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„Von alleine wird’s nicht“

Angelika Keune, Kustodin der Universität, lädt zur Ausstellung „Kluge Frauen“ – im Herbst verabschiedet sie sich in den Ruhestand

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Claudia Kemfert, Lilo Hermann, Marlis Dürkop, Paula Hertwig - Grafik: Doreen Lemke

 

Die Ausstellung „Portraits kluger Frauen“ zeigt Bildnisse von Frauen in ganz unterschiedlichen künstlerischen Medien: Zu sehen sind großformatige Gemälde, Zeichnungen, aber auch viele bildnerische Werke wie Skulpturen, Büsten oder Medaillien. Auch die Künstler, die sich mit den Forscherinnen auseinandergesetzt haben, sind mehrheitlich Frauen. Eine von ihnen, die Bildhauerin des Lise-Meitner-Denkmals, Anna Franziska Schwarzbach, hat gemeinsam mit Angelika Keune die Ausstellung kuratiert.

Portait der Kustodin Angelika Keune

Oh nein, ein Vogel hat der Physikprofessorin auf den Kopf gemacht! Angelika Keune rafft ihren langen Mantel und steigt beherzt über die Sträucher im Ehrenhof. Sie geht über die Wiese, steigt die schmale Treppe des Denkmals hoch, bis sie vor der zarten Figur Lise Meitners steht. Dann wischt sie ihr mit einem Taschentuch über die Wange, die Augen, das Kinn. Während Angelika Keunes blauer Seidenschal und ihr blondes Haar im Wind wallen, blickt Lise Meitner nachdenklich in die Ferne. „Ich liebe ihren Gesichtsausdruck, er ist so lebensnah, als ob sie zu mir spreche“, sagt Keune. Von allen Kunstschätzen der Humboldt-Universität liege ihr die Skulptur der Kernphysikerin am meisten am Herzen. Als Kustodin verwaltet sie mehr als 1000 Sammelobjekte und hat mehr als 100 Ausstellungen von Studierenden in der Kleinen Humboldt-Galerie betreut. „Ich habe hunderte von Briefen an potentielle Stifter geschrieben, bis ich das Geld zusammen hatte“, erzählt sie. Aber dann konnte sie es in Auftrag geben: das erste Denkmal für eine Wissenschaftlerin an einer Universität in Deutschland.

Letzte Ausstellung vor dem Ruhestand

Das Interesse an der Anerkennung von Frauen zieht sich leitmotivisch durch Angelika Keunes Berufsleben, das sie – mit einer sechsjährigen Unterbrechung – an der HU verbrachte. Von 1994 bis 2008 war sie stellvertretende Frauenbeauftragte, sie hat die „Humboldt-Frauen“ mit gegründet und die jetzige Kita der Humboldt-Universität mit ins Leben gerufen. Die jetzige Ausstellung ist die letzte, bevor sie im Herbst in den Ruhestand geht. Die beiden Kuratorinnen zeigen unter anderem die künstlerischen Porträts erfolgreicher Professorinnen der Humboldt-Universität, wie Ingeborg Rapoport, Susanne Baer und Claudia Kemfert. „Mit der Schau will ich junge Frauen ermutigen, eine wissenschaftliche Karriere einzuschlagen.“

Das Hausfrauenmodell gab es im Osten nicht, sagt sie, „aber als Studentin war mir nicht bewusst, dass auch die DDR eine männerdominierte Gesellschaft war“, sagt Keune, die 1971 ihr Studium an der HU aufnahm und danach unter anderem in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit arbeitete. Im November 1989 nahm die promovierte Germanistin und Historikerin ihre Arbeit als Kustodin auf. „Als erstes fiel mir auf, dass alle künstlerischen Porträts, ob Büsten, Gemälde oder Zeichnungen, Männer zeigten, ungebrochen seit 1833, auch die aus Ost-Zeiten.“ Frauen waren nicht porträtwürdig. Auf dem Medaillon zur Gedenktafel fand sie, „sei Lise Meitner dargestellt wie ein Mann. Auf den Medaillen war vorne der Wissenschaftler zu sehen und auf der Rückseite flog eine weibliche Allegorie leicht bekleidet durch die Lüfte.“

„Es gibt immer noch weniger Frauen als Männer in der Wissenschaft“

Von da an begriff die Kustodin es auch als ihre Aufgabe, die Frauen vom Status des zierenden Beiwerks zu befreien, ihre Leistungen als Wissenschaftlerinnen ins öffentliche Bewusstsein zu bringen. In der Präsidialetage hingen damals nur Professorenbildnisse. „Aber als mit Marlis Dürkop die erste Präsidentin kam, war die Zeit reif“, sagt die Kustodin. Bildnisse von Frauen waren Anfang der neunziger Jahre nicht bekannt. Keune hat ihre Biografien recherchiert und Fotografien besorgt. Seitdem hängen auch Foto-Porträts von Professorinnen hier, von Rhoda Erdmann etwa, Gertrud Bäumer oder Lieselotte Herrmann, die auch in der Ausstellung als künstlerische Porträts gezeigt werden.

Auch Lise Meitner ist in der Schau „Kluge Frauen“ zu sehen. Nachdem sie anfangs nur den Hintereingang benutzen und im Keller arbeiten durfte, war sie eine der ersten Frauen in Berlin, die eine Professur erhielt. „Die Treppenstufen hier am Denkmal zeigen, wie sie sich allmählich hochgearbeitet hat“, sagt Angelika Keune. „Erst in den fünfziger Jahren, spät, aber nicht zu spät, sagte sie: Ich habe das erreicht, weil andere sich für die Rechte der Frauen eingesetzt haben.“ Neben dem imposanten, überlebensgroßen Denkmal von Helmholtz wirkt sie scheu und bescheiden. „Und so war sie auch: sehr zurückhaltend und sehr klug.“

Welchen Ratschlag würde Angelika Keune, am Ende ihres Arbeitslebens, ihrem jungen Selbst geben? „Ein bisschen gelassener zu sein, ich rege mich zu schnell auf.“ Den Studierenden rät sie das aber nicht: „Die sind zu gelassen, sie engagieren sich viel zu wenig“, sagt sie. „Es gibt immer noch weniger Frauen als Männer in der Wissenschaft, wir müssen uns also weiter bemühen. Wenn ich eines gelernt habe, dann das: Von alleine wird’s nicht.“ Im Ruhestand will sich Angelika Keune erst einmal nur ausruhen und sich um ihr erstes Enkelkind kümmern. „Darauf freue ich mich: Einfach mal Oma sein.“

Autorin: Vera Görgen

Ausstellung und Eröffnung

„Portraits kluger Frauen in Skulptur, Malerei, Zeichnung und Medaille“

HU-Hauptgebäude | Lichthof
Unter den Linden 6
10117 Berlin

Öffnungszeiten:
4. Mai – 2. Juni 2018, montags bis samstags, 12 – 19 Uhr (an Feiertagen geschlossen)

Der Eintritt ist kostenfrei.

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