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Stadtplan im Kopf

Zellen im Gehirn bauen Gittermuster, um die Umwelt zu kartieren

Tiere und Menschen orientieren sich mit Hilfe eines inneren Navigationssystems. Bei Säugetieren sind zwei Hirnteile maßgeblich am Aufbau von solchen räumlichen Repräsentationen beteiligt: Der Hippocampus und die entorhinale Hirnrinde. Diese Hirnstrukturen speichern Sinneseindrücke und repräsentieren sie in Form einer kognitiven Karte, einer mentalen Darstellung der räumlichen Struktur der Umwelt. Die Repräsentation des Raumes in der entorhinalen Hirnrinde ist besonders bemerkenswert: Dort finden sich sogenannte Gitterzellen (Nervenzellen, die in räumlichen Gittermustern aktiv sind), wenn sich Tiere fortbewegen. Man nimmt an, dass das Gehirn diese räumlichen Aktivitätsmuster ähnlich einsetzt, wie wir die Gitterlinien auf Stadtplänen oder Landkarten nutzen, um Orte zu lokalisieren oder um Entfernungen zu messen. Unklar war bisher jedoch, wie sich im Gehirn anatomisch ein solches Muster von erregten Nervenzellen bildet.

Ein Team von Wissenschaftlern um den Leibniz-Preisträger Professor Michael Brecht von der Humboldt-Universität zu Berlin, dem Exzellenzcluster Neurocure und dem Bernstein Zentrum Berlin, hat jetzt ein gitterartiges Netzwerk von Nervenzellen in der entorhinalen Hirnrinde entdeckt. Mithilfe eines Proteins, welches an Kalzium in bestimmten Nervenzellen bindet, machten die Forscher einen kleinen Zellverband sichtbar. Dessen Nervenzellfortsätze bildete im Raum ein sechseckiges Muster, das eine Ähnlichkeit mit den bekannten Gittermustern aufwies. Die an dem Netzwerk beteiligten Neuronen zeigten außerdem den gleichen charakteristischen Aktivitätsrhythmus wie die Gitterzellen, welche die Forscher bereits bei der Nervenzellaktivität sich bewegender Tiere maßen. Die Arbeit erscheint in der neuen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Science.

„Wir wissen schon länger, dass das Gehirn Gittermuster nutzt, um die Umwelt zu kartieren. Was wir aber bis jetzt nicht verstanden haben, ist, wie das Hirn solche Gittermuster erzeugt. Unser Team hat jetzt die Existenz eines Netzwerks aufgedeckt, das physikalisch so aussieht wie das räumliche Aktivitätsmuster der sogenannten Gitterzellen. Dies könnte darauf hindeuten, dass das von uns entdeckte Nervenzellgitter das zugrundeliegende anatomische Fundament bildet,“ kommentiert Brecht.

Originalpublikation

S. Ray, R. Naumann, A. Burgalossi, Q. Tang, H. Schmidt & M. Brecht (2014): Grid-layout and Theta-modulation of Layer 2 Pyramidal Neurons in Medial Entorhinal Cortex. Science. Advanced Online Publication

Kontakt

Prof. Dr. Michael Brecht 
Humboldt-Universität zu Berlin
Bernstein Zentrum Berlin
Tel: 030 2093 6718
michael.brecht@bccn-berlin.de

Ibou Diop
Humboldt-Universität zu Berlin
Stabsstelle Presse und Öffentlichkeitsarbeit
Tel.: 030 2093-2945
ibou.diop.1@hu-berlin.de