Ein Studium mit vielen Perspektiven
In einem Zimmer des Instituts
für Philosophie steht ein Tisch,
an dem Georg Wilhelm Friedrich
Hegel gearbeitet hat. Eine
Leihgabe der Elisabeth-Klinik
Abbildung: Matthias Heyde
Am 17. November ist der UNESCO-Welttag der Philosophie – ein Anlass, um einen Blick auf das renommierte Institut für Philosophie an der Humboldt-Universität zu Berlin (HU) zu werfen. Beim „QS-World University Ranking by Subject“, einem der international einflussreichsten Hochschulrankings, kam das Institut für Philosophie der HU jüngst auf Rang 14. Mit einer Bewertung von 80,5 Prozent steht es auf dem vierten Platz der Philosophieinstitute in Europa, im nicht-angelsächsischen Raum ist es das höchstbewertete. „Darauf können wir wirklich stolz sein“, freut sich Dominik Perler, seit 2003 Professor für Theoretische Philosophie, Leibniz-Preisträger und amtierender Präsident der Deutschen Gesellschaft für Philosophie. Das gute Abschneiden im QS-Ranking freut Perler besonders, weil es das methodisch zuverlässigste ist. „Hier geht es nicht einfach um Drittmittel oder die Zahl der Preise, sondern um Peer Reviews, also um Einschätzungen unabhängiger Gutachter“, sagt Perler.
Starke Vernetzung mit anderen Fächern
Was steckt hinter dieser Bewertung? Mitten in Berlin im HU-Hauptgebäude Unter den Linden befindet sich das Institut für Philosophie. Hier wirken 14 Professorinnen und Professoren, 23 Mitarbeitende und 88 Promovierende, es gibt aktuell 1.350 Studierende – damit ist es aktuell das größte im deutschsprachigen Raum. Die Vielzahl an Lehrstühlen garantiert Spezialisten in vielen verschiedenen Bereichen der Philosophie. Außerdem, so Dominik Perler, zeichne das Institut die starke Vernetzung mit anderen Fächern aus. Nicht zuletzt der internationale Austausch sei bemerkenswert. „Wir haben immer mehr ausländische Studierende und Gäste, im vergangenen Sommersemester jagte eine Tagung die nächste.“ Im September 2017 steht der 24. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Philosophie zum Thema „Norm und Natur“ an, der an der Humboldt-Universität stattfinden wird. Noch bis zum 1. Dezember 2016 können Bewerbungen für Sektionsvorträge eingereicht werden.
Doch was machen Philosophen eigentlich? Perler erklärt: „Wir bringen Probleme begrifflich auf den Punkt. Zum Beispiel reden wir im Alltag immer wieder von Ungerechtigkeit, etwa im Sozialsystem. Im Gegensatz zu empirischen Wissenschaftlern schauen wir uns nicht konkrete Zahlen an, sondern fragen: Was verstehen wir allgemein unter Gerechtigkeit, welche Bedingungen sollten erfüllt sein, um ein gerechtes Sozialsystem zu haben?“ Deshalb könne man in der Philosophie theoretisch über jedes Thema sprechen, und darum ziehe das Fach sehr gute Studierende an.
Philosophie gilt als Männerdomäne
Wie Mari Mikkola, seit 2010 Juniorprofessorin für Praktische Philosophie und langjährige Frauenbeauftragte am Institut, berichtet, ist die Zusammensetzung der Studierenden ziemlich ausgeglichen. „Im Bachelor gibt es genauso viele Männer wie Frauen, im Master dominieren erstere ein wenig, unter den Lehramtsstudierenden sind letztere dafür etwas mehr vertreten.“ Das war nicht immer so. Schaut man auf die Philosophiegeschichte mit ihren überwiegend männlichen Autoren, erschließt sich, warum die Philosophie als Männerdomäne gilt. Gesellschaftliche Strukturen und Geschlechterverhältnisse spielten in der Vergangenheit wahrscheinlich eine Rolle, zudem seien viele universitäre Bereiche historisch männerdominiert, erklärt Mikkola und kritisiert: „Frauen mit W3-Professuren sind noch heute eine Seltenheit in der deutschen Philosophie. Das kann einen falschen Eindruck produzieren – dass sie nicht philosophieren können oder es nicht wollen.“
„Sie können Probleme genau diagnostizieren“
Wegen ihrer methodischen Fähigkeiten ist die Wissenschaft einer von vielen Bereichen, in denen Philosophieabsolventen arbeiten können. „Sie können Probleme genau diagnostizieren, Argumente analysieren, schwierige Texte lesen und selbst schreiben“, so Perler. Dank dieser Fähigkeiten können sie sich überall einbringen, ob als Diplomat, Journalist oder Manager. Ein Spezialfall ist der Lehrerberuf, zumal in Berlin. Hier gibt es seit 2006 das Pflichtfach Ethik für die Sekundarstufe I, weshalb über die Jahre mehr Studienplätze geschaffen wurden.
„Wir sind in der glücklichen Position, dass wir eine Professur für die Didaktik der Philosophie haben; Kirsten Meyer arbeitet eng mit den Schulen zusammen“, sagt Perler, dem die Lehrerausbildung am Herzen liegt. Im vergangenen Wintersemester hat er ein Seminar zu Theorien der Person unterrichtet, zwei Drittel der Teilnehmer waren angehende Lehrerinnen und Lehrer. Um sie auf den Philosophieunterricht vorzubereiten, hat er Texte ausgewählt, die man auch in der Schule lesen könnte.
Autor: Michael Thiele