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„Moodle-Nutzungen sind in größerem Umfang erlaubt“

Prof. Dr. Eva Inés Obergfell, Vizepräsidentin für Lehre und Studium über ein neues Gesetz zum Urheberrechtsschutz: „Aber es bleibt bei einem diffizilen Regel-Ausnahme-System“

Prof. Dr. Eva Inés Obergfell
Prof. Dr. Eva Inés Obergfell,
Foto: Matthias Heyde

Am 1. März 2018 tritt das Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz in Kraft und reformiert die Regelungen zur Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke für Bildung und Forschung (sogenannte Schrankenregelungen).

Frau Obergfell, Paragraph 60a des Urheberrechtsgesetzes erlaubt es, für den Unterricht und die Lehre an Bildungseinrichtungen wie Schulen und Hochschulen grundsätzlich bis zu 15 Prozent eines Werkes zu nutzen. Können wir uns über diese Regelung freuen?

Obergfell: Diese neuen Grenzen der zulässigen Nutzung von 15 Prozent eines veröffentlichten Werkes zur Veranschaulichung der Lehre gehen zugunsten der Werknutzer einen deutlichen Schritt über den status quo hinaus. Bisher galt, dass über Plattformen wie „Moodle“ nur zwölf Prozent des Werkes und insgesamt nicht mehr als 100 Seiten zugänglich gemacht werden durften. Nutzer können sich daher insbesondere darüber freuen, dass ihnen „Moodle“-Nutzungen in größerem Umfang erlaubt sind.

Welche Werke und welche Formen der Nutzung beinhaltet das Gesetz genau, geht es nur um das Digitale?

Das „Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz“– so das amtliche Wortungetüm – zielt darauf ab, ganz generell die zuvor in verschiedenen Einzelvorschriften des Urheberrechtsgesetzes verstreuten urheberrechtlichen Schranken, die Nutzungen in Unterricht und Wissenschaft erlauben, zu systematisieren und an das durch Digitalisierung und Vernetzung veränderte Nutzungsverhalten insbesondere im Hochschulbereich anzupassen. Von den Neuerungen sind grundsätzlich zunächst alle Typen von Werken betroffen, und es geht dabei keineswegs nur um digitale Nutzungsformen.

Gibt es Ausnahmen?

Ja, der Gesetzgeber nimmt bestimmte Bereiche von der erlaubten Nutzung aus: beispielsweise dürfen Schulbücher nicht gemäß Paragraph 60a Urheberrechtsgesetz genutzt werden, öffentliche Vorträge und Aufführungen nicht auf Bildund Tonträger aufgenommen werden und auch einzelne Beiträge aus tagesaktuellen Zeitungen und Publikumszeitschriften sind – anders als einzelne Beiträge aus Fachzeitschriften und wissenschaftlichen Zeitschriften – von der schrankenprivilegierten Nutzung ausgenommen worden.

Was muss man nun genau beachten?

Es ist stets der enge Nutzungszweck und besondere Nutzerkreis zu beachten: die Vervielfältigung, beispielsweise das Kopieren eines Abschnitts aus einem Lehrbuch, die Verbreitung, beispielsweise von Kopien an die Studierenden einer Vorlesung, und das so genannte öffentliche Zugänglichmachen, also das Online-Stellen etwa eines Lehrbuchauszugs in einem „Moodle“-Kurs, sowie die sonstige öffentliche Wiedergabe wie etwa das Projizieren eines Lehrbuchabschnitts in der Vorlesung ist nur dann erlaubt, wenn es dem besonderen Zweck der Veranschaulichung des Unterrichts und der Lehre an Hochschulen und anderen Bildungseinrichten dient und zu nicht-kommerziellen Zwecken erfolgt.

Es bleibt auch auf Grundlage der neuen gesetzlichen Regelung bei einem diffizilen Regel-Ausnahme-System erlaubter und nicht erlaubter Nutzungen. Für nähere Informationen verweise ich auf den entsprechend angepassten HU-Leitfaden zu „Moodle“-Nutzungen.

Was müssen Lehrende bedenken, wenn sie jetzt (digitale) Semesterapparate und Moodle-Kurse bestücken? Oder wie rechnet man 15 Prozent von Zeitschriften, Videos und PDFs aus?

Ich empfehle Lehrenden, zunächst zu prüfen, ob für das ausgewählte Werk eine Campuslizenz besteht und im Rahmen dieser Lizenz genutzt werden kann. Erst wenn dies nicht der Fall ist, greifen die Schrankenregelungen. Hierbei ist zu beachten, dass die betroffenen Werke wie bisher grundsätzlich nur den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der jeweiligen Veranstaltung zur Verfügung gestellt werden dürfen. Der Zugang zu „Moodle“-Kursen muss durch ein Passwort geschützt werden. Die Grenzen der erlaubnisfreien Nutzung, also insbesondere die Grenze von 15 Prozent des Werkumfangs, sind zwingend einzuhalten, sonst drohen Abmahnungen und Gerichtsverfahren. Zur Berechnung dieses Umfangs werden von der Gesamtseitenzahl des Werkes die nicht bedruckten Seiten abgezogen und sodann hiervon 15 Prozent ermittelt. Abbildungen, Werke geringen Umfangs sowie einzelne Beiträge aus Fachzeitschriften und wissenschaftlichen Zeitschriften dürfen abweichend von der Grundregel vollständig genutzt werden. Dies gilt im Übrigen auch für vergriffene Werke, die wie bisher vollständig genutzt werden dürfen.

Das Gesetz betrifft auch wissenschaftliche Arbeit. Forschende dürfen für ihre nicht-kommerzielle wissenschaftliche Forschung grundsätzlich bis zu 15 Prozent eines Werkes nutzen. Was bedeutet das genau?

Die Neuregelung zur wissenschaftlichen Forschung findet sich in Paragraph 60 c UrhG und meint, dass jedermann 15 Prozent eines Werkes für einen bestimmt abgegrenzten Kreis von Personen, beispielsweise Forschungs- und Doktorandengruppen, und auch zum Zwecke der Qualitätssicherung durch „Peer-Reviews“ vervielfältigen, verbreiten und öffentlich zugänglich machen kann. Diese Nutzungsformen sind im Kern dieselben wie im Bereich der digitalen Lehre, das heißt, es können im entsprechenden Umfang sowohl analoge oder digitale Kopien angefertigt als auch „Moodle“-Einstellung vorgenommen werden. Die Nutzung darf nicht zu kommerziellen Zwecken erfolgen, wobei die Quelle der Forschungsfinanzierung an Universitäten keine Rolle spielt: Auch eine durch private Drittmittel ermöglichte Forschung bedeutet keine kommerzielle Zweckverfolgung in diesem Sinne.

Außerdem ist die Vervielfältigung von 75 Prozent eines Werkes für Forschungszwecke erlaubt. Welche Nutzungsformen sind hier gemeint?

Zum Zwecke der eigenen wissenschaftlichen Forschung dürfen nach neuem Recht nun 75 Prozent eines Werkes vervielfältigt werden. Hierbei geht es allein um analoge und digitale Kopien. Andere Nutzungen – wie  beispielsweise die Online-Stellung – sind nicht umfasst.

Können Forschende zufrieden sein mit dieser Regelung?

Das Gesetz sieht mit der 75-Prozent-Regel nun eine starre Grenze vor und bringt damit Klarheit. Denn bisher war man sich in der Rechtswissenschaft nicht einig, in welchem Umfang solche Kopien zulässig sein sollten. Es wurde zwar überwiegend eine 90-prozentige Schwelle angenommen, doch stand diese Schwelle unter dem Vorbehalt einer Gebotenheitsprüfung. Außerdem war diese Frage höchstrichterlich nicht geklärt. Die neue Begrenzung auf 75 Prozent bedeutet damit zwar eine Absenkung der bisherigen Zulässigkeitsschwelle, aber diese Grenze kann nun nicht mehr mit dem Argument mangelnder Gebotenheit weiter abgesenkt werden. Im Ergebnis bedeutet dies für die Forschenden ein Plus an Rechtssicherheit.

Müssen die Nutzungsrechte für Lehre sowie Forschung bezahlt werden?

Die für Lehre und Forschung erlaubten urheberrechtlichen Nutzungen sind grundsätzlich vergütungspflichtig. Der Urheber hat einen Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Vergütung. Diese kann er allerdings nicht direkt von Lehrenden oder Forschenden, die seine Werke nutzen, verlangen. Es handelt sich hierbei um eine Pauschalvergütung, die durch die Verwertungsgesellschaft geltend gemacht, eingesammelt und schließlich an den Urheber ausgeschüttet wird. Die heftig diskutierte Streitfrage, ob es sich bei dieser Vergütung um eine Einzelvergütung oder auch um eine Pauschalvergütung handeln kann, hat der Gesetzgeber nun ausdrücklich zugunsten der Pauschalvergütung entschieden.

Die Fragen stellte Ljiljana Nikolic

Weitere Informationen

Moodle an der HU

Informationen über das neue Urheberrecht für Lehre, Studium und Forschung