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"Von Null auf B2 in acht Monaten"

Das Sprachenzentrum bietet Kurse für Geflüchtete an, feiert 65-jähriges Jubiläum und richtete eine Tagung aus

sprachenzentrum

Abbildung: Martin Wolf

Alle zwei Jahre treffen sich etwa 300 Wissenschaftler und Lehrende aus dem Arbeitskreis der Sprachenzentren, Sprachlehrinstitute und Fremdspracheninstitute (AKS) aus dem In- und Ausland, um sich zu aktuellen Aspekten der Fremdsprachenlehre an Hochschulen auszutauschen. Im März 2016 widmet sich die Tagung, die von der HU ausgerichtet wird,  erstmals dem Humboldt‘schen Ideal von Lehre und Forschung sowie dem Einsatz und Nutzen neuester Forschungsergebnisse im Fremdsprachenunterricht. Auf der Agenda stehen neue didaktische Methoden, die Vermittlung von Fachsprachen, das interkulturelle Lernen und Arbeiten sowie Strategien zum autonomen Lernen. Am Abend des ersten Konferenztages wird in einem Festakt zudem das 65-jährige Jubiläum des Sprachenzentrums der Humboldt-Universität begangen.Wir sprachen anlässlich von Tagung und Jubiläum mit der Direktorin des HU-Sprachenzentrums, Dr. Elke Rößler.

Frau Rößler, im März 2016 findet an der HU eine große Tagung des Arbeitskreises der Sprachenzentren, Sprachlehrinstitute und Fremdspracheninstitute (AKS) statt. Sie widmet sich dem Humboldt‘schen Ideal von Lehre und Forschung. Worum geht es genau?

Sprachenzentren sind Lehreinrichtungen, die in der Regel weniger mit Forschung zu tun haben. Wir merken aber in unserer täglichen Arbeit, dass die Verbindung beziehungsweise Einheit von beidem für die Lehre wichtig ist. Die Tagung rückt erstmalig dieses Thema in den Vordergrund und bringt Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Sprachenzentren mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zusammen. Wir versprechen uns wertvolle Impulse für beide Seiten, möchten uns noch besser vernetzen und auch gemeinsam darüber nachdenken, wie wir Forschung besser in unserer Arbeit verankern können.

An welcher Stelle würde wissenschaftliche Unterstützung das Sprachenzentrum weiterbringen, haben Sie ein Beispiel parat?

Die Studierenden heute sind konfrontiert mit permanent wachsenden Anforderungen, auch an ihre sprachliche Kompetenz für Studium und Beruf. Dem versuchen wir durch unsere Arbeit bestmöglich gerecht zu werden und verstehen uns so auch als eine Art Laboratorium. Neben einem bewährten Kernangebot probieren wir deshalb neue Kursformate aus. In einem bilingualen Kurs Italienisch-Englisch auf B2-Niveau beispielsweise wird Code-Switching und Sprechflüssigkeit trainiert, zunehmend eine Notwendigkeit in mehrsprachigen Gesellschaften. Wir praktizieren das und können auch sagen, was gut funktioniert, aber manchmal fehlt uns ein Stück Theorie, um es noch besser zu machen, und auch, um andere, sinnvolle Lernszenarien anzubieten.

Warum macht es Sinn, zwei Sprachen gleichzeitig zu lernen?

Man muss nicht immer alles von Null an lernen. Wir möchten Lernprozesse beschleunigen, den Studierenden Strategien an die Hand geben, mit denen sie die Sprachlernerfahrung aus der Sprache x auf die Sprache y übertragen können. Das kann man gezielt vermitteln und das macht auch die Qualität universitärer Sprachlehre aus. Unsere Lehrkräfte besuchen regelmäßig Fortbildungen und geben ihr Know-how auch untereinander weiter.

Sie richten nicht nur eine Tagung aus, das Sprachenzentrum feiert auch 65-jähriges Jubiläum, das auf der Konferenz mit einem Festakt gewürdigt wird. Was haben Sie in den vergangenen Jahren erreicht?

Wir haben ein Kernangebot, das fachspezifische Kurse in 14 Sprachen umfasst. Darüber hinaus möchten wir Mehrsprachigkeit in der Breite, beispielsweise durch ein ergänzendes Intensivkursprogramm mit Sprachen wie Hindi oder Swahili, fördern. Wir haben uns dazu – basierend auf einer umfassenden Analyse, – zwei Positions- und Strategiepapiere gegeben, 2008 und 2012.

Wir haben versucht, den Bedarf und die Erwartungen verschiedener Zielgruppen zu bündeln, uns aber auch die Berliner Situation angesehen und dann Schwerpunkte gesetzt, die teilweise historisch bedingt sind. Beispielsweise pflegen wir weiterhin gute Kontakte nach Russland, unsere Sprachintensivreisen nach Minsk werden sehr gut angenommen. Wir haben außerdem einen Schwerpunkt auf außereuropäische Sprachen gesetzt und Stellen für Arabisch und Türkisch geschaffen, um auch an den Berliner Realitäten näher dran zu sein. Unser Profil werden wir weiterhin schärfen und entwickeln.

Gibt es etwas Neues, dass Sie gerne angehen möchten?

Man könnte künftig gezielt und verstärkt Studiengänge daraufhin abklopfen, wo Zusatzqualifikationen in Sprachen notwendig und sinnvoll sind. Kenntnisse im Fach setzt man normalerweise voraus, zusätzliche Kompetenzen beispielsweise Spanisch für Agrarwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler oder Türkisch für Mediziner könnte bestimmte Studiengänge weiter profilieren und den Absolventinnen und Absolventen bessere Berufschancen bieten. Wir sind als Serviceeinrichtung bereit für die Umsetzung neuer Ideen dieser Art und offen, gemeinsam mit dem Präsidium, den Fakultäten und dem Internationalen Büro über eine Language-Policy der HU nachzudenken.

Das Sprachenzentrum bietet auch Deutschkurse für Geflüchtete, die eine Gasthörerschaft an der HU machen, an.

Ja, wir bieten zwei Deutschkurse für jeweils 25 Teilnehmende an, die von der Senatsverwaltung gefördert werden. Es ist kein einfaches Unterfangen, denn wir haben bisher kaum Kenntnisse über die Vorbildung der Teilnehmenden. Bringen sie Sprachlernerfahrungen in an-deren Sprachen mit? Beherrschen sie das lateinische Alphabet? Nach Wünschen der Senatsverwaltung sollen die Kurse innerhalb kurzer Zeit zur Studierfähigkeit führen. Wir haben ein spezielles Kurskonzept aufgelegt, das es bislang so nicht gibt: von Null auf B2 in acht Monaten. Auch wenn es ein bisschen an Wunder grenzt, was da verlangt wird, glauben wir, dass wir es schaffen können. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer werden am Ende zwar nicht bei Obi einkaufen, aber wissenschaftliche Texte lesen können.

Was bestärkt Sie darin, es schaffen zu können?

Wir haben klare Anforderungen an die Teilnehmenden: sie müssen eine Hochschulzugangsberechtigung haben und das lateinische Alphabet beherrschen. Daneben erwarten wir Englischkenntnisse auf mindestens B1-Level. 80 Unterrichtseinheiten im Monat sind geplant. Das sind mit 20 Wochenstunden sehr intensive Kurse. Inhalte müssen zielgruppengerecht konzentriert werden. Unsere Lehrkräfte sind flexibel und werden je nach Bedarf entsprechend gestalten.

Grundsätzlich gibt es auch die Möglichkeit, in die Mediothek zu gehen und selbst zu lernen.

Ja, die Mediothek steht natürlich zur Verfügung, aber das autonome Lernen muss auch erst einmal gelernt sein. Sich selber zu disziplinieren, sich selbst Lernziele zu stecken ist nicht immer einfach. Wir haben eine Umfrage unter HU-Studierenden durchgeführt. 95 Prozent bevorzugen Präsenzkurse, ganz am Ende steht das reine Online-Lernen.

In dieser Beziehung scheinen die Studierenden sehr altmodisch zu sein.

Sie schätzen die soziale Umgebung und die Rückkopplung mit dem Lehrer, das heißt aber nicht, dass neue Medien nicht begleitend, wie beispielsweise Blended Learning, zum Einsatz kommen. Ich finde, dass heutige Studierenden-Generationen sehr klar und gezielt agieren. Sie entscheiden sehr genau und bewusst, warum sie eine Sprache erlernen und was sie gut können möchten – um beispielsweise für ein Praktikum in einem türkischen Krankenhaus oder für ein Auslandssemester bei einer Partneruniversität gut gerüstet zu sein. Die heutigen Studierenden investieren viel Zeit und Energie in ihre Sprachausbildung, und wir unterstützen sie dabei nach Kräften.

Elke Rößler ist Direktorin der Zentraleinrichtung Sprachenzentrum.        

Das Interview führte Ljiljana Nikolic

Weitere Informationen

Sprachenzentrum der HU
Tagung des AKS vom 3. bis 5. März 2016

Kontakt

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