soll die Chemie der Zukunft sein.

Grün soll die Chemie der Zukunft sein.
Foto: Colourbox.de

In vielen Teilen der Welt ist Wasser rar oder verunreinigt. Industrieabfälle und Schwermetalle, aber auch Pestizide, verschmutzen den lebensnotwendigen Stoff. Nur einige Jahrzehnte ist es her, dass auch deutsche Gewässer wie der Rhein giftige Brühen führten. Erst durch ein gesellschaftliches und industrielles Umdenken änderte sich dies: Der Grundgedanke der Grünen Chemie war geboren, wo nachhaltige und umweltfreundliche Verfahren im Vordergrund stehen.

Forscher des Instituts für Chemie haben sich diesem Gedanken verschrieben. In Kooperation mit Kollegen der National University of Singapore (NUS) haben sie ein Wasserfilter-Forschungsprojekt auf den Weg gebracht, das nicht nur Wasserkonsumenten und der Industrie weltweit bei der Reinhaltung von Wasser helfen könnte. Es bringt einer neuen Generation von Chemikern die Prinzipien der Grünen Chemie und einen verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen näher. Unter Leitung von Prof. Dr. Klaus Rademann arbeiten Berliner Wissenschaftler zusammen mit dem Team von Prof. Dr. Suresh Valiyaveettil von der NUS an einer neuen Art von Cellulose-Filter. Der soll nicht nur kostengünstig und umweltfreundlich produziert Verunreinigungen entfernen oder mit Silbernanopartikeln versetzt sogar Keime töten, sondern sich je nach Einsatz sogar mit recycelbaren und weiterverwendbaren Rohstoffen füllen.

Cellulose als Nahrungsergänzungsmittel

Doch auch bei Nahrungsmittelknappheit könnte sich die untersuchte Cellulose als interessanter Stoff entpuppen. Der nachwachsende Rohstoff, der aus Pflanzen oder gar altem Kaffeesatz oder Fruchtschalen gewonnen werden kann, könnte, aufgespaltet in seine Bestandteile, sogar zukünftig zum Nahrungsergänzungsmittel taugen, vermuten die Forscher. Denn noch ist, was Wiederkäuer problemlos verarbeiten, für Menschen schwer verdaulich. Doch bevor wir in Zukunft womöglich Cellulose unter unser Mittagessen mischen, müssen Chemiker zuerst die Eigenarten des Stoffs verstehen und vor allem seine Herstellung und seinen Einsatz verfeinern und untersuchen. Hierzu soll das vorerst auf ein Jahr angelegte Projekt von den Stärken der beiden Universitäten profitieren: Die Wissenschaftler der NUS steuern ihr Wissen rund um die Herstellung und Eigenschaften von Cellulose bei und liefern auch Materialproben.

Vermessung, Behandlung, Weiterentwicklung und auch Entsorgung werden in Berlin genauer erforscht. Wie verhält sich das Material bei Kontakt mit Wasser? Welche Partikel und Stoffe werden wie stark herausgefiltert? Auch wie gut und wie stark sich dies mit der Nachbehandlung der Cellulose ändert, ist ein wesentlicher Bestandteil des Projekts und muss vermessen werden. Als ersten Schritt haben sich die Chemiker dabei ein Cellulose-Material als Ziel gesetzt, das selektiv giftige Stoffe aus Trinkwasser entfernen soll, Metalle wie Thallium, Cadmium, Blei, Quecksilber und Kupfer.

Zur Kooperation: Die NUS gehört zu den besten Universitäten Asiens und ist eine von drei Profilpartnern der HU, mit denen sie unter anderem bilaterale Forschungskooperationen pflegt. Rademann hat auf einer Forschungsreise nach Australien bei seinen Kollegen in Singapur Halt gemacht. Dort setzten sich die wissenschaftlichen Teamleiter des internationalen Projekts „Schwermetallentfernung aus Gewässern“ zusammen und überlegten, wie sie die Stärken und das Wissen ihrer Institute kombinieren könnten. Und die Idee der Kooperation formte sich, angelehnt an ein klares, weltweites Bedürfnis und ausgerichtet auf einen Wunsch: sauberes Trinkwasser.

Grundgedanke der Grünen Chemie muss in den Köpfen ankommen

Dass von industrieller und Konsumentenseite auf der ganzen Welt Bedarf besteht an kostengünstigen, nachhaltigen und einfachen Filtersystemen, weiß Projektleiter und Chemiker Rademann gut. Denn er hat den Weg in die Chemie über die Industrie gefunden und kennt deren Tücken, Denkweisen und Notwendigkeiten. Als 14-Jähriger absolvierte er eine Berufsausbildung bei der BASF in Ludwigshafen und arbeitete dort, bis er eines Tages kündigte und mehr wollte. Er studierte und wurde Chemiker. Das war in einer Zeit in der Umweltbewusstsein und Grüne Chemie bestenfalls unpopulär waren, erinnert er sich. „Es wurde in der Industrie oft gescherzt, dass wir Chemiker uns nichts sehnlicher herbeiwünschten als den November: Die Zeit des Nebels, in der die Industrie Abgase und Abfallstoffe ohne Aufsehen entsorgen konnte.“ Diese Zeiten des sorglosen Umgangs sind allerdings heute vorbei.

Filteranlagen, Emissionsüberwachung und Kontrollen haben dazu geführt, dass vor allem in Deutschland Umweltstandards auf einem hohen Niveau sind. Doch die Grundgedanken der Grünen Chemie müssen in den Köpfen ankommen. Denn nicht nur das Beseitigen des eigenen Mülls reicht, die Konzeption und Problemlösung aus Sicht der grünen Prinzipien, sind wichtig. Rademann will bereits bei seinen Studierenden dafür den Grundstein legen, neben Forschungsprojekten vor allem mit neuen didaktischen Methoden und Experimenten, die sogar in Schulen zum Einsatz kommen könnten.

Der Luxemburger Kim Greis studiert seit drei Jahren an der HU Chemie und forscht bereits in der Gruppe um Rademann. Grüne Chemie und umweltfreundliche Verfahren als Teil des Studiums sind für ihn ein Idealzustand. Bereits in der Ausbildung könne er einen praktischen Beitrag leisten, sagt er. Für seine Abschlussarbeit beschäftigt er sich mit einem Aspekt des Cellulose-Projekts und wird diese so auch veröffentlichen können. Keine Selbstverständlichkeit im oft verschulten Alltag der Studierenden in Deutschland. Und das Kooperationsprojekt bietet noch weitere Pluspunkte, über die sich die angehenden Forscher freuen können: Auslandserfahrungen,-kontakte und Konferenzen inklusive. „Ein persönliches Treffen in Singapur ist fest eingeplant“, freut sich Greis.

Autor: Peter Gotzner

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