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„Ich will etwas schaffen, was auch in der Praxis einen sichtbaren Beitrag liefert“

Die Emmy Noether-Nachwuchsgruppenleiterin Prof. Dr. Nadja Klein im Porträt

Nadja Klein
Prof. Dr. Nadja Klein.
Foto: privat

Es ist ein Erfolg für die Humboldt-Universität zu Berlin und deren Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät, ganz besonders aber für Nadja Klein: Die promovierte Mathematikerin, die im Oktober vergangenen Jahres eine Juniorprofessur für angewandte Statistik an der HU antrat, erhielt kürzlich die Förderung für eine von ihr beantragte Nachwuchsgruppe im Emmy Noether-Programm, die mit knapp einer Million Euro Forschungsgeldern dotiert ist. Überzeugt hatte die junge Forscherin die Auswahlkommission der Deutschen Forschungsgemeinschaft mit einem innovativen Ansatz, der maschinelles Lernen mit Bayesianischer Statistik verknüpft und breite Anwendbarkeit in Medizin, Wirtschafts-, Natur- und Lebenswissenschaften ermöglicht. Das Emmy-Noether-Programm eröffnet Nadja Klein die Möglichkeit, sich innerhalb von sechs Jahren ihre eigene Nachwuchsgruppe aufzubauen.

Eine wissenschaftliche Laufbahn war nicht geplant

Dass Nadja Klein mit großem Erfolg studieren, eine Promotion abschließen, im Ausland forschen und dann auf direktem Wege auf eine Juniorprofessur im Bereich Data Science, also dem Erkenntnisgewinn aus komplexen Daten, zusteuern würde, das hätten sie und ihr familiäres Umfeld zunächst nicht für möglich gehalten, erinnert sich die Forscherin. „Ich stamme aus keiner Akademikerfamilie. Eine wissenschaftliche Karriere habe ich während meines Studiums und auch noch zu Beginn meiner Promotion nie ernsthaft in Erwägung gezogen.“ In ihrer Grundschulschulklasse war Nadja Klein eine von nur wenigen Schülerinnen und Schülern, die nach Abschluss der vierten Klasse aufs Gymnasium wechselten. Dort wurden Lehrerinnen und Lehrer schnell auf ihr außerordentliches mathematisches Talent aufmerksam, förderten und ermutigten sie, an Wettbewerben wie der Mathematikolympiade teilzunehmen.

Nicht abstrakt bleiben

Nach einem kurzen Abstecher in die Welt des Lehramts, studierte Nadja Klein Mathematik und Physik, konzentrierte sich bald auf Anwendungen, die Theorie und Praxis miteinander verknüpfen. „Ich will mit mathematischen und statistischen Methoden etwas schaffen, das nicht nur abstrakt, sondern auch in der Praxis einen sichtbaren Beitrag liefert.“ In ihrer Abschlussarbeit konzentrierte sie sich daher auf angewandte Wahrscheinlichkeitsrechnung und Lebenszeitanalysen bei der Lufthansatechnik in Hamburg. 2015 schloss die Mathematikerin dann ihre Promotion ab, wurde für die herausragende Arbeit mit mehreren Preisen ausgezeichnet. Im Anschluss arbeitete sie als Postdoktorandin in Göttingen und Melbourne. „Ich war dort in fantastischen Arbeitsgruppen. Verschiedene Professoren und besonders mein Doktorvater und mein Host an der University of Melbourne haben mich sehr stark unterstützt und gefördert“, sagt die Forscherin. 2018 folgte Nadja Klein dem Ruf nach Berlin, ist seitdem Juniorprofessorin an der Humboldt-Universität.

Big Data und Medizin

Ein methodischer Fokus von Nadja Klein, dem sie auch im Rahmen der Emmy Noether-Nachwuchsgruppe nachgehen wird, liegt auf maschinellem Lernen und Bayesianischer Statistik. Letztere ist nach dem englischen Statistiker Thomas Bayes benannt, der einen Spezialfall des Bayes-Theorems formulierte, womit man bestimmen kann, welche Hypothesen, basierend auf beobachteten Daten, am wahrscheinlichsten sind. Ausrechnen kann man damit zum Beispiel, wie verlässlich ein medizinischer Test ist – und zwar basierend auf der Rate der an einer bestimmten Krankheit leidenden Menschen und den spezifischen Eigenschaften des medizinischen Tests. Dies ermöglicht eine Aussage darüber, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass jemand, der positiv getestet wurde, wirklich krank ist. „Bayesianische Statistik beinhaltet aber viel mehr als das klassische Bayes-Theorem. Besonders in Zeiten von Big Data gewinnen Entwicklung und Anwendung von Bayesianischen Methoden stetig an Bedeutung,“ erläutert Nadja Klein.

Murmeltiere in Kasachstan

Nicht nur in der Ökonometrie, einem Teilgebiet der Wirtschaftswissenschaften, das ökonomische Theorie, empirische Daten und statistische Methoden vereinigt, gebe es viele Anwendungsgebiete, erklärt Nadja Klein. Wie das oben genannte Beispiel zeigt, ist der Ansatz auch für die Lebenswissenschaften von hoher Relevanz. „Ich kooperiere mit Wissenschaftlern aus ganz unterschiedlichen Fachbereichen und Disziplinen. Derzeit beschäftige ich mich zum Beispiel gemeinsam mit zwei Ökologen mit den Auswirkungen von abruptem Landnutzungswandel auf die Verbreitung von Murmeltieren in Kasachstan.  Ein anderes meiner Projekte befasst sich mit der Verbreitung und Behandlung von Diabetes.“

Statistische Methoden für komplexe Datenmengen

Konkret geht es im Forschungsprogramm von Nadja Kleins Nachwuchsgruppe um die Entwicklung von statistischen Methoden für flexible hochdimensionale Regressionsmodelle und die Erforschung von skalierbaren Inferenzverfahren zur effizienten und genauen Schätzung solcher Modelle für komplexe Datenmengen. Die Grundidee ist dabei, Bayesianische probabilistische Ansätze mit Lernalgorithmen aus dem Bereich des maschinellen Lernens zu verknüpfen, um die jeweiligen Vorteile simultan nutzen zu können. „Blackbox-Modelle aus dem Bereich Machine Learning benötigen nicht nur extrem große Mengen an Trainingsdaten, sie bergen bislang auch hohe Risiken,“ erläutert Nadja Klein die Hintergründe. „Wenn beispielsweise von Interesse ist, ob ein Patient eine Krankheit hat oder nicht, dann ist es fundamental wichtig auch quantifizieren zu können, mit welcher Wahrscheinlichkeit man einem Irrtum erliegt.“ Neben inhaltlichen Fragen sei es ihr ein Anliegen, die Emmy-Noether-Gruppe als eigene, gut vernetzte Forschungsgruppe mit Alleinstellungsmerkmalen und hochqualitativen Beiträgen aufzubauen, so die Forscherin.

Autorin: Nora Lessing