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In Italien sind Physikerinnen keine Exotinnen

Physikerin Caterina Cocchi über Rollenmodelle und die richtige Einstellung, um es bis ganz nach oben zu schaffen

Caterina Cocchi
Am Mikrophon Juniorprofessorin Caterina Cocchi, rechts Petra Metz,
Koordinatorin für das Projekt WINS (Women in Natural Sciences)
Foto: Matthias Heyde

Wieso ist ein Glas transparent, die Wand aber nicht? Und warum werden Metalle heißer als andere Materialien, wenn sie erhitzt werden? Es ist das Bedürfnis, zu verstehen, das Caterina Cocchi zur Physik gebracht hat. Schon die Schule, ein humanistisches Gymnasium in Modena, Italien, schloss sie mit Bestnoten ab. „Als kleines Mädchen interessierte ich mich sehr für Literatur, Kunst und antike Sprachen und wollte griechisch lernen, um Homers Odyssee im Original zu lesen.“ Später dann waren es die Gesetzmäßigkeiten der Objektwelt, die die Italienerin in ihren Bann schlugen. „Ich wollte herausfinden, wie die Natur funktioniert.“ Auch im Physikstudium wieder: Bestnoten. Postwendend folgten die Promotion und eine Stelle als wissenschaftliche Mitarbeiterin.

Vor sechs Jahren kam die Italienerin, die in Festkörperphysik promoviert hat, als Postdoc an die Humboldt-Universität zu Berlin, hat hier nun seit knapp zwei Jahren eine Juniorprofessur für niedrigdimensionale Systeme inne. Mit Hilfe computergestützter Berechnungen untersucht die 34jährige die Eigenschaften hauchdünner Materialien. „Die Hoffnung ist natürlich, eine unbefristete Stelle als Professorin zu bekommen.“ Alle ihre Forschungsprojekte führt die Wissenschaftlerin im Team aus, bemüht sich dabei verstärkt um die Nachwuchsförderung. Damit bringt Caterina Cocchi nicht nur zum Ausdruck, dass hierarchisch-strukturierte Forschung nach dem Elfenbeinturm-Modell – gekennzeichnet von eher geringem Interesse an Austausch, Kooperation und zwischenmenschlichen Kompetenzen – überholte Modelle sind. Auch will sie etwas zurückgeben.

Derzeit organisiert sie unter anderem gemeinsam mit der Chemikerin Dr. Zsuzsanna Heiner eine Sommerschule für Studentinnen. Der Hintergrund: Cocchi und Heiner kooperieren mit dem Adlershofer Förderprogramm WiNS, das sich an Nachwuchswissenschaftlerinnen im Bereich der Naturwissenschaften richtet und Frauen zu einer Karriere in der Wissenschaft ermutigt. Solche Programme – auch am Berliner ProFil-Programm für Postdoktorandinnen, Habilitandinnen und Juniorprofessorinnen nahm Cocchi im vergangenen Jahr teil – seien von unschätzbarem Wert für den Aufbau nachhaltiger Netzwerke, sagt die Physikerin, die sich mittlerweile selbst als Mentorin engagiert. „Gerade in einer männerdominierten Umgebung wie den MINT-Fächern in Deutschland ist es gar nicht so einfach, ein Netzwerk aufzubauen. Bei der Sommerschule geht es uns also auch um gezielte Karriereförderung.“

Apropos männerdominierte Umgebung: Nur rund zwanzig Prozent der Physikstudierenden in Deutschland sind weiblich, ähnlich sieht es beim Frauenanteil auf Seiten der Lehrenden aus. In Italien hat Caterina Cocchi allerdings ganz andere Erfahrungen gemacht und sich daher, anders als viele Physikerinnen in Deutschland, auch nie als Exotin in ihrem Fach begriffen. „In Italien beträgt der Frauenanteil im Fach Physik rund 35 Prozent. An meinem Institut in Modena lag er noch höher, nämlich bei rund 50 Prozent. Zudem ist meine Doktormutter eine Frau und hier in Deutschland war dann Prof. Dr. Claudia Draxl meine Vorgesetzte und hat mich sehr unterstützt. Ich habe meinen beruflichen Erfolg also immer darauf zurückgeführt, dass ich eine gute Wissenschaftlerin bin. Das Geschlecht spielte da keine Rolle.“ Nun wirkt die Forscherin für deutsche Studentinnen als Rollenmodell und engagiert sich als Mentorin im Rahmen von WiNS Adlershof.

Ihre Tipps für den wissenschaftlichen Nachwuchs? „Meinen Mitarbeitern und meiner Mentee sage ich immer, dass es wichtig ist, um Dinge zu bitten. Manchmal sagt zwar jemand nein, oft aber bekommt man ein Ja,“ unterstreicht die Forscherin. Viele Nachwuchsforschende verhielten sich insofern unnötig zurückhaltend. Zudem sei es wichtig, sich als Nachwuchswissenschaftler stets vor Augen zu halten: „Für jedes Projekt, das finanziert wird, werden fünf nicht verwirklicht.“ Wenn also eine Prüfung schief gehe oder ein Projekt abgelehnt werde, dann mache man es eben beim nächsten Mal besser. „Morgen ist auch noch ein Tag. So eine Niederlage ist kein Grund aufzugeben!“, betont die Forscherin. Beruflicher Erfolg beruhe nicht auf Talent, sondern sei primär das Ergebnis harter Arbeit, ist sie überzeugt. „Es gibt keine Genies. Wenn überhaupt, dann vielleicht eins in einem Jahrhundert. Was es aber gibt, das sind Leute, die hart und mit Leidenschaft arbeiten und das ist es, was den Erfolg bringt.“

Autorin: Nora Lessing

WiNS Adlershof – Qualifizierung, Austausch, Vernetzung

Um Doktorandinnen und Postdocs der MINT-Fächer für eine wissenschaftliche Karriere hin zu einer Professur zu gewinnen, bietet WiNS seit nunmehr anderthalb Jahren ein überfachliches Empowermentprogramm für Nachwuchswissenschaftlerinnen am Campus Adlershof. Das modulare Qualifizierungsprogramm beruht auf den drei Säulen Training, Mentoring und Networking. Je nach Interesse und Zeitressourcen können Workshops und Netzwerkveranstaltungen zu Themen wie Karriereplanung, Zeit- und Selbstmanagement, Führungskompetenzen und eine bessere Vereinbarkeit von Karriere und Familie besucht werden. Ein 1:1- Mentoring-Programm bietet Möglichkeiten, bei regelmäßigen Treffen Fragestellungen zu vertiefen und vom Erfahrungswissen der Mentorinnen und Mentoren zu profitieren sowie, nicht zuletzt, sich gemeinsam mit anderen Mentees auszutauschen. Studentinnen haben darüber hinaus bei einer jährlich stattfindenden interdisziplinären Sommerschule die Möglichkeit, wissenschaftliches Arbeiten auszuprobieren und erste professionelle Kontakte zu knüpfen.

Viele Veranstaltungen finden auf Englisch statt, um explizit auch die internationale Community einzubeziehen. Gefördert wird WiNS durch das Berliner Chancengleichheitsprogramm (BCP).

Weitere Informationen

Kontakt

Dr. Petra Metz
WiNS Adlershof 

Tel.: 030 2093-3139
petra.metz@hu-berlin.de