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"Im Studium kommt es auf punktgenaue Leistung an"

Im Vorfeld der Olympischen und Paralympischen Spielen stellen wir in einer Serie vier Sportlerinnen und Sportler vor, die in Rio de Janeiro an den Start gehen. Was alle vier gemeinsamen haben: Sie studieren an der Humboldt-Universität zu Berlin (HU). In Teil eins kommt Hammerwerferin Betty Heidler zu Wort.

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Ein letztes Mal Olympia: Betty Heidler ist in Rio dabei. Abbildung: Picture Alliance/AP Photo

Für Betty Heidler werden diese Olympischen Spiele die letzten ihrer erfolgreichen Karriere als Hammerwerferin sein. Im Interview spricht sie über ihre Teilnahme an den Olympischen Sommerspielen in Rio de Janeiro (5. bis 21. August) und ihr Jura-Studium an der Humboldt-Universität zu Berlin (HU).

Frau Heidler, Sie sind eine "Ur-Berlinerin", wie es oft heißt?

Betty Heidler: Stimmt. Ich bin in Kaulsdorf geboren und in Marzahn in Ost-Berlin aufgewachsen. Erst später bin ich für ein Jahr in ein Internat an der Sportschule in Hohenschönhausen gegangen. 2001 bis 2013 hat es mich nach Frankfurt am Main gezogen, wo ich das Abitur gemacht und angefangen habe zu studieren.

In Frankfurt sind Sie dann Polizistin im Rang einer Hauptmeisterin geworden.

Ich hatte nach dem Abitur die Zusage für eine Ausbildung zur Biologie-Laborantin in einem Unternehmen. Für das Hammerwerfen wäre ich freigestellt worden, aber nicht umfassend. In die Berufsschule hätte ich gemusst. Ein gutes Angebot, für den Sport aber nicht perfekt. Ich habe von der Bundespolizei gehört, die ihre Ausbildung für Leistungssportler passender strukturiert. Daher habe ich 2003 dort angefangen.

Sie haben dann ein Studium angeschlossen. Erst über eine Fernuni, dann die Goethe-Universität und nun an der Humboldt-Universität zu Berlin. Warum?

Während der Ausbildung habe ich gemerkt, dass mir das Recht liegt und Spaß macht. Das Training ist anspruchsvoll, hat mich aber geistig nicht beansprucht. Ich war damals vom Dienst freigestellt für den Sport, wollte aber nicht nur zu Hause sitzen zwischen den Einheiten. Nach meiner Sportkarriere habe ich vor, bei der Polizei zu bleiben. Da war Jura für mich die beste Wahl. Das Fernstudium hat mich nicht glücklich gemacht: Allein zu Hause lernen, Skripte durcharbeiten und an Terminen zur Klausur zu erscheinen, reichte mir nicht. Mit Hilfe des Olympiastützpunktes Berlin habe ich lieber mein Studium an der HU fortgesetzt.

Wie vereinbaren Sie Training und Uni miteinander?

Im Wintersemester ist es so, dass ich an freien Tagen, vor oder zwischen dem Training an der Uni bin und abends lerne. Es ist ein Fulltime-Job, bei dem ich echt am Anschlag bin. Zur Vorbereitung auf Rio habe ich für den Sommer ein Urlaubssemester genommen.

Wo ist der Umgangston schärfer? Beim Jura-Studium oder beim Hammerwurf-Training?

Definitiv beim Training. Aber Ehrgeiz, Ansporn und Druck sind in beiden Bereichen sehr ähnlich. In Prüfungen ist es ja so, dass ich mich auch mit anderen Studenten messe. Ab Herbst würde ich gern voll ins Jura-Studium an der HU einsteigen.

Den Druck sind Sie durch den Spitzensport gewöhnt?

Ich strukturiere an der Uni und im Training ähnlich. Meine Schwächen gehe ich gezielt an. Meine starken Bereiche wiederhole ich, investiere aber nicht zu viel Zeit. Prüfungen und Wettkämpfe gehe ich gleich an. Klausuren kann ich nicht beliebig oft wiederholen. Im Studium kommt es auf punktgenaue Leistung an, genauso wie im Wettkampf. Durch den Sport habe ich gelernt meinen Tag zu organisieren. Das hilft in allen Bereichen ungemein.

Was haben Sie sich vorgenommen für Rio?

Zwei Sachen. Erstens: Meine optimale Leistungsfähigkeit unter Druck in der Wettkampfsituation abzurufen. Zweitens: Mitnehmen, was ich mitnehmen kann. Gerade weil es meine letzten Olympischen Spiele sind, an denen ich teilnehmen werde, bevor ich im Herbst mit dem Sport aufhöre.

Das Interview führte Peter Gotzner

Betty Heidler nach ihrem dritten Platz bei den Olympischen Spielen 2012 in London

Zur Person: Betty Heidler wurde am 14. Oktober 1983 in Ost-Berlin geboren. 2007 wurde sie in Osaka Hammerwurf-Weltmeisterin, 2010 in Barcelona Europameisterin. Bei den Olympischen Spielen 2012 in London holte sie zudem die Bronze-Medaille. Heidler startet für die LG Eintracht Frankfurt. Ihre persönliche Bestleistung von 79,42 Metern, aufgestellt am 21. Mai 2011, war mehr als drei Jahre lang Weltrekord im Hammerwurf der Frauen.

Zur Serie: In den weiteren Teilen stellen wir im Laufe des Julis die Olympia-Teilnehmer Philipp Herder (Turnen) und Patrick Hausding (Wasserspringen) sowie die Paralympics-Starterin Verena Schott (Schwimmen) vor.

Das HU-Team für Rio im Überblick:

  • Maria Kurjo (Wasserspringen)
  • Patrick Hausding (Wasserspringen)
  • Annika Schleu (Moderner Fünfkampf)
  • Betty Heidler (Hammerwurf)
  • Julia Fischer (Diskus)
  • Martin Zwicker (Feldhockey)
  • Lucas Jakubczyk (100 Meter und Staffel 4x100 Meter)
  • Julia Richter (Rudern/Ersatz)
  • Philipp Herder (Turnen/Ersatz)
  • Verena Schott (Paralympics/Schimmen)
  • Katharina Krüger (Paralympics/Rollstuhltennis)

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