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Berlins Stadtbäume in Zeiten des Klimawandels

Unsere Stadtbäume müssen unterschiedlichsten Umweltbedingungen standhalten. Doch welche Exemplare eignen sich für das Stadtklima am besten? Dr. Matthias Zander untersucht, welche Stadtbäume Hitze und Schädlingen gewachsen sind

Der Sommer ist da. Und beschert uns jedes Jahr wieder kaum spürbare aber messbare Temperaturerhöhungen. Klimaexperten sprechen von einer fortschreitenden Erderwärmung, die insbesondere die Nordhalbkugel betrifft.  Wir Menschen passen uns diesen Temperaturerhöhungen recht mühelos an, zumindest in Berlin. Auch die Natur besitzt eine hohe Anpassungsfähigkeit, jedoch ist diese wesentlich langsamer. Hinzu kommt, dass sich besonders in dichtbebauten Gebieten wie Innenstädte die Hitze staut.

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Pflanzung einer Magnolie an der Neuen Späthstraße.
Ein Versuch der Wissenschaftler in Kooperation mit dem
Pflanzenschutzamt Berlin und dem Grünflächenamt
Berlin-Neukölln. Abbildung: Matthias Zander

In Berlin wachsen und gedeihen stolze 440 000 Straßenbäume. Die Mehrzahl der Bäume machen Linden, Ahornbäume, Eichen, Platanen und Kastanien aus. Doch wie kommen die Berliner Stadtbäume mit den klimatischen Veränderungen zurecht? Mit dieser Frage beschäftigt sich Dr. Matthias Zander der Humboldt-Universität zu Berlin und sein Team des Fachgebietes „Urbane Ökophysiologie der Pflanzen“ am Albrecht Daniel Thaer-Institut für Agrar- und Gartenbauwissenschaften.

Gehölze im Langzeitversuch

Die Forschungen finden am Standort Dahlem und in Zepernick bei Berlin statt, wo Laub- und Nadelgehölze sowie Rhododendron untersucht werden. Dr. Zander forscht intensiv daran, die geeignete Stadtbegrünung zu finden. „Wir untersuchen Faktoren wie beispielsweise die Robustheit gegenüber Frühjahrstrockenheit und Hitze“, sagt Zander. „Ein weiterer Aspekt, der uns interessiert, ist die Schädlingsresistenz gegenüber bestimmten Insekten wie der Kastanien-Miniermotte oder dem Eichen-Prozessionsspinner, der aufgrund seiner potentiell allergieauslösenden Härchen auch eine Gefahr für die Stadtbewohner darstellt.“

Krankheitsursachen können vielfältig sein

Vor allem ältere Linden und Platanen leiden jüngst unter einem Pilzbefall, der selbst starke Bäume an Krone und Ästen schädigen kann, sagt Zander:  „Stigmina-Triebsterben und Massaria-Befall lassen sich unter anderem auf den Klimawandel zurückführen. Unsere heimischen Sommer- und Winterlinden bewähren sich im Vergleich zu einigen Sorten der kaukasischen Linde und der Silberlinde, die aus Südosteuropa stammt, weniger gut.“ Letztere Arten weisen Zander zufolge bessere Eigenschaften hinsichtlich Trockenstress und Sommerhitze auf. Aufgrund ihrer dichten Behaarung an Rinde und Blattunterseite ist die Silberlinde nicht nur vor Fraßfeinden und zu hoher Transpiration besser geschützt, sondern speichert zusätzlich Schmutzpartikel aus der Luft, die mit dem nächsten Regen einfach ausgespült werden.“ Hiermit bestünde die Möglichkeit, dem städtischen Feinstaubproblem Herr zu werden.

Des Weiteren besitzen auch Torfmoose interessante Eigenschaften, so Zander. Sie haben eine Filterfunktion für Feinstäube, die einer Überschreitung der Grenzwerte entgegenwirken könnte. Entsprechende Mattensysteme könnten kultiviert und zukünftig in urbanen Räumen als Begrünungssysteme eingesetzt werden. Mit dieser Thematik beschäftigt sich Vanessa Hörmann, die als wissenschaftliche Mitarbeiterin des Fachgebietes hierzu eine Doktorarbeit anfertigt.

Schönheit ist nicht alles

Völlig reformieren muss man die Stadtbegrünung laut Zander nicht. Bäume aus anderen Pflanzenfamilien müssten laut Zander nur bedingt eingeführt werden. „Es gibt unter den bekannten Pflanzenarten wie Linde, Eiche oder Platane meist geeignete Sorten, die eine hohe klimatische Anpassungsfähigkeit besitzen“, sagt der Wissenschaftler. So bieten einige Sorten des Französischen Ahorns und der ungarischen Eiche gute Eigenschaften für das wechselhafte Berliner Stadtklima, das sowohl ein kontinentales, als auch ein maritimes Klima aufweist. Nicht zuletzt entscheidend ist auch die Frosthärte, betont Dr. Zander. Man müsse sich vor Augen halten, dass sich der Selektions- und Anpassungsprozess der heimischen Linden- und Ahornarten über Jahrhunderte erstreckte.

Die sich relativ rasch verändernden Umweltbedingungen – man spricht von abiotischen Faktoren – bringen zuvor hier unbekannte Krankheiten und Schädlinge und damit Herausforderungen mit sich. „An dieser Stelle arbeiten wir auch eng mit dem Pflanzenschutzamt Berlin zusammen, sagt Zander.  Das Lehr- und Forschungssortiment der Lebenswissenschaftlichen Fakultät in Zepernick mit einer Vielzahl an Sorten ist das Herzstück des Fachgebietes Urbane Ökophysiologie und bietet Raum für Projekt- und Graduierungsarbeiten sämtlicher Zier- und Nutzgehölze.“

Neben dem ästhetischen Wert ist auch die ökologische Leistungsfähigkeit unserer Bäume erwähnenswert: Die Blattfläche einer 100-jährigen Buche beträgt ca. 1600 m2. Sie bindet damit etwa 18 kg CO2 und produziert gleichzeitig 13 kg Sauerstoff am Tag. Will man die Leistungen dieser 100-jährigen Buche durch junge Bäume ersetzen, wäre eine Neuanpflanzung von ca. 2.500 Bäumen erforderlich.

Ein weiterer Punkt, der verdeutlicht, dass Baumgesundheit am Ende auch Menschengesundheit ist.

Autor: Markus Lemke

Weitere Informationen:

Kontakt

Dr. Matthias Zander
Albrecht Daniel Thaer-Institut für Agrar- und Gartenbauwissenschaften

Tel.:+49 (0)30 209346423
matthias.zander(at)agrar.hu-berlin.de

M. sc. Vanessa Hörmann

hoermannv(at)gmail.com