Föderalismus und Bildungsreform - klappt das?
Dr. Cappon und Prof. Dr. Olbertz diskutierten beim Interdisziplinären Zentrum für Bildungsforschung
In einer Veranstaltung des Interdisziplinären Zentrums für Bildungsforschung diskutierten am 28. April 2011 Dr. Paul Cappon, ehemaliger Direktor des Canadian Council on Learning und Prof. Dr. Jan-Hendrik Olbertz, Präsident der Humboldt-Universität zu Berlin und ehemaliger sachsen-anhaltinischer Kultusminister darüber, wie Kanada als föderaler Staat Bildungsreformen gestaltete und ob Deutschland aus den kanadischen Erfahrungen lernen könne.
Dr. Cappon verwies darauf, dass die kanadischen Bildungssysteme nicht von einem nationalen Bildungsministerium verantwortet, sondern in Abstimmung der kanadischen Provinzen und Regionen organisiert würden. Diese Abstimmung würde auf der Grundlage allgemein geteilter Zielsetzungen über die Aufgaben des Bildungssystems, die praktisch von allen Parteien, Nichtregierungsorganisationen und anderen zivilgesellschaftlichen Akteuren geteilt würden, getroffen. Inklusion, hohe Leistungsanforderungen, standardisierte Tests als Informationssysteme für die Öffentlichkeit sowie der Anspruch, allen die gleichen Lernchancen einzuräumen, würden gemeinhin als Grundlage des Bildungssystems akzeptiert. Das Council on Learning, dem er vorgestanden hatte, würde das Bildungssystem weit über die Schulen hinaus als Gesamtheit begreifen, gleichzeitig sei die Bildung immer lokal zu organisieren.
Für Deutschland schlug er vor, ebenso eine Atmosphäre der Akzeptanz allgemein zwischen den Bildungsverantwortlichen geteilten Zielsetzungen zu fördern.
Prof. Dr. Olbertz betonte, dass die Situation an Schulen in Deutschland nicht so negativ sei, wie dies des Öfteren dargestellt wird. Die Gesellschaft wäre nicht so erfolgreich, wäre die Bildung tatsächlich so schlecht. Vielmehr konstatierte er, dass insbesondere die Schulen oft mit der Aufgabe überlastet würden, die Probleme der Gesellschaft zu lösen. Den Föderalismus begriff er als historisches Erbe, aber auch als Grundlage der gesellschaftlichen Erfolge in Deutschland. Er forderte, die Strukturen in den Reformen als letztes zu ändern. Es sei vielmehr notwendig und möglich, die Grundziele der Bildungspolitik zwischen den Bundesländern zu klären. Dazu sei es auch notwendig, die Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung zu reaktivieren. Grundsätzlich hätte in den letzten Jahren aber auch in der Kultusministerkonferenz und anderen Bereichen der Bildungspolitik mehr Pragmatismus Einzug gehalten.
Eine Dokumentation der Veranstaltung wird in Kürze auf der Homepage des Interdisziplinären Zentrums für Bildungsforschung bereitgestellt:
http://zentrum-bildungsforschung.hu-berlin.de/
Die nächste öffentliche Veranstaltung des Zentrums unter dem Titel „Western influences on the East, Eastern influences on the West: Lessons for the East and West“ mit Prof. Julian Elliott (Durham University) als Hauptredner sowie Prof. Sabine Reh (TU Berlin) und Prof. Hans Anand Pant (Institut für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen, HU Berlin) findet am 23. Juni 2011, um 18.30 Uhr im Auditorium des Jacob-und-Wilhem-Grimm-Zentrum (Universitätsbibliothek der HU Berlin) statt.
WEITERE INFORMATIONEN
Jeannette SchülerInterdisziplinäres Zentrum für Bildungsforschung
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E-Mail: zentrum.bildungsforschung@staff.hu-berlin.de