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Sind Hobbyangler Tierquäler?

Diese Frage haben Wissenschaftler der Humboldt-Universität zu Berlin und des Berliner Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei versucht, in einer Umfrage, zu beantworten

Die meisten Deutschen glauben, dass Fische Schmerzen empfinden können. Dennoch akzeptiert ein Großteil der Bevölkerung das Angeln aus moralischer Sicht, insbesondere wenn es zur Nahrungsbeschaffung oder zur Gewässerhege erfolgt. Auch das vom Angler selbstentschiedene Zurücksetzen von großen, entnahmefähigen Fischen nach dem Fang aus ökologischen Gründen hält das Gros der Bevölkerung für unproblematisch, obwohl diese Praktik derzeit tierschutzrechtlich und fischereilich geächtet ist. Das ergab eine repräsentative Umfrage zur Einstellung der Bevölkerung in Deutschland zum Tierschutz in der Angelfischerei, die von der Humboldt-Universität zu Berlin (HU) gemeinsam mit dem Berliner Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) vorgelegt wurde.

Rund sieben Prozent der Deutschen angeln regelmäßig in ihrer Freizeit. Zugleich ist die Angelfischerei durch das Tierschutzgesetz streng reglementiert. Vor allem das Angeln ohne sogenannten vernünftigen Grund ist tierschutzrechtlich verboten, wenn dadurch Fischen Schmerzen, Leiden oder Schäden zugefügt werden. Doch der Teufel steckt im Detail. So gibt es verschiedenste Ansichten über die guten Gründe, die das Hobbyangeln legitimieren. Zudem ist sich die Wissenschaft bezüglich der Schmerz- und Leidensfähigkeit von Fischen uneinig. Dr. Carsten Riepe (IGB) und Prof. Dr. Robert Arlinghaus (IGB und HU) bilden mit Hilfe ihrer nun publizierten repräsentativen Umfrage erstmals die Stimme der Bevölkerung in Deutschland zum Thema Angeln und Tierschutz ab. Die wichtigsten Ergebnisse können auf Basis von über 1000 zufällig in ganz Deutschland ausgewählten Befragten folgendermaßen zusammengefasst werden:

Die meisten Befragten glauben, dass eine Forelle Schmerz empfinden kann. Auch sind über 40 Prozent der Deutschen der Meinung, dass das Angeln für Fische schmerzhaft ist. Dennoch findet die große Mehrheit der Bevölkerung die Hobbyfischerei akzeptabel, insbesondere wenn sie zur Nahrungsbeschaffung (62 Prozent Zustimmung) oder als ökologische Hegemaßnahme (69 Prozent Zustimmung) erfolgt. Die ethische Bewertung des Angelns orientiert sich dabei vor allem an der Intention des Fischenden und weniger daran, was dem Fisch an der Angel passiert. 88 Prozent der Befragten finden es moralisch völlig akzeptabel, Fisch zu essen.

Insgesamt zeigt die Studie, dass Gesetzgeber, Behörden und Angelverbände das Tierschutzgesetz in vielen Fällen gemäß der allgemeinen Bevölkerungsmeinung zum Angeln in Deutschland auslegen. Doch gibt es auch überdenkenswerte Bestimmungen. Insbesondere die gegenwärtig weitverbreitete Entnahmepflicht der großen, laichreifen Fische über dem gesetzlichen Mindestmaß ist für den Fischbestandsschutz aus ökologischen Gründen kontraproduktiv. Eine liberalere Regelung, die selektives Zurücksetzen von ökologisch bedeutsamen großen Fischen ermöglicht, würde aus Sicht der Bevölkerung grünes Licht erhalten und auch den Beständen zu Gute kommen.

Die Ergebnisse dieser repräsentativen Bevölkerungsbefragung sind in der Reihe „Berichte des IGB“ unter dem Titel „Einstellungen der Bevölkerung in Deutschland zum Tierschutz in der Angelfischerei" erschienen. Es wurden insgesamt 1043 zufällig ausgewählte Personen ab 14 Jahren befragt. Die Antwortquote aller ausgewählten Personen betrug über 72 Prozent. Die Datensammlung und die Datenauswertung wurde durch die am IGB angesiedelten Projekte „Adaptfish“, gefördert im Rahmen des Pakts für Innovation und Forschung durch die Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Gemeinschaft, sowie die BMBF-Nachwuchsforschergruppe Besatzfisch, gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, ermöglicht. Weiterhin flossen in das Umfrageprojekt Berufungsmittel der HU im Rahmen der Juniorprofessur für Robert Arlinghaus ein.

Weitere Informationen

www.besatz-fisch.de
www.adaptfish.igb-berlin.de

Originalveröffentlichung

Riepe, C. & Arlinghaus, R. (2014). Einstellungen der Bevölkerung in Deutschland zum Tierschutz in der Angelfischerei. Berichte des IGB, Heft 27. www.besatz-fisch.de/images/stories/14_IGB_Bericht_27_2014.pdf

Kontakt

Prof. Dr. Robert Arlinghaus
Humboldt-Universität Berlin
Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei
Abteilung Biologie und Ökologie der Fische
arlinghaus@igb-berlin.de

Dr. Carsten Riepe
Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei
Abteilung Biologie und Ökologie der Fische
riepe@igb-berlin.de