Presseportal

Die transformative Kraft des Feuers

Umweltwissenschaftler erforscht das steigende Waldbrandrisiko im Mittelmeerraum - und wie Gesellschaften damit umgehen können

1. August 2014. Man lässt einen Brand infolge von Blitzeinschlag unter kontrollierten Bedingungen brennen.
1. August 2014. Man lässt einen Brand infolge von Blitzeinschlag
unter kontrollierten Bedingungen brennen.
Foto: Bombers de la Generalitat de Catalunya

Durch ein neues Verhältnis von Stadt und Land ist die Waldbrandgefahr im Mittelmeerraum stark gestiegen. In den vormals stark ländlich geprägten Regionen Spaniens, Italiens oder Griechenlands sind viele Menschen vom Land in die Stadt gezogen, um in den Fabriken zu arbeiten, anstatt weiterhin Landwirtschaft zu betreiben. Durch diesen Übergang zur industriellen und post-industriellen Gesellschaft hat sich die Landschaft im Mittelmeerraum verändert: War sie bisher vor allem durch Wälder, Felder, Weiden und Dörfer bestimmt, bilden heute verlassene Äcker, ausgedehnte Wälder und große Städte die Faktoren, die als sozio-ökologische Mischung das Verhältnis von Mensch und Umwelt neu definieren. Durch diese Veränderung rücken Stadt und Land immer dichter zusammen. Weil mit den wachsenden Wäldern auch die sogenannte Brandlast, also das brennbare Material, wächst, fehlt im Brandfall ein Korridor, der die Bevölkerung vor den Flammen schützt. Der Klimawandel verstärkt das Feuerrisiko noch zusätzlich.

„Den Feuerwehrleuten wurde klar, dass sie dem nicht länger gewachsen sind und dass dabei auch mehr Helikopter nicht helfen“, erklärt der Umweltwissenschaftler Dr. Iago Otero Armengol, der seit 2014 als  Postdoktorand am Integrativen Forschungsinstitut zu Transformationen von Mensch-Umwelt-Systemen (IRI THESys) der Humboldt-Universität (HU) forscht. Vielmehr sind neue Strategien im Umgang mit Feuer gefragt, um gefährdeten Regionen besser zu helfen. Oteros aktuelles Forschungsprojekt untersucht, wie sich Gesellschaften an das steigende Feuerrisiko anpassen können. Als Fallstudie wählte er Katalonien, wo 1999 durch die Gründung einer Spezialeinheit der katalanischen Feuerwehr – genannt GRAF – ein Experiment ins Leben gerufen wurde. Aufgabe von GRAF ist es, die örtliche Feuerwehr strategisch zu beraten.

„GRAF verfügt über verschiedene Einheiten, von denen einige tagtäglich in den Risikogebieten auf Patrouille gehen, um im Brandfall zu unterstützen. Eine weitere Einheit befindet sich im Hauptquartier und hat Zugang zu allen wichtigen Informationen wie Wetterbedingungen oder Standorte der Löschfahrzeuge, um Einsätze zu koordinieren“, erzählt Iago Otero, der im Sommer 2014 ein GRAF-Team in Südkatalonien begleitet hat. Während seines Feldforschungsaufenthalts hat er zahlreiche Interviews mit verschiedenen Akteuren geführt,  darunter mit GRAF-Mitgliedern, aber auch mit örtlichen Feuerwehrleuten, Waldschutzgruppen und Behörden, ergänzt um die Methode der teilnehmenden Beobachtung. Laut Otero ist GRAF durch sein enormes Wissen auch enorm einflussreich: „Ihre Expertise gründet auf Erfahrung. Weil sie in den vergangenen 15 Jahren nahezu bei jedem Feuer in der Region dabei waren, sind sie dazu fähig, Feuer zu analysieren und sein Verhalten vorherzubestimmen, und das sowohl im Angesicht echter Flammen als auch als computerbasierte Simulation. Außerdem stehen sie in ständigem Kontakt mit anderen Experten weltweit“, so der Wissenschaftler. „Dadurch ist GRAF in der Lage, Entscheidungsträger und die Landschaft als solche zu beeinflussen.“

Ein Beispiel aus dem letzten Sommer zeigt, wie die Spezialeinheit die katalanische Landschaft in den kommenden Jahrzehnten zu formen vermag. Anstatt den Versuch zu unternehmen, einen durch Blitzeinschlag entstandenen Waldbrand mit viel Risiko für die Einsatztruppen unmittelbar zu löschen, unterbreitete GRAF den Vorschlag, das Gebiet brennen zu lassen, um an anderer Stelle auf das Feuer zu warten. Der Vorschlag wurde umgesetzt. „Sie haben 1000 Hektar geopfert, um weitere 5000 Hektar zu retten. Das war ein Kompromiss – und in der Region natürlich ein heiß diskutiertes Thema“, erzählt Otero.

Kontakt

Anne Dombrowski
Humboldt-Universität zu Berlin
Integratives Forschungsinstitut zu
Transformationen von Mensch-Umwelt-Systemen

Tel.: 030 2093-66334
anne.dombrowski@hu-berlin.de