Einzelne Polymerketten als molekulare Drähte
Einem Berliner Forscherteam um den Chemiker Stefan Hecht von der
Humboldt-Universität und den Experimentalphysiker Leonhard Grill von
der Freien Universität ist es in Zusammenarbeit mit theoretischen
Physikern vom Institut CEMES-CNRS in Toulouse erstmals gelungen,
einzelne Polymere von einer Goldoberfläche wie Ketten hochzuziehen und
dabei ihre elektrischen und mechanischen Eigenschaften zu bestimmen.
Die Wissenschaftler kontaktierten bei dem Verfahren ein Ende einer
Polymerkette mit einer Metallspitze und ließen somit während des
Hochziehens elektrischen Strom über außergewöhnlich große Distanzen
durch einzelne molekulare Drähte fließen. Die Ergebnisse wurden in der
jüngsten Ausgabe der Zeitschrift „Science“ veröffentlicht.
Eine zentrale Vision der Nanotechnologie besteht im Aufbau
elektronischer Schaltkreise auf der Nanometer-Skala (1 nm = 1
Milliardstel Meter). Die Entwicklung solcher faszinierender Bauteile,
die eine Vielzahl von Anwendungen auf völlig neue Grundlagen stellen
würden, erfordert molekulare „Kabel“ und ein grundlegendes Verständnis
des elektrischen Transports durch solch kleine Drähte. Dafür ist es
notwendig, elektrischen Strom durch einzelne molekulare Drähte zu
leiten, die an zwei Elektroden kontaktiert werden, und für verschiedene
Drahtlängen zu charakterisieren. Bisher konnten nur relativ kurze
Drähte mit einer festgelegten Länge untersucht werden, wobei ein
Großteil der Studien auf statistischen Messungen basiert, die keine
exakte Charakterisierung eines einzelnen Drahtes erlauben.
Um die molekularen Drähte herzustellen, wurden einzelne Moleküle auf
einer Goldoberfläche zu einer Polymerkette verknüpft. Nach der
Kontaktierung an einem Ende verblieb das andere Ende auf einer
Metalloberfläche, und der Abstand zwischen den beiden Elektroden
(Spitze und Oberfläche) wurde beim Hochziehen kontinuierlich und
gezielt variiert. Dadurch ließ sich der Ladungstransfer durch ein
einzelnes Polymer zum ersten Mal für verschiedene Längen bis zu mehr
als 20 Nanometer messen. Neben den elektrischen Eigenschaften geben
diese Experimente auch einen Einblick in das mechanische Verhalten
einzelner Polymere, die sich wie Ketten verhalten, da ein Glied nach
dem anderen während des Hochziehens von der Oberfläche gelöst wird.
Der elektrische Transport auf der Ebene einzelner molekularer Drähte
ist von großer Bedeutung für jede elektronische Anwendung in der
molekularen Nanotechnologie. In den gezeigten Experimenten konnten
erstmals die Abhängigkeit der Leitfähigkeit von der Länge eines solchen
Drahtes und darüber hinaus dessen mechanische Eigenschaften
charakterisiert werden. In Zukunft könnten sich nach Einschätzung der
Wissenschaftler auf diese Weise molekulare Drähte hinsichtlich ihrer
Eignung für Anwendungen optimieren lassen.
Publikation:
L. Lafferentz, F. Ample, H. Yu, S. Hecht, C. Joachim, L. Grill
„Conductance of a Single Conjugated Polymer as a Continuous Function
of its Length“
„Science“ (Ausgabe vom 27. Februar 2009)
Internet: http://www.sciencemag.org/
Stefan Hecht
Organische Chemie
Humboldt-Universität Berlin
Tel.: +49 (0)30/2093-7365
E-Mail: sh@chemie.hu-berlin.de
http://www.hechtlab.de
Leonhard Grill
Institut für Experimentalphysik
Freie Universität Berlin
Tel.: +49 (0)30/838 -56042 oder 01577 / 572 0904
E-Mail: grill@physik.fu-berlin.de
http://users.physik.fu-berlin.de/~grill
Christian Joachim
Theoretische Physik
CEMES-CNRS Toulouse
Tel.: +33 5 6225 7835
E-Mail: joachim@cemes.fr
http://www.sciencemag.org/