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"Ich möchte mir ein zweites Standbein aufbauen"

Im Vorfeld der Olympischen und Paralympischen Spielen stellen wir in einer Serie vier Sportlerinnen und Sportler vor, die in Rio de Janeiro an den Start gehen. Was alle vier gemeinsamen haben: Sie studieren an der Humboldt-Universität zu Berlin (HU). In Teil zwei spricht Wasserspringer Patrick Hausding über Olympia.

Wasserspringer Patrick Hausding

Nach Silber in Peking hofft Patrick Hausding in Rio auf eine weitere Olympia-Medaille. Abbildung: Picture Alliance/dpa

300 bis 400 Trainingssprünge in der Woche: Für Olympia in Rio de Janeiro (5. bis 21. August) hat Patrick Hausding hart trainiert. Es sind seine dritten Olympischen Sommerspiele, eine Medaille hat er schon gewonnen - eine zweite darf es in Rio aber gerne werden.

Herr Hausding, als Wasserspringer sind Sie Sportsoldat beim Heer – wäre da die Marine nicht passender?

Patrick Hausding: Ich habe nach meinem Abitur, das ich wegen Olympia in Peking bis 2009 gestreckt habe, eine Grundausbildung bei der Bundeswehr angefangen, um meinen Sport weiter betreiben zu können. Das waren acht Wochen, nach denen ich als Profisportler direkt einsteigen konnte. Und um am Olympiastützpunkt Berlin zu bleiben, gehören die meisten Sportler hier zum Heer. Ob Heer, Marine oder Luftwaffe hängt davon ab, wo wir stationiert sein wollen.

Wann haben Sie den Entschluss gefasst: erst Bundeswehr und dann ein BWL-Studium parallel?

Der Gedanke an ein Studium kam mir schon zwei Jahre vor meiner Bundeswehrzeit. Es ist oft so, dass man vom Leistungssport nicht leben kann – besonders in Randsportarten. Die Bundeswehr ist eine willkommene Unterstützung. Leistungssport ist über die Jahre immer professionalisierter geworden und ein Full-Time-Job. An einem Acht-Stunden-Tag habe ich vielleicht eine Dreiviertelstunde Trainingspause. Die Bundeswehrplätze sind aber begrenzt. Nur die besten Sportler werden mit Sold unterstützt und haben so nebenher noch die Möglichkeit, in Teilzeit zu studieren. Ich möchte mir damit ein zweites Standbein aufbauen. Man erreicht irgendwann im Sport schließlich seinen Zenit. Ab etwa 30 geht es sicherlich nicht mehr bergauf.

Und warum viel Ihre Wahl auf BWL?

Ich habe über ein Berufsseminar den Einstieg gefunden und mich für BWL entschieden, weil es so vielseitig ist. Ich will noch alle Möglichkeiten offen lassen, wo es mich hinführt. Ob Marketing, Management oder vielleicht sogar im Bereich Sport – ich weiß es noch nicht.

Warum hat es Sie denn nach Berlin und letztendlich an die Humboldt-Universität gezogen?

Ich bin in Berlin-Lichtenberg geboren und aufgewachsen, habe dort mein Abitur gemacht. Aber für mich war entscheidend, dass der Olympiastützpunkt Berlin eng mit den Berliner Unis kooperiert. Das war ein Vorteil, da der Sportalltag mich bereits genug belastet. Die Kooperation bietet Lösungen bei Abwesenheit, Möglichkeiten Material aufzuarbeiten oder sogar Prüfungen zu verlegen. Ich bin wegen Wettkämpfen immer mal abwesend und wollte nicht einfach ein halbes Jahr Studium wegschmeißen müssen.

Ändert sich ihr Training vor einem wichtigen Wettkampf wie Olympia?

Bei uns Springern ändert sich die Methodik. Man versucht das abzuspulen, was man kann. Aber wir belasten uns vor dem Saisonhöhepunkt körperlich nicht so stark. Wir arbeiten über die Saison hinweg sehr hart und sehr viel und schalten vor den Wettkämpfen runter und probieren nur noch die Wettkampf-Sprünge.

300 bis 400 solcher Sprünge pro Woche sind im Training eine realistische Zahl? Hat das nicht Auswirkungen auf den Körper?

Die Zahl klingt realistisch. Und ja, die Schultern und Knie leiden beim Springen. Ab einem gewissen Alter ist Schmerz ein ständiger Begleiter im Sport. Leistungssport heute ist so intensiv, dass es untypisch ist, ohne Verletzung und Schmerzen den Alltag bestreiten zu können. Ich merke, wie mein Körper Stück für Stück verschleißt. Als ich jünger war, hatte ich weniger Probleme. Aber mit 27 folge ich meiner Leidenschaft und nehme Schmerzen in Kauf.

Bei all der Belastung und langen Trainingstagen: Ist Ihnen das Studentenleben mit all seinen Facetten willkommen?

Der Unialltag mit Vorlesungen oder Übungen ist eine gute Abwechslung. Auf einem Stuhl zu sitzen und zuzuhören, aktiviert den Geist und ist angenehm auf eine nicht körperliche Weise. Als Leistungssportler muss ich aber alles unterordnen, derzeit auch mein Studium. Wasserspringen ist aktuell mein Job. Und da die Zeit begrenzt ist, opfere ich meine ganze Kraft dafür, bevor ich sie dann später ganz ins Studium investieren will. Eine Studentenparty habe ich bisher noch nicht mitgemacht. Auch wenn die Zeit vielleicht manchmal da wäre: Mein Kontakt mit anderen Studenten ist begrenzt. Da ich im Vergleich langsam studiere, sind die Leute, die ich im Semester kennenlerne, ein halbes Jahr später viel weiter im Studium.

Mit welchem Ansporn fahren Sie nach Rio?

Natürlich ist eine mögliche Olympiamedaille eine Motivation. Nachdem ich mit Silber in Peking meine erste geholt habe und dann in London knapp gescheitert bin – da wird es mal wieder Zeit in Rio.

Das Interview führte Peter Gotzner

Wasserspringer Patrick Hausding spricht über seine Olympia-Pläne

Zur Person: Patrick Hausding wurde am 9. März 1989 in Berlin geboren. Als Kunstspringer holte er vom Ein-Meter-Brett, Drei-Meter-Brett und vom Zehn-Meter-Turm diverse Medaillen bei Welt- und Europameisterschaften. 2010 wurde Hausding zu "Berlins Sportler des Jahres" gewählt. Bei den Olympischen Spielen in Peking 2008 holte er zudem die Silbermedaille im Synchronspringen vom Zehn-Meter-Turm.

Zur Serie: In den weiteren Teilen stellen wir im Laufe des Julis den Olympia-Teilnehmer Philipp Herder (Turnen) und sowie die Paralympics-Starterin Verena Schott (Schwimmen) vor. Ein Interview mit Hammerwerferin Betty Heidler ist bereits erschienen.

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Das HU-Team für Rio im Überblick:

  • Maria Kurjo (Wasserspringen)
  • Patrick Hausding (Wasserspringen)
  • Annika Schleu (Moderner Fünfkampf)
  • Betty Heidler (Hammerwurf)
  • Julia Fischer (Diskus)
  • Martin Zwicker (Feldhockey)
  • Lucas Jakubczyk (100 Meter und Staffel 4x100 Meter)
  • Julia Richter (Rudern/Ersatz)
  • Philipp Herder (Turnen/Ersatz)
  • Verena Schott (Paralympics/Schimmen)
  • Katharina Krüger (Paralympics/Rollstuhltennis)

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